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Kombibad Metzingen: Erst Streit, dann satte Mehrheit

Vier Stunden lang hört und debattiert der Gemeinderat über das 68,8 Millionen Euro teure Großprojekt im Freizeitgelände Bongertwasen.

So soll das Kombibad im Bongertwasen am Metzinger Stadtrand aussehen.
So soll das Kombibad im Bongertwasen am Metzinger Stadtrand aussehen. Foto: Krieger Architekten Ingenieure GmbH
So soll das Kombibad im Bongertwasen am Metzinger Stadtrand aussehen.
Foto: Krieger Architekten Ingenieure GmbH

METZINGEN. Donnerstag, kurz nach 18 Uhr. Munteres Geplauder in der Metzinger Stadthalle. Oberbürgermeisterin Carmen Haberstroh läutet die Sitzungsglocke und es wird ruhig im Saal. Rund 200 Besucher sind dabei, als der Gemeinderat über die größte Investition der Stadt berät und beschließt: den Bau des Kombibads im Bongertwasen. Für den sind Stand heute 68,8 Millionen Euro eingeplant, inklusive eines Kostensteigerungspuffers. Räte und Publikum werden von Stadtverwaltung und externen Fachleuten umfassend informiert, ehe es in die Debatte und zum Beschluss über die Vergabe des Baus geht. Rund zehn Kombibadfans in orangefarbenen T-Shirts sitzen im Publikum. Im unauffälligen Alltagslook kommen dessen Gegner daher, die in der Halle auch nicht zu knapp vertreten sind.

Immer wieder gibt es Applaus für die Redenden, etwa als es um die Architektur des gemischten Hallen- und Freibads geht, die Einbettung in die Landschaft mit ihren Streuobstwiesen und den Blick zum Weinberg, oder um die Finanzierung des Großprojekts, die die Stadtverwaltung als gesichert ansieht. Aber auch die Grünen um ihren extrem kombibadkritisch redenden Fraktionsvorsitzenden Dr. Georg Bräuchle bekommen viel Beifall. Am Rand der Halle stehen drei Bad-Modelle, die das Publikum nach der Sitzung im Stadthallenfoyer näher begutachten kann.

Nach vier Stunden Information und teils hitziger Debatte entscheidet die große Ratsmehrheit: Das Ganzjahresbad am Metzinger Stadtrand darf gebaut werden. Die sechsköpfige Grünen-Fraktion und der partei- und fraktionslose Michael Breuer stimmen dagegen. Den Zuschlag bekommt der Lokalmatador: die Bauunternehmung Gottlob Brodbeck GmbH. Er ist als sogenannter Totalunternehmer für Planung und Bau des Bades, seiner Saunalandschaft und der Gastronomie verantwortlich.

Blick von der Empore ins Freizeit- und Familienbecken.
Blick von der Empore ins Freizeit- und Familienbecken. Foto: Krieger Architekten Ingenieure GmbH
Blick von der Empore ins Freizeit- und Familienbecken.
Foto: Krieger Architekten Ingenieure GmbH

Im Juli könnte die Baugenehmigung erteilt sein, im Oktober 2025 der Bau beginnen. Läuft alles nach Plan, könnte das Kombibad im November 2028 eröffnet werden. Es wird die in die Jahre gekommenen jetzigen Bäder ablösen: das Freibad hinter der Motorworld und das ausfallgefährdete Hallenbad gegenüber der Stadthalle. Vorausgesetzt, das Regierungspräsidium Tübingen stimmt dem Wirtschaftsplan der Stadtwerke Metzingen mit der Finanzierung des Großprojekts zu. Das RP ist Rechtsaufsichtsbehörde für die Große Kreisstadt Metzingen. Diese muss trotz des Kombibad-Baus liquide bleiben.

Wie das Bad gestaltet wird

Der Entwurf der von Brodbeck beauftragten Krieger Architekten und Ingenieure GmbH, den das Architekturgremium unter Vorsitz von Professor Dr. Volker Droste nichtöffentlich zum Sieger der drei Ausschreibungsteilnehmer gekürt hat, sieht einen zweiteiligen und zweigeschossigen Baukörper vor. Dabei sind zwei L-förmige Gebäudeteile ineinander verschränkt. Der Entwurf nutzt die etwas abschüssige Topografie des Geländes beim Ferientagheim. Architekt Thomas Kalmann und der ebenfalls von Brodbeck beauftragte FreiraumplanerJörg Siegmund aus Grafenberg wollen das Bad harmonisch in die von Streuobstwiesen geprägte Landschaft einbetten.

Drinnen im Bad und in seinem Außenbereich ist weitgehend das abgebildet, was im Rahmen der mustergültigen Bürgerbeteiligung seit 2017 mit hunderten Einwohnern, Schulen, Vereinen und anderen Schwimm- und Bade-Interessierten gewünscht wurde: ein C-wettkampftaugliches 25-Meter-Schwimmbecken genauso wie ein Lehrschwimmbecken, Sprungbretter, ein Freizeitbecken mit Wasserattraktionen, ein ganzjährig beheiztes Außenbecken, eine Saunalandschaft und großzügige Gastronomie. Die gesamte Wasserfläche liegt im Sommer bei 1.222, im Winter bei 972 Quadratmetern und damit selbst nach vorgenommenen Einsparungen nur minimal kleiner als ursprünglich geplant.

Der Eingangsvorplatz vor dem Kombibad im Bongertwasen.
Der Eingangsvorplatz vor dem Kombibad im Bongertwasen. Foto: Krieger Architekten Ingenieure
Der Eingangsvorplatz vor dem Kombibad im Bongertwasen.
Foto: Krieger Architekten Ingenieure

Das Kombibad wird dreiteilig gegliedert, die Bereiche werden akustisch voneinander getrennt. Der in der unteren Ebene liegende Schwimmerbereich, der auch ein zunächst unbeheiztes 25-Meter-Freibad mit vier Bahnen enthalten wird, wird zu günstigen Eintrittspreisen nutzbar sein. Wer in die ebenfalls unten liegenden Freizeitbecken, die (zunächst eine) Röhrenrutsche und/oder die oben im nördlichen Geländeteil liegende Saunalandschaft mit Garten möchte, zahlt mehr.

Was die Optik des Ganzjahresbads angeht, wollen die Architekten Farben aufnehmen, die sich in dem für Metzingen und den Bongertwasen typischen Themenfeld Obst finden: warmes Gelb oder Orange im Freizeit- und Familienbereich, Rot in den Umkleiden, Grüntöne um die Schwimm- und Sportbecken, Pflaumenfarben in der Sauna, die großzügige, geschwungene Kabinen bekommen wird. Hier kommt wie üblich viel Holz zum Einsatz, aber auch die Decken der Badehallen und das Gebäude außen soll dieses Naturmaterial verkleiden. Für eine gewisse Sachlichkeit sorgt Sichtbeton.

Das  25 Meter lange Schwimm- und Sportbecken innen soll auch eine Boulderwand bekommen.
Das 25 Meter lange Schwimm- und Sportbecken innen soll auch eine Boulderwand bekommen. Foto: Sonstige
Das 25 Meter lange Schwimm- und Sportbecken innen soll auch eine Boulderwand bekommen.
Foto: Sonstige

Finanzierungsfragen

Von einer jährlichen Belastung des Stadthaushalts in Höhe von 2,74 Millionen Euro durch das Ganzjahresbad geht Stadtwerkechef Alexander Schoch aus, basierend auf einem aktualisierten Gutachten von Fritz Planung aus Bad Urach. Bei einer 1:1-Sanierung der bestehenden Bäder, also ohne die etwa von Schulen oder schwimmsporttreibenden Vereinen gewünschten erweiterten Wasserflächen, läge das Jahresdefizit bei 2,75 Millionen Euro, bei einer Sanierung und Erweiterung von Hallen- und Freibad bei 4,17 Millionen Euro. Beim Kombibad rechnen Stadt und Stadtwerke mit einer Million Euro pro Jahr aus einer neuen Übernachtungssteuer. »Das Ganzjahresbad arbeitet wirtschaftlicher«, ist das Fazit von Schoch und Fritz Planung.

Hochgeschossen sind seit der Coronakrise und dem Ukraine-Krieg die Baukosten, auch die Kreditzinsen von ein auf drei Prozent geklettert, wobei diese auch wieder sinken könnten. Kämmerer Patrick Lehmann gibt trotz des gewaltigen Projekts Kombibad Entwarnung, was die Haushaltslage angeht: »Bis 2031 haben wir sehr hohe Investitionssummen.« Auch durch die Sanierung des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums, den Bau eines neuen Kinderhauses - Bildung und Betreuung sind kommunale Pflichtaufgaben - oder das Knüpfen eines Nahwärmenetzes in Neuhausen. »Trotzdem liegen wir deutlich über der gesetzlichen Mindestliquidität und gehen 2029/30 von einem positiven ordentlichen Haushaltsergebnis aus.«

Solche Gesichtspunkte spielen auch bei der Beurteilung der Großinvestition durch das Regierungspräsidium, mit dem die Stadt laut OB Haberstroh im laufenden Austausch steht, eine Rolle. 48,5 Millionen Euro Kredit müssen die Stadtwerke für das neue Bad aufnehmen. Eine 1:1-Sanierung von Hallen- und Freibad wäre 2028 geschätzt 29 Millionen Euro teuer, eine Sanierung und Erweiterung 52 Millionen Euro.

Die Ratsdebatte

Teils sachlich einordnend, teils emotional, teils ins Persönliche ging die Diskussion. »Wir schaffen mit dem Ganzjahresbad einen großen Mehrwert für die Nutzer und stärken die Attraktivität des Wohn-, Arbeits- und Tourismusstandorts«, findet die Rathauschefin, die das ambitionierte Projekt schon als Stadtwerkechefin von Anfang an begleitet hat. Wegen der Kostenexplosion hat sie sich dennoch schwergetan mit ihrem Ja zur Vergabe des Baus. Doch: »Wir haben Kompromisse gefunden.« Etwa in der hälftigen Verkleinerung des Außenbeckens oder dem Wegfall des Cabriodachs über dem Schwimmerbecken.

»Es deckt die allergrößte Schnittmenge ab und ist wesentlich attraktiver als die jetzigen Bäder«, lobt FVW-Fraktionsvorsitzender Stefan Köhler, und: »Die Finanzierung ist plausibel.« Schon in den 1960er-Jahren habe es Überlegungen gegeben, im Bongertwasen ein Freizeitbad zu bauen. »Alle Modifikationen sind vertretbar, das Finanzierungskonzept ist tragfähig«, findet CDU-Amtskollege Eckart Ruopp. FDP-Sprecher Bernhard Mohr sieht das Bad als »Teil einer attraktiven Freizeitanlage für künftige Generationen.«

Das Siegermodell der Bauunternehmung Brodbeck für das neue Kombibad im Bongertwasen (vorne; links davon der Entwurf des unterleg
Das Siegermodell der Bauunternehmung Brodbeck für das neue Kombibad im Bongertwasen (vorne; links davon der Entwurf des unterlegenenen Zweitbieters . Vor rund 200 Zuschauern in der Stadthalle hat der Metzinger Gemeinderat über die Vergabe des Baus des 68-Millionen-Euro-Projekts beraten und beschlossen. Foto: Markus Pfisterer
Das Siegermodell der Bauunternehmung Brodbeck für das neue Kombibad im Bongertwasen (vorne; links davon der Entwurf des unterlegenenen Zweitbieters . Vor rund 200 Zuschauern in der Stadthalle hat der Metzinger Gemeinderat über die Vergabe des Baus des 68-Millionen-Euro-Projekts beraten und beschlossen.
Foto: Markus Pfisterer

Grünen-Sprecher Bräuchle flutet dagegen eine halbe Stunde lang Bedenken gegen das Ganzjahresbad in den Saal: Es sei zu groß und zu teuer für die Stadt, die Staffelung der Tarife unsozial, das Bad biete nicht genug Wasserfläche für die Schulen. »Wir fordern die Oberbürgermeisterin auf, einen Bürgerentscheid in die Wege zu leiten.« Das hat die Ratsmehrheit allerdings nichtöffentlich schon abgelehnt. Haberstroh kontert die Grünen-Kritikpunkte, sieht manche als »unwahr und unredlich« an. Bräuchle sieht sich dazu veranlasst, die Verwaltungschefin zu rüffeln, sie arbeite die Punkte »in der Manier einer Oberbuchhalterin ab«.

Auch der Ex-SPDler Breuer wettert gegen das Bad: »Meine persönliche finanzielle Obergrenze ist erheblich überschritten.« Während Ulrike Sippli, die immer noch für die Sozialdemokraten im Gemeinderat sitzt, hellere Töne anschlägt und Applaus erntet: »Endlich kann man mit dem Kombibad anfangen. Viele Bürger warten ungeduldig darauf.« Immerhin in einem sind sich alle einig: Gut, dass mit Brodbeck ein lokales Unternehmen das Rennen um den Großauftrag gemacht hat.

Donnerstag, 22.15 Uhr. Die Mammutsitzung in der Stadthalle ist aus. Das kommentierende Gemurmel im Publikum weicht lebhaften Nachgesprächen auf dem Nachhauseweg. (GEA)