DETTINGEN. Ralf Lang und Harald Fechter eilen auf den Bahnsteig der Station Dettingen-Gsaidt. Denn gerade fährt am Dienstagmorgen ein weiß-schwarz-gelber Elektrotriebwagen nach Bad Urach ein. Allerdings möchten die beiden nicht einsteigen, sondern sich nur kurz für ein Foto neben den Zug stellen. Die beiden sorgen nämlich neuerdings für die Infrastruktur des Zuges. Für die Schienen, die Oberleitung und Signale. Ralf Lang ist der technische Geschäftsführer der RSBNA Erms-Neckar-Bahn Schieneninfrastruktur GmbH, sein Kollege Harald Fechter der kaufmännische Geschäftsführer.
Bisher war die Erms-Neckar-Bahn AG (ENAG) für die Fahrwege der Züge zuständig, doch seit Anfang April kümmern sich Lang und Fechter darum. Die beiden stehen für ein paar Minuten mit Eugen Höschele als Vorsitzender des Zweckverbands Regional-Stadtbahn Neckar-Alb und dem Verbandsgeschäftsführer Professor Tobias Bernecker neben der Zugfront während die Journalisten auf die Auslöser drücken. Dann hebt Lang den Arm, reckt den Daumen nach oben. Sekunden später setzt der Triebwagen der Baureihe 440 surrend seine Fahrt nach Bad Urach fort.
Kauf der ENAG beste Lösung
Ein paar Gehminuten vom Bahnsteig entfernt steht das neu gebaute Stellwerk Dettingen-Gsaidt, in dem die vier Männer die Hintergründe erläutern, warum sie jetzt für die Schieneninfrastruktur zuständig sind und nicht mehr die ENAG als Bürgerbahn. Die Verbandsversammlung hat im Juli den Zweckverband beauftragt, zu schauen, wie sich die Schieneninfrastruktur planen, bauen und betreiben lässt, sagt Höschele und bringt das Ergebnis auf den Punkt: »Die beste Lösung nach der Abwägung war, dass wir die ENAG kaufen.« So bekomme der Zweckverband Kompetenzen, um die Regional-Stadtbahn Neckar-Alb aufzubauen, die künftig mit Tramtrains teils auf Stadtbahn- und teils auf Eisenbahngleisen verkehren sollen. Aktuell werden diese Züge in Spanien gebaut und sollen baugleich auch im Saarland und im Netz der AVG um Karlsruhe fahren.
Zuvor war die ENAG schon Partner des Zweckverbands. »Sie haben sehr ordentlich gearbeitet und sehr viel Erfahrung bei der Planung«, sagt Höschele. Schließlich hat die ENAG die Ermstalbahn in den vergangenen Jahren elektrifiziert. Der Zweckverband hat über die ausgegliederte RSBNA Erms-Neckar-Bahn Schieneninfrastruktur GmbH 51 Prozent des Eisenbahnunternehmens übernommen, das für die Schieneninfrastruktur und den Betrieb zuständig ist. Die Züge fahren aber nach wie vor Angestellte der Deutschen Bahn AG. Die übrigen 49 Prozent bleiben im Besitz der ENAG als Muttergesellschaft, die dann aber nicht mehr für den operativen Betrieb zuständig ist. »Die ENAG war eine Bürgerbahn. Wir möchten sie dauerhaft absichern als öffentliche Hand«, sagt Höschele.
Vom Ministerium zur Bahngesellschaft
Ralf Lang, der 59 Jahre alt ist, hat in den 45 Jahren seines bisherigen Berufslebens an ganz verschiedenen Stellen des Eisenbahnverkehrs gearbeitet, erst als Zugführer und Fahrdienstleiter, später als Führungskraft und Sanierer bei der DB Cargo. In München baute er für die damalige DB Netz ein zentrales elektronisches Stellwerk für Bahnstrecken in Bayern auf und arbeitete zuletzt in Bonn als Berater im Verkehrsministerium. »Ich habe dann beschlossen, dass ich lieber wieder operativ arbeiten möchte«, sagt Lang. Daher sei er gewechselt.
»Mein Ziel ist, ein attraktives Verkehrsangebot zu schaffen, sodass viele von der Straße auf die Schiene wechseln und sich pünktlich, sicher und ökologisch sauber transportieren lassen«, sagt Lang. Die 35 Mitarbeiter der ENAG sind alle zur neuen Gesellschaft gewechselt. In den nächsten Jahren haben sie einige Projekte vor: »Wir wollen vom Stellwerk Gsaidt künftig auch die Ermstalstrecke von Metzingen übernehmen. Außerdem soll das neue Gleis 4 im Metzinger Bahnhof kurze Wege beim Umsteigen ermöglichen.« Der Halbstundentakt von Metzingen nach Bad Urach und zurück soll ab dem Fahrplanwechsel im Dezember 2025 möglich sein. Hinzu kommt, dass es zu einer Zugverdichtung im Bereich Bempflingen der Neckar-Alb-Bahn kommen soll, die für die DB von Gsaidt gesteuert werden soll.
Kurze Wege an die Strecke
Tobias Bernecker betont Vorteile der neuen Gesellschaft: »Wir setzen konsequent auf regionale Wertschöpfung vor Ort.« Die Arbeitsplätze hier sorgten für weitere in der Region. »Außerdem sind wir vom Stellwerk von Dettingen aus schnell an der Strecke, wenn etwas sein sollte. Es muss dann nicht jemand von irgendwo aus Süddeutschland erst herfahren.« (GEA)