METZINGEN. Eine wehmütige Stimmung herrschte zeitweise im Metzinger Rathaussaal, denn es hieß Abschied nehmen von insgesamt zwölf Ratsvertreterinnen und Ratsvertretern, die über Jahre, teilweise Jahrzehnte die Geschicke der Stadt mitgeprägt hatten. Dies ist mehr als die Hälfte der Ratsvertreter, das Gremium hat in den kommenden fünf Jahren ein anderes, teilweise auch stark verjüngtes Gesicht.
Zunächst ging es noch einmal um den Fall von Sylvia Friedl von den Freien Wählern (FWV), die zwar gewählt worden war, aber bei der Stadt in der Kernzeitbetreuung der Sieben-Keltern-Schule angestellt ist und deshalb nach der Wahl zwischen Festanstellung und Gemeinderatstätigkeit entscheiden musste. Grünen-Fraktionsvorsitzender Georg Bräuchle (Grüne) wollte von den Freien Wählern wissen, wie so etwas passieren konnte. Kollege Stefan Köhler, FWV-Fraktionsvorsitzender, stellte klar, dass sich Sylvia Friedl für die Kinder und gegen den Gemeinderat entschieden habe. Die FWV sei davon ausgegangen, dass ihre Tätigkeit bei der Stadt kein Hinderungsgrund ist, da beispielsweise Bauhof-Mitarbeiter sehr wohl bei der Stadt arbeiten und Gemeinderat sein dürfen. Nachrückerin für Sylvia Friedl ist Sofie Basageorgis-Diegel.
Viele Projekte umgesetzt
Haberstroh ließ zunächst einmal die letzten fünf Jahre der Amtsperiode Revue passieren. Sie sprach von einer bewegten Zeit, in der die Vielfalt der Aufgaben noch nie so groß war. Corona habe zunächst alle gelähmt, wie die Arbeit im Gemeinderat weitergehen könnte. Aber über alle Altersklassen hinweg mit einem Digitalisierungsschub habe das Gremium sich Resilienz erworben und sei für die nächste Krise besser gerüstet. Die folgte mit dem Ukraine-Krieg. Preise und Zinsen explodierten. Es galt die Kriegsflüchtlinge zu integrieren.
Trotz dieser Probleme, so Haberstroh, seien viele Projekte in der Stadt umgesetzt worden: Das Großprojekt Neubau Feuerwehrgerätehaus/Bauhhof, das Kinderhaus in Neuhausen, das Gewerbegebiet Braike-Wangen wurde erschlossen, die Sanierung und der Neubau am Gymnasium vorangebracht worden. Auch das Ganzjahresbad sei auf dem Weg. Dazu habe das Gremium noch eine neue Oberbürgermeisterin und zwei neue Bürgermeister »verkraften« müssen. »Es ist großartig, was sie geleistet haben«, betonte Haberstroh.
Bei ihrer Laudatio auf die scheidenden Räte begann die Oberbürgermeisterin mit Susanne Bernauer (Grüne), die seit 2014 im Gemeinderat saß: »Sie hatten immer das Ohr an der Bevölkerung, waren gut vernetzt und haben hartnäckig ihre Themen verfolgt«, meinte Haberstroh mit einem Schmunzeln.
Ebenfalls seit zehn Jahren dabei war, Reinhardt Brandt (CDU), der nach den Worten Haberstrohs als ehemaliger Schulleiter des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums, wertvolle Erfahrung und Expertisen mit einbrachte – nicht zuletzt jetzt bei den Planungen für den Neubau des Gymnasiums und die Sanierung des Altbaus. »Ihr Credo war immer, Metzingen muss offen sein für den Wandel«.
Michael Breuer kam 2017 ins Gremium noch als SPD-Rat, verließ zwei Jahre später die Fraktion und amtierte weiter als parteiloser Kandidat. »Ihnen gilt mein Respekt für diesen mutigen Schritt. Ihr Markenzeichen war, sie haben nicht locker gelassen – zuletzt bei der Frage, ob die Hindenburgstraße umbenannt werden soll.«
Elf Jahre amtierte Christiane Hauber von den Freien Wählern im Gremium. »Sie haben sich akribisch in jedes Thema eingearbeitet, haben sich für die Verständigung der Kulturen eingesetzt und haben uns immer positiv kritisch begleitet.«
Nachrücker Peter Hild (Grüne) war seit 2021 Ratsvertreter. »Sie haben sich besonders bei den Planungen fürs Gymnasium eingebracht«, lobte Haberstroh. Die Themen Chancengleichheit und Friedenssicherung waren ihnen ganz wichtig.
»Sie brennen für ihre Themen wie Nachhaltigkeit und Umweltschutz«, meinte die OB zu Thomas Lusch-Przechatzky (Grüne) gewandt, der seit 2022 im Gemeinderat saß.
Nie gescheut, Meinung zu sagen
Zwanzig »Dienstjahre« als Gemeinderat, zuletzt als Fraktionsvorsitzender, hat Bernhard Mohr (FDP) hinter sich. »Ihre Erfahrungen als Schulleiter der Schönbeinrealschule waren für uns von unschätzbarem Wert. Sie waren auf jede Sitzung perfekt vorbereitet, ihre Arbeit war geprägt von Weitsicht. Sie haben sich nie gescheut, ihre Meinung zu sagen, sie waren verlässlich und verschwiegen, wenn es sein musste.«
»Sie waren immer ganz nah am Menschen«, lobte Haberstroh Lilli Reusch (FWV), die seit 2009 im Gremium mitwirkte, zehn Jahre lang zudem Ortsvorsteherin in Neuhausen war und im Kreistag saß.
Sehr emotional war der Abschied von Ulrike Sippli, sie seit September 1985 für die SPD im Gemeinderat vertreten war. »Sie haben drei Oberbürgermeister und eine Oberbürgermeisterin erlebt, ihre Tätigkeit im Einzelnen aufzuzählen, würde hier den Rahmen sprengen. Ihr Ohr war immer bei den Menschen, ob jung oder alt«, so Haberstroh.
In einer Tour de Force durch die Stadtgeschichte erinnerte Sippli an die vielen Projekte, die realisiert wurden: »Es war eine gute, lange Zeit, jetzt ist es vorbei.«
Vor kurzem war Stadtrat Holger Weiblen (FWV) für 25 Jahre im Ehrenamt gewürdigt worden. »Sie haben als Jurist nicht nur die Sichtweise der Unternehmen eingebracht, haben sich große Verdienste beim Raumordnungsverfahren am G-&-V-Areal erworben, sondern auch mit dem Verein «Ermstal hilft» schnell und pragmatisch Hilfe geleistet«, betonte Haberstroh.
»Als großartige junge Frau« bezeichnete Haberstroh die scheidende FDP-Rätin, Isabelle Wohlauf. Mit Akribie, ihrem juristischen Fachwissen und hohem zeitlichen Engagement haben sie sich in alle Themen eingearbeitet. Dem 2023 nachgerückten Martin Spieler (Grüne), der nicht anwesend war, attestierte die Oberbürgermeisterin großes Engagement. Er habe sich besonders für nachhaltige Mobilität eingesetzt. (GEA)