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Gipfeltreffen auf dem Hohenneuffen: Wie sieht die Pflege der Zukunft aus?

Besondere Sorge bereitet der Abgang der Babyboomer aus dem Berufsleben, die nicht nur als Pflegekräfte fehlen werden, sondern i
Besondere Sorge bereitet der Abgang der Babyboomer aus dem Berufsleben, die nicht nur als Pflegekräfte fehlen werden, sondern in einigen Jahren auch selbst gepflegt werden müssen. FOTO: PLEUL/DPA
Besondere Sorge bereitet der Abgang der Babyboomer aus dem Berufsleben, die nicht nur als Pflegekräfte fehlen werden, sondern in einigen Jahren auch selbst gepflegt werden müssen. FOTO: PLEUL/DPA

NEUFFEN/TÜBINGEN. Beim diesjährigen Gipfeltreffen der Friedrich-Ebert-Stiftung auf dem Hohenneuffen stand das Thema Pflege der Zukunft im Mittelpunkt. Prognosen zufolge werden im Jahr 2030 rund 500.000 Pflegekräfte in Deutschland fehlen. Dabei steigt zum einen die Zahl der Pflegebedürftigen immens an. Zum anderen gibt es gleichzeitig immer weniger Pflegekräfte, die diese Personen werden versorgen können. Es muss also dringend eine Lösung für die wachsende Versorgungslücke gefunden werden.

Über 60 Bürger, darunter viele Pflegekräfte, waren auf den Hohenneuffen gekommen, um über die Pflege der Zukunft zu diskutieren. Eingeladen dazu hatte das Fritz-Erler-Forum, das Landesbüro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Baden-Württemberg.

Besonderer Gast war Sabine Dittmar, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium. Professor Dr. Astrid Elsbernd, Leiterin des Instituts für Gesundheits- und Pflegewissenschaften an der Hochschule Esslingen, Pfarrer Frank Wößner, Vorstandsvorsitzender der Samariterstiftung, und Ulrich Ahlert, Vorstand des Vereins »Mitten im Leben – Tübingen« brachten verschiedene Impulse in die Diskussion ein.

Florian Koch, Leiter des Fritz-Erler-Forums, und Nils Schmid, SPD-Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Nürtingen, moderierten die Veranstaltung. Die SPD habe sich dafür eingesetzt, dass die Ziele, die im Bereich Pflege im Koalitionsvertrag festgeschrieben sind, ehrgeizig sind, denn »in Würde altern wollen wir alle«, so die parlamentarische Staatssekretärin.

Als examinierte Kinderpflegerin studierte Dittmar Medizin und war als Hausärztin tätig, bevor sie in den Bundestag einzog. Mit dem im Juni verabschiedeten Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) habe die Ampelkoalition im Bereich Pflege trotz eines engen finanziellen Rahmens bereits Verbesserungen bei den Leistungen erreicht. Besonders pflegende Angehörige, die die Hauptlast der Pflege tragen, werden nun entlastet.

Versorgungsanspruch auf Pflege

So könnten finanzielle Mittel nun flexibler genutzt werden, was besonders Eltern mit pflegebedürftigen Kindern zugutekomme. Zudem steigen das Pflegegeld und die Pflegesachleistungen. Dittmar sicherte aber zu, dass das PUEG nicht das letzte Wort gewesen sein könne. Zusammen mit den verschiedenen Ministerien und Ländern müsse nun überlegt werden, wie Pflege langfristig und nachhaltig finanziert werden könne.

Bei der Eröffnung der Veranstaltung hatte Schmid bereits auf einen bedeutenden Zielkonflikt im Bereich Pflege hingewiesen: Man wolle einerseits Pflegebedürftige und Angehörige finanziell entlasten und andererseits das Pflegepersonal besser bezahlen, um den Beruf attraktiver zu machen. Als SPD-Fraktion setze man sich daher für einen erhöhten Steuerzuschuss für die Pflegeversicherung ein.

Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Sabine Dittmar, zum Thema Pflege beim Gipfeltreffen auf d
Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Sabine Dittmar, zum Thema Pflege beim Gipfeltreffen auf dem Hohenneuffen. FOTO: STIFTUNG
Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Sabine Dittmar, zum Thema Pflege beim Gipfeltreffen auf dem Hohenneuffen. FOTO: STIFTUNG

Um die Finanzierung der Pflege sicherzustellen, forderte Elsbernd indes eine Weiterentwicklung der Pflegeversicherung zu einer Art Bürgerversicherung. Zudem sprach sie sich für einen Versorgungsanspruch auf Pflege aus. Viele typischen Alterskrankheiten wie Parkinson oder Diabetes gingen mit der Einschränkung der eigenen Pflegefähigkeit einer, sodass Pflegebedürftige nicht mehr ohne Hilfe anderer leben könnten.

Sie schlug vor, dass Pflege- und Gesundheitseinrichtungen gemeinnützig und nicht gewinnorientiert ausgerichtet sein sollten. Eine Forderung, die unter den Teilnehmenden für starken Zuspruch sorgte. Elsbernd machte klar, dass es nicht notwendigerweise das Gehalt der Pflegekräfte das große Problem hinter dem Fachkräftemangel sei, sondern vielmehr die katastrophalen Arbeitsbedingungen, unter denen sich die Pflegekräfte verschleißen würden. Substanzielle Verbesserungen, zum Beispiel durch eine 35-Stunden-Woche, seien nötig. Bedarf an Fachkräften hat auch Frank Wößner, der für die Samariterstiftung 60 Pflegeeinrichtungen in der Region verantwortet: »Wir haben alle Hände voll zu tun, den Status quo in der Langzeitpflege einigermaßen zu halten.«

Besondere Sorge bereitet ihm der Abgang der Babyboomer aus dem Berufsleben, die nicht nur als Pflegekräfte fehlen werden, sondern in einigen Jahren auch selbst gepflegt werden müssen. Wößner unterstrich das Potenzial von Quartiersansätzen, die es Betroffenen ermöglichen würden, lange in ihrem bekannten Umfeld zu bleiben und in Würde zu altern. Diese innovativen Versorgungs- und Quartiersansätze fänden sich durch den Einsatz der Bundestagsabgeordneten auch im PUEG wieder, so Dittmar.

Ideen nach Berlin nehmen

Einen anderen Ansatz stellte Ulrich Ahlert vor. Sein Verein initiierte in Tübingen eine betreute Wohngemeinschaft für Pflegebedürftige und erlaubt so eigenverantwortliches Wohnen.

Mit Unterstützung von Pflegediensten, Alltagsbegleitern und Angehörigen sei das Konzept, eingebaut in örtliche Sozialräume, eine attraktive Art des Wohnens. »Pflege ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe«, betonte die parlamentarische Staatssekretärin. Viele Ideen und Ansätze, wie die Pflege in Deutschland umgestaltet werden könnte, kann sie nun mit nach Berlin nehmen. (eg)