METZINGEN. Kein einziger Redner - Frauen waren nicht am Mikro - hat sich in der Debatte über den Metzinger Doppelhaushalt 2024/25 voll hinter die Stadtverwaltung gestellt. Oberbürgermeisterin Carmen Haberstroh und Kämmerer Patrick Lehmann bekamen zwar jede Menge Lob für ihr komplexes 732-Seiten-Werk, das den Spagat zwischen leerer werdenden Kassen und großen Investitionen zu stemmen versucht. Aber auch viel Kritik für den Plan, den Gewerbesteuer-Hebesatz von 390 auf 420 Prozentpunkte zu erhöhen.
»Die CDU-Fraktion war sehr überrascht, dass Sie eine Erhöhung um 30 Punkte vorschlagen, auf einen Hebesatz, der mit 420 Prozentpunkten zum höchsten in der Region zählen würde«, machte Fraktionsvorsitzender Eckart Ruopp deutlich und verwies auf Pläne von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner, die Unternehmen angesichts der schwächelnden Konjunktur steuerlich zu entlasten.
»Sehr überrascht, dass Sie eine Erhöhung um 30 Punkte vorschlagen«
Die Stadt Metzingen ist zwar mit 28 Millionen Euro noch ordentlich liquide, doch reicht der jährliche Zahlungsmittelüberschuss aus dem Ergebnishaushalt nicht aus, um geplante Investitionen etwa in ein neues Kinderhaus, den naturwissenschaftlichen Trakt des Dietrich- Bonhoeffer-Gymnasiums oder die weitere Digitalisierung der Schulen abzudecken - Investitionen in die Zukunft der Stadt, die alle Fraktionsredner hervorhoben.
Zudem könnte die Stadt an den Kreis Reutlingen bis 2028 gewaltige 84 Millionen Euro Kreisumlage zu zahlen haben, 25 Millionen mehr als von 2019 bis 2023. Vorausgesetzt, der Kreistag beschließt die Erhöhung der Umlage.
Die Gewerbesteuer zählt zu den Haupteinnahmequellen der Kommunen. Aber ihre Erhöhung könnte Kleinbetriebe wie Großunternehmen belasten - was bei diesen ebenso auf Kritik gestoßen ist wie bei der Cityinitiative Metzingen und der IHK Reutlingen als Interessenvertretungen (der GEA berichtete).
Die Metzinger CDU-Fraktion will die 2024 und 2025 in Haushalt voraussichtlich fehlenden 2,8 Millionen Euro Gewerbesteuer durch Kreditermächtigungen egalisieren - geht aber (Ruopp) »davon aus, dass wir die vorgeschlagenen Ermächtigungen gar nicht brauchen. Wir rechnen mit besseren Ergebnissen.«
»Baldmöglichst Grundsteuer C für unbebaute Flächen einführen «
Amtskollege Stefan Köhler von den Freien Wählern plädierte dagegen mit der Fraktionsmehrheit dafür, »die Gewerbesteuer stufenweise in drei Etappen um je zehn Prozentpunkte anzuheben. Das würde die Betriebe nicht gleich in vollem Umfang belasten und wir könnten, falls weitere Einsparpotenziale gefunden werden, auch beim nächsten Haushalt noch steuernd eingreifen.«
Die FWV ist sich aber uneinig, »Rational betrachtet müssen wir die Erhöhung im Haushalt lassen, um alle Vorhaben in diesem Zeitraum drinzulassen, aber wir sehen auch die Betriebe, die mit immer höheren Kosten zu kämpfen haben«, machte Köhler, selbst (Dachtechnik-)Unternehmer, klar. Wie Ruopp regte auch er (»baldmöglichst«) eine Einführung der Grundsteuer C als zusätzliche Einnahmequelle an. Zu zahlen hätten sie die Eigentümer erschlossener und bebaubarer Grundstücke im Innenbereich, die diese unbebaut lassen.
»Mehr ans Sparen denken «
Grünen-Fraktionschef Dr. Georg Bräuchle nutzte die knapp zweistündige Doppelhaushaltsdebatte dazu, Einsparungen anzumahnen: »Wir haben weniger ein Einnahmenproblem, sondern viel mehr ein Ausgabenproblem: Der Ertrag steigt um 10,1 Prozent, ohne Gewerbesteuer-Erhöhung um 9,7 Prozent, der Aufwand aber um 23,5 Prozent!«
Dem Etatentwurf von OB Haberstroh und Kämmerer Lehmann attestierte er »gute Projekte, nichts ist entbehrlich«. Dennoch wollen die Grünen, differenziert verteilt, zehn Prozent gekürzt sehen und dazu die in der Coronazeit eingerichtete Haushalts- und Strukturkommission wieder tagen sehen.
Bräuchle nahm - nicht zum ersten Mal - das 2019 von einer 70-Prozent-Bürgermehrheit gewünschte Kombibad im Bongertwasen ins Visier: »Wenn man ohne Gewerbesteuer-Erhöhung im Bildungsbereich kürzen muss, ist das Kombibad, so wie man es sich gewünscht und geplant hat, mausetot. Bildungsausgaben darf man zu allerletzt kürzen.«
Doch auch das neue Ganzjahresbad, über dessen Bau-Vergabe der Gemeinderat voraussichtlich im Frühjahr entscheiden wird, zählt zu den Standortfaktoren der Stadt, und beschränkte man es, wie vom Grünen-Sprecher jetzt gefordert, auf ein reines Schwimmbad ohne Sauna und Gastronomie, fielen damit auch Bereiche weg, die das Jahresdefizit des Schwimmbads lindern sollen.
»Steuererhöhung ist die Ultima Ratio«
Auch Bräuchle setzt auf die Einführung der Grundsteuer C: schon Anfang 2025, nicht erst 2026. Und bei der Gewerbesteuer auf eine Anhebung auf 400, nicht auf 420 Prozentpunkte. Für die FDP-Fraktion um ihren Vorsitzenden Bernhard Mohr »ist die Anhebung der Gewerbesteuer zur Finanzierung der notwendigen, zum Teil auch rechtlich verpflichtenden Investitionen die Ultima Ratio«. Bevor es soweit kommt, schlug Mohr aber erstmal Beratungen zwischen Verwaltung und Fraktionen vor. Im Bundesdurchschnitt liege der Satz bei Städten ab 20.000 Einwohnern bei 420 Prozentpunkten.
Für den partei- und fraktionslosen Michael Breuer ist die von der Verwaltung geplante Steuererhöhung angesichts nur 0,2 Prozent prognostizierten Wirtschaftswachstums in Deutschland »überhaupt nicht zielführend«. Er beantragte, den Hebesatz bei 390 Prozentpunkten zu belassen.
In welche Projekte wollen die Ratsfraktionen gerne investieren? Neben den schon von der Stadtverwaltung benannten Großprojekten würde die FWV gerne in die Sanierung der Stuttgarter Straße zwischen Gewerbeschule und Einsteinstraße sowie ein Online-Bürgerbüro investieren. Die CDU will eine Fußgänger- und Radfahrerüberquerung am Übergang der Hexham-Allee zur Friedrich-Münzinger-Straße und versenkbare Poller an der Einmündung der Wilhelmstraße in die Stuttgarter Straße, fahren hier doch immer wieder Poser durch die Fußgängerzone.
»Bei 390 Punkten belassen, Kita-Gebühren teils abschaffen«
Die Grünen wollen ein Konzept für ein (Haus-)Ärztehaus und können sich einen Online-Bürgerhaushalt nach Stuttgarter Vorbild vorstellen. Die FDP erwartet von der Verwaltung rasche Vorschläge, wie städtischer Grund bebaut werden könnte, und setzt sich weiterhin für ein Durchfahrtverbot für schwere LKW auf dem innerstädtischen Abschnitt der B 313 ein. Breuer blieb bei seiner seit Jahren bestehenden Forderung nach Abschaffung der Kindergarten-Gebühren für Familien bis zu 45.000 Euro Bruttojahreseinkommen.
In der Sitzung am Donnerstag, 21. März, wird der Metzinger Gemeinderat über den Doppelhaushalt 2024/25 und die Änderungsanträge der Fraktionen abstimmen. (GEA)