RÖMERSTEIN. Anja Sauer hat sich einbremsen lassen. Die Römersteiner Bürgermeisterin wollte die Ortschaftsräte in Böhringen, Donnstetten und Zainingen samt Ortsvorstehern abschaffen und dafür die Ortschaftsverfassung der Gemeinde Römerstein ändern. Dafür hätte es eine qualifizierte Gemeinderatsmehrheit gebraucht, also mindestens 50 Prozent der Stimmen der Ratsmitglieder. Die entsprechende Sitzung war bereits terminiert, auf Donnerstag, 8. Februar. Doch die Rathauschefin hat sie Anfang der Woche wieder abgeblasen. Weil es Widerstand aus den Ortschaftsräten gab, nachdem das Thema in der lokalen Presse vor der geplanten Sitzung publik geworden war.
Statt einer möglichen einschneidenden Entscheidung gibt es jetzt eine neue salomonische Linie, die maßgeblich Thomas Deuble erarbeitet hat, Gemeinderat und ehrenamtlicher stellvertretender Bürgermeister Römersteins. »Bis zur Kommunalwahl am 9. Juni ist das Thema 'Abschaffung der Ortschaftsräte' vom Tisch, danach soll der neu gewählte Gemeinderat darüber entscheiden«, stellt Anja Sauer in einem Pressegespräch im Zaininger Rathaus den Weg vor, den die Ortsvorsteher Albrecht Müller (Böhringen), Susanne Pieck (Zainingen) und Hermann Claß (Donnstetten) guten Gewissens mitgehen können.

Geht es nach den bisherigen Verantwortlichen, sollen die Einwohner in puncto Zukunft der Ortschaftsräte breit beteiligt werden. »Ich bin für einen Bürgerentscheid«, sagt Anja Sauer jetzt. Bis zur Kommunalwahl bleibt es aber erstmal bei dem Kompromiss, den die Gemeinde- und Ortschafts-Spitzen auf Augenhöhe gefunden haben.
Die Bürgermeisterin möchte in Römerstein und seinen Teilorten auch die unechte Teilortswahl wiedereinführen und für Kandidatinnen und Kandidaten aus Böhringen, Donnstetten paritätisch jeweils fünf Gemeinderatssitze zur Verfügung stellen. Bisher geht es nur nach der Stimmenmehrheit und zwei Listen, was bedeutet, dass die unterschiedlich großen Teilgemeinden unproportional im Gemeinderat vertreten sind: So hat das 1.800 Einwohner große Böhringen vier Sitze, Donnstetten mit seinen knapp 1.000 Einwohnern sechs und Zainingen mit 1.200 Bürgern vier Sitze.
- Wie die Bürgermeisterin argumentiert
Anja Sauer hatte schon in ihrem Wahlkampf als einzige Kandidatin für den Römersteiner Chefsessel vor über zwei Jahren deutlich gemacht, dass sie die Ortschaftsräte auf den Prüfstand stellen will. »Die Ortschaftsräte mit ihren Ortsvorstehern leben einen auf kommunaler Ebene nicht mehr zeitgemäßen Föderalismus«, findet die Bürgermeisterin, »und widersprechen einer gemeinsamen repräsentativen Einheitsgemeinde«. »Viele Bürger«, mit denen sie im Lauf ihrer knapp zwei Dienstjahre gesprochen habe, hätten auch für ein einheitliches Römerstein plädiert.
Auch um Verwaltungsverschlankung und Bürokratieabbau geht es der Ur-Böhringerin, die ihr Ohr nah an einigen Vereinen hat. Zudem hätten die Ortschaftsräte nur beratende, nicht entscheidende Funktion und könne die Gemeinde Römerstein sich durch deren Abschaffung weiter finanziell konsolidieren - wozu das Landratsamt Reutlingen als Kommunalaufsicht aufgefordert habe. Um auch weiterhin nah an den Bürgern zu sein, will Anja Sauer einen zweiten Bürgermeisterin-Stellvertreter einführen, der etwa bei hohen Geburtstagen oder Goldenen Hochzeiten gratulieren könnte.
- Was die Ortsvorsteher sagen
Vor allem Hermann Claß, seit 25 Jahren Ortsvorsteher in Donnstetten, schwillt im Pressegespräch immer wieder die Zornesader. »Man kann so eine Entscheidung nicht so kurz vor der Wahl übers Knie brechen«, findet er und ergreift Partei für das jetzt in Frage stehende politische Ehrenamt: »Ich hab mich total angekratzt gefühlt.« Amtskollege Albrecht Müller aus Böhringen streicht den Stellenwert der Ortsvorsteher heraus: »Er muss sich um die kleinen Bürger-Themen kümmern.« »Wir brauchen Rechtssicherheit und müssen die Bevölkerung mitnehmen«, findet Susanne Pieck, die Zaininger Ortsvorsteherin und fragt: »Warum können wir die unechte Teilortswahl nicht einführen und die Ortschaftsräte trotzdem behalten?«
Alle drei betonen die Bürgernähe von Ortschaftsrat und -vorstehern: Sie sind Kümmerer, die auch im Gespräch mit »ihren« Mitbewohnern viel erledigen können, wozu es nicht immer einen formellen Ratsbeschluss braucht. Beispiel: An einer Hunde-Allee stehen zu wenige Entsorgungsstationen für die Hinterlassenschaften der Vierbeiner. Müller, Pieck und Claß sagen aber auch, dass es in Böhringen, Zainingen und Donnstetten bisher keine eindeutige Mehrheit für oder gegen die Abschaffung der Ortschaftsräte und Ortsvorsteher gibt.
- Wo objektive Schwierigkeiten liegen
Im Mangel an Kandidatinnen und Kandidaten, die für die Ortschaftsräte, die Ortsvorsteher und den Gemeinderat erstmal gefunden werden wollen. Hermann Claß, Susanne Pieck und Albrecht Müller treten allesamt nicht mehr an, auch in den Gremien gibt es Aderlass. Dennoch geben sich die drei im Pressegespräch optimistisch, dass sich Nachfolger/innen finden werden. Gespräche laufen.
- Was der Kompromiss noch leisten kann
»Ortschaftsräte sind kommunalpolitisches Ehrenamt auf relativ niedriger Einstiegsschwelle«, betont Thomas Deuble, der stellvertretende Bürgermeister und Kompromissfinder. Dadurch könnten sich auch jüngere Kandidatinnen und Kandidaten finden, die sich das verantwortungsvolle Gemeinderatsamt vorerst noch nicht zutrauen. (GEA)



