METZINGEN. Der Kamin ragte schon immer über alles hinweg und daran hat sich auch nichts geändert: Einst war er Blickfang der 2009 insolvent gegangenen G&V Tuchfabrik und nun prägt er den Bürgerpark, der auf dem ehemaligen Industriegelände entstanden ist. Den Klinker-Schornstein zu erhalten, war 2011 vielfach geäußerter Wunsch der Metzinger bei der Bürgerbeteiligung zur Gestaltung der Industriebrache. Doch sonst ist quasi alles neu auf dem direkt an die Outlet-City angrenzenden Gelände: Wo einst Kesselhaus und riesengroße Heiztanks standen, sich das Materiallager und andere Gebäude befanden, erstrecken sich weitläufige Rasenflächen, Parkbesucher können sich’s auf Bänken oder Steinquadern mit Blick auf die Erms gemütlich machen. Genau das berge laut Oberbürgermeisterin Carmen Haberstroh einen ganz besonderen Reiz, wie sie bei der offiziellen Eröffnung des Bürgerparks am Montag unterstrich: »Die Metzinger bekommen ihre Erms wieder zurück.« Denn gesehen hat man den Fluss früher nicht, er floss kanalartig unter den G&V-Betriebsgebäuden durch. Nun sei die Erms im Herzen der Stadt wieder erlebbar: »Das ist großartig.«
Wüsche der Bürger bei Planung berücksichtigt
Kaum waren die Absperrungen abgebaut, zeigte sich, wie gut der Bürgerpark angenommen wird: Bei herrlichem Wetter verbrachten die ersten Metzinger ihre Mittagspause dort, Kinder spielten an und in der Erms und die Zahl der Flaneure war beachtlich. Ein weiteres Ziel des gemeinsamen Gestaltungsprozesses von Stadt Metzingen, der Outlet-City und den Bürgern war, einen Rundweg von der Shopping-Meile bis zum Rathaus-Platz und wieder zurück zu ermöglichen. Weitere Wünsche der Bürger wurden ebenfalls bei der Planung berücksichtigt, wie Outlet-City Vorstandsvorsitzender Wolfgang Bauer betonte: Es wurde ein Stadtstrand angelegt, Liegewiesen geschaffen und der Bürgerpark ist barrierefrei. »Das hier ist Natur pur, man hört die Erms rauschen«, freut sich Bauer beim Rundumblick. Jetzt schon hätten sich wieder Tiere angesiedelt – ein Graureiher sei jedenfalls bereits gesichtet worden.
Bedauerlicherweise habe sich die Realisierung etwas verzögert, eigentlich hätte auf den 2019 eröffneten Hugo-Boss-Neubau die Renaturierung der Erms und die Gestaltung des Parks folgen sollen. Doch auf die Bürgerbeteiligung im Jahr 2011 folgte ein Raumordnungsverfahren, das fünfeinhalb Jahre dauerte, erst 2017 konnte mit der Entkernung der Industriegebäude begonnen werden. Doch dann kam Corona, die Bauarbeiten wurden eingestellt und damit auch der Abriss. Er sei froh, so Bauer, dass die Outlet-City in dieser schwierigen und anstrengenden Zeit das Vertrauen der Metzinger hatten.
Mehrwert für die Stadtgesellschaft
Ein Großteil des Geländes gehört der Outlet-City, ein kleinerer ist in Besitz der Stadt. Gemeinsam mit interessierten Metzingern habe man, darin sind sich Wolfgang Bauer und die Oberbürgermeisterin einig, viel bewegt. Und das im wahrsten Sinne des Wortes: 3600 Tonnen Aushub mussten abgefahren werden, 1500 Tonnen Steine wurden für die Uferbefestigung aus Gelände gebracht. Auf der 7500 Quadratmeter großen Grünfläche wurden 45 Bäume und 60 Sträucher angepflanzt. Ohne befestigte Fläche für Wege und Plätze geht’s auch im Bürgerpark nicht, 1700 Quadratmeter ist dieser Bereich groß.
Mit dem Bürgerpark würden die Metzinger laut Carmen Haberstroh einen Teil der Stadt wieder zurückerhalten und gleichzeitig gewinne die Innenstadt an Aufenthaltsqualität: »Es wurde ein Mehrwert für die Stadtgesellschaft geschaffen.« Davon würden auch die Anwohner profitieren, die viel Geduld aufbringen mussten: »Danke für ihr Vertrauen und ihre Geduld.« Man könne, so ihr Fazit über einen zwar langen und letztlich doch erfolgreichen Prozess, Großartiges erschaffen, wenn man sich aufeinander einlasse.
Das Alte habe man bedauerlicherweise nicht ganz eliminieren können, wie Wolfgang Bauer eingestehen musste: Auf der anderen Seite der Erms blicken die Bürgerpark-Besucher auf ein noch existierendes G&V-Betriebsgebäude mit einem Lost-Places-Flair. Die Outlet-City arbeite an einer Veränderung des Ist-Zustands, auf dem nördlichen Teil des ehemaligen Industrieareals soll ein weiteres Hotel entstehen. (GEA)

