PLIEZHAUSEN. Anja Carmen Müller arbeitet mit ihrem Therapiehund im Team. Ihre beiden Labrador Retriever Malou und Hugo leben mit der Pliezhäuserin zusammen. Ihre Hündin Malou war acht Jahre mit Müller einmal in der Woche im Integrationskindergarten bei Tübingen und ist seit 2020 im Ruhestand. »Sie sind und waren meine Teampartner als Therapiehund«, sagt Müller. Aktuell geht die 52-Jährige mit Hugo als Therapiehund im Auftrag des Vereins Ambulanter Hospizdienst Reutlingen in Familien und besucht - immer nach Rücksprache mit den Koordinatoren - Kinder und Jugendliche, die lebensverkürzend krank sind. »Mein Anspruch dabei ist pro Hund und dass den Besuchten für sie mögliche Bereiche gefördert werden. Das macht Hugo durch die vielen lustigen Tricks, die er sehr gerne zeigt und die zum Mitmachen anregen«, sagt sie. Denn auch wenn Hugo in seinen Einsätzen ist, sei es ihr wichtig, den Hund immer im Blick zu behalten. Sie könne den Klienten auch nicht versprechen, wie lange sie bleiben. »Das hängt immer davon ab, wie der Hund drauf ist. Wenn Hugo zeigt, dass für heute Schluss ist, brechen wir ab und gehen früher.« Dafür muss sie den Hund lesen können. Zu wem Anja Carmen Müller mit Hugo geht, klären die hauptamtlichen Mitarbeiter des Hospizdienstes vorher ab. »Sie kennen mich, die Hunde und die Klienten«, beschreibt sie die Vorteile der Schnittstelle im Gespräch in der GEA-Redaktion am Metzinger Kelternplatz. »Mein Auftrag ist es, mit dem Therapiehund Hugo etwas Freude in den Alltag zu bringen, der durch eine lebensverkürzende Erkrankung geprägt ist.«
Angefangen hat es mit ihrer ersten Hündin. Die 2006 geborene Labrador Retriever-Hündin Jil war ihr erster Therapiehund. »Wie es dazu kam, weiß ich gar nicht mehr so genau. Entweder habe ich darüber etwas gelesen oder mich hat jemand darauf angesprochen, dass sich Jil als Therapiehund eignen würde«, erzählt Müller. Denn sie sei mit Kindern zusammen so fröhlich gewesen. Letztlich sei das A und O, dass der menschliche Teampartner den Hund lesen könne. Dieser müsse wissen, wie es den Tieren gerade geht und was sie gerade brauchen. »Ich darf die Hunde ja nicht überfordern.«
Fordern, aber nicht überfordern
Vielmehr müsse sie eine Balance finden. Dazu gehöre in der Ausbildung zum Therapiehund, nicht einfach eine Liste abzuarbeiten, sondern auf den Hund einzugehen. »Ich muss den Alltag wohldosiert gestalten, um den Hund nicht zu überfordern.« Dazu gehöre es unter anderem, unter der Woche mal in in ihrer Heimatstadt Metzingen mit dem Hund in zwei Geschäfte zu gehen und dann wieder nach Hause zu fahren. Von einem Besuch in den Outlets mit Hund rät sie aber ab. Dort sei es für die Tiere viel zu wuselig. Eines ist ihr bei der Ausbildung ganz wichtig: »Ich sollte nicht einen Therapiehund haben wollen, weil ich mich als Mensch damit so toll fühle und dann so engagiert bin.«
Ein Hund komme nicht als Therapiehund auf die Welt. »Er ist als Welpen eher ein Rohdiamant, der sich erst noch entwickeln muss und durch seinen Menschen vieles lernen darf.« Wie das geht und worauf es zu achten gilt, beschreibt Anja Carmen Müller gemeinsam mit der Biologin, Sachbuchautorin und Fotografin Dr. Gabriele Lehari in ihrem neuen Buch »Der Therapiehund. Vor, während und nach der Ausbildung«, das im Reutlinger Verlag Oertel + Spörer erschienen ist und 24 Euro kostet. Zunächst gelte es, die Stärken und Schwächen des Tiers zu beobachten und dann zu entscheiden, ob eine Ausbildung zum Therapiehund möglich wäre. »Die kann frühestens mit zwei Jahren beginnen.« Im Buch hat Müller ihre Erfahrungen mit Therapiehunden festgehalten, Lehari hat sie beim Schreiben beraten und mit der Kamera begleitet. Das Buch richtet sich an Hundebesitzer, Ausbilder und Züchter, ist aber kein Lehrbuch, sondern lebt von der Praxis.

Die hat die ausgebildete Fachkrankenschwester für Kinder- und Intensivmedizin Anja Carmen Müller über zehn Jahre lang durch ihre Besuche im Integrationskindergarten bei Tübingen erlebt. Regelmäßig einmal pro Woche kam sie mit der inzwischen verstorbenen Jil und später gemeinsam mit Malou dorthin. »Die Kinder haben mit dem Hund Spaß. Sie entwickeln sich so auch weiter und lernen Empathie, Rücksicht auf das Tier zu nehmen und Achtsamkeit.« Sie habe gemerkt, dass Kinder, in deren Familie ein Hund lebt, grober zu den Tieren waren als andere Kinder ohne Hund. So sei es dann zu einem Umdenken in den Familien gekommen. Kinder hätten für den Hund zum Beispiel Leckerlies in einem sogenannten Schnüffelrasen versteckt, die das Tier nach einigem Warten suchen musste. »Dabei geht es um Interaktion zwischen den Kindern und dem Hund.« Außerdem bringe ein Hund Ruhe in den Kindergartenbetrieb und könne bei Kindern mit Behinderungen für diese entspannend wirken.
Manchmal bekommt Anja Carmen Müller Jahre später Rückmeldungen nach solchen Besuchen. Julian war 2010 im Intergrationskindergarten und schrieb zehn Jahre später: »Ich war erstaunt, wie ruhig Jil ist. Das kannte ich bisher nicht. Denn bisher erschienen mir Hunde, wie ich sie bisher kannte, als wuselig und hektisch.« Und weiter schrieb Julian: »Erinnern kann ich mich noch an ihren Blick. Sie war so sanft und wirkte sehr liebevoll, warm und verständnisvoll.«
Signierstunde ohne die Hunde
Am nächsten Wochenende ist Müller allerdings ohne ihre Hunde unterwegs. Sie besucht die Tiermesse Animal beim Stuttgarter Messeherbst und signiert Bücher: »Da sind so viele Gerüche und so viel Lärm. Das würde den Hunden nicht gerecht werden.« (GEA)