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Aktuell Energiewende

In Walddorfhäslach sollen zwei teure Nahwärmenetze entstehen

Vier Stunden lang erhielten Walddorfhäslacher Gemeinderat und Zuhörer von Experten eine geballte Ladung an Informationen über Nahwärme- und Stromnetze. Noch viele offene Fragen.

Die Hochspannungsleitungen bei Walddorfhäslach müssen ausgebaut werden.
Die Hochspannungsleitungen bei Walddorfhäslach müssen ausgebaut werden. Foto: Veit Müller
Die Hochspannungsleitungen bei Walddorfhäslach müssen ausgebaut werden.
Foto: Veit Müller

WALDDORFHÄSLACH. Eine geballte Ladung an Informationen setzte die Verwaltung am Donnerstag dem Gemeinderat und den weit über 30 Zuhörern vor. Vier Stunden lang wurde darüber diskutiert, wie die Energiewende in Walddorfhäslach aussehen könnte. Es ging um Nahwärmenetze und Stromversorgung und die Hindernisse, die beiden Themen noch im Wege stehen. Um genug Platz für Interessierte bieten zu können, war der Gemeinderat extra vom Feuerwehrhaus in die Aula der Gustav-Werner-Schule umgezogen.

Wärmepumpen, E-Autos, Ladesäulen – für die Energiewende wird jede Menge Strom gebraucht, wesentlich mehr als es heute der Fall ist. Experten rechnen mit dem Zweieinhalbfachen an Strommengen in den kommenden zwanzig Jahren. Die Stromnetze in Deutschland sind aber zum großen Teil für solche Mengen noch gar nicht ausgelegt.

Gutachter prüft Auswirkungen neuer Hochspannungsleitungen

Dies gilt zum Beispiel auch für die Hochspannungsnetze, die sogenannten »Stromautobahnen«, die den Strom in alle Himmelsrichtungen transportieren sollen. Diese Freilandleitungen müssen ebenfalls ausgebaut werden. Und dies betrifft nun auch Walddorfhäslach. Im Westen des Gemeindegebiets läuft eine Hochspannungsleitung über die Felder.

Die Transnet BW informierte im März die Gemeinde, dass auch diese Hochspannungsleitung betroffen ist. Deren Spannung soll angehoben werden, damit sie mehr Strom fließen kann. Die Gemeinde beauftragte daraufhin einen Gutachter, der prüfen sollte, welche Auswirkungen die Verstärkung der Hochspannungsleitung auf die Gemeinde haben könnte. Gutachter Thomas Gritsch lieferte am Donnerstag ein Gutachten ab. Sein Fazit: Auf die Menschen im Ort hat das stärkere Hochspannungsnetz offenbar keinen Einfluss, die Wohnbebauung ist weit genug entfernt. Gritsch: »Hinsichtlich des Immissionsschutzes sind keine weiteren Schritte der Gemeinde Walddorfhäslach erforderlich.«

Beim Niederspannungsnetz gibt es mehr Probleme. Vor kurzem war bekannt geworden, dass Hausbesitzer im neuen Wohngebiet »Fürhaupt« ihre Photovoltaik-Anlagen auf dem Dach nicht ans Netz der Fair-Energie anschließen können, weil das bisherige Netz für die zusätzlichen Strommengen nicht ausreicht.

Fair-Netz GmbH baut zur Netzabsicherung neue Trafostationen

Am Donnerstag waren Vertreter der Reutlinger Fair-Netz GmbH im Gemeinderat und stellten ihre Ausbaupläne vor. Auf die Frage von Gemeinderat Martin Beyer (SPD), warum der Ausbau nicht schon früher geschehen sei, man hätte doch vor Jahren damit rechnen müssen, dass mehr Strom gebraucht werde, musste die Fair-Energie zugeben, dass sie von einem solchen Anstieg offensichtlich völlig überrascht worden ist. Dies habe niemand voraussehen können, hieß es.

Der Stromverbrauch wird mit der fortschreitenden Energiewende auch noch weiter drastisch ansteigen. Derzeit versorgen 24 Ortsnetzstationen die Bürger in Walddorfhäslach. Zur sicheren Stromversorgung würden bis 2032 weitere 14 Ortsnetzstationen benötigt, so die Fair-Netz GmbH. Doch wo sollen die hin? Das dies nicht einfach ist, weiß auch der Energieversorger: »Um geeignete Flächen hierfür zu finden, bedarf es der kommunalen Unterstützung.« Auch müssen neue Kabel verlegt werden, was bedeutet, Straßen oder Bürgersteige müssen aufgebaggert werden.

PV-Anlage mit »Null-Einspeisung«

Für das Wohngebiet »Fürhaupt« ist allerdings eine schnelle Lösung in Sicht. Laut Fair-Energie sollen noch dieses Jahr zwei Trafostationen erstellt werden, in der Buchen- und in der Eschenstraße. Bis dahin bietet die Fair-Netz GmbH eine »vorübergehende Lösung«. Die PV-Anlagen werden ans Netz angeschlossen, allerdings »mit einer Null-Einspeisung«. Die Anlage könne aber, so die Fair-Energie »für den eigenen Strom genutzt werden«.

Auch neue Umspannwerke sind für eine stabile Stromversorgung von Nöten. Und hier zeigt sich ein weiteres Problem: die Kosten. So ein Umspannwerk verschlingt rund 30 Millionen Euro. Die Fair-Energie muss also in alle Richtungen kräftig investieren. Das Geld dafür kommt möglicherweise zum Teil aus Fördertöpfen, aber der Verbraucher wird dies sicher genauso zu spüren bekommen.

Die Fair-Netz GmbH Reutlingen

Die 2015 gegründete FairNetz GmbH ist ein hundertprozentiges Tochterunternehmen der FairEnergie GmbH in Reutlingen. Die Fair-Energie GmbH, die FairNetz GmbH, die Kraftwerk Reutlingen-Kirchentellinsfurt AG und die Reutlinger Stadtverkehrsgesellschaft mbH sind Unternehmen, die mit den Reutlinger Stadtwerken verbunden sind. Im Unternehmensverbund sind rund 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Die Stadtwerke Reutlingen GmbH ist mit 75,1 Prozent Mehrheitsgesellschafter der FairEnergie, der Beteiligungspartner »EnBW Kommunale Beteiligungen GmbH« hält 24,9 Prozent. (gea)

Investieren muss auch die Gemeinde, wenn es um die Wärmeversorgung geht. Geplant sind derzeit zwei Nahwärme-Netze. Eines soll Walddorf-West versorgen, mit Biomasse vom Schönbuchhof und möglicherweise einem Satelliten-Blockheizkraftwerk. Das andere Nahwärmenetz ist vom Sport- und Freizeitzentrum aus für Feuerwehr und Bauhof und Teile des angrenzenden Wohngebiets von Häslach vorgesehen.

Fragebogen-Aktion der Gemeinde

Solche Nahwärmenetze haben viele Vorteile: mehr Platz im Haus, weil die Kessel im Keller verschwinden. Mehr Komfort, weil die Wartung entfällt und eine hohe Versorgungssicherheit. Aber der Ausbau solcher Netze kostet halt auch viel Geld. Sie rentieren sich wirtschaftlich nur, wenn mindestens 60 Prozent der Anwohner in den Wohngebieten mitmachen.

Wie groß das Interesse der Anwohner an einem solchen Nahwärmenetz ist, soll jetzt umfassend eruiert werden. Noch vor der Sommerpause sollen die Hausbesitzer einen Fragebogen erhalten, der dann im Herbst ausgewertet wird, kündigte Bürgermeisterin Silke Höflinger an. Auch werde es zu diesen Themen eine weiterer Bürgerinformationsveranstaltung in Walddorfhäslach geben. (GEA)