BAD URACH. »Seit 1479«, steht an der Rathaus-Apotheke. Seit gut drei Jahren steht das uralte Haus allerdings leer, Apotheker Robert Mache ist Ende 2019 innerhalb der Stadt umgezogen. Jetzt tut sich wieder was, im Erdgeschoss arbeiten Handwerker. »Treffen und Begegnen« steht auf den gelben Zetteln, die sich wie ein Bauchbinde um die Glasfassade ziehen. In der Rathausapotheke schafft die evangelische Kirchengemeinde ein »neues« Gemeindehaus.
Neu ist nur der Ort, das jetzige, noch genutzte Gemeindehaus – das Karl-Hartenstein-Haus in der in der Pfählerstraße – ist nur einen Steinwurf entfernt. Dessen Tage sind gezählt. Die Kirche verkauft das Gebäude aus dem Jahr 1961 zum 30. Juni dieses Jahres an die Stadt. Die macht sich schon länger Gedanken über die Entwicklung des 3 000 Quadratmeter großen Areals rund um den Ulrichsturm. Auf den von der Stadt im Dezember 2017 ausgelobten Investorenwettbewerb hat sich allerdings bis jetzt niemand gemeldet, er wurde zurückgezogen und damit erst mal beerdigt.
Treffpunkt in zentraler Lage
»Wir freuen uns über die Chancen, die uns die zentrale Lage für Begegnungen bietet«, sagt Katja Pfitzer, die Pfarrerin der Kirchengemeinde Bad Urach und Seeburg. Schon seit vielen Jahren macht sich die evangelische Kirchengemeinde Gedanken über das Karl-Hartenstein-Haus. Konkret: über einen Ersatz. Das Gebäude ist so marode, dass es ohne eine grundlegende Sanierung keine Zukunft hat. Den Kirchen-Verantwortlichen ist schon lange klar, dass eine Sanierung des 1961 erbauten Gemeindehauses schlicht zu teuer wäre.
Es sind nicht nur die fehlende Isolierung, das undichte Dach und die riesigen Fenster, die teilweise festgeschraubt sind, weil sie sonst rausfallen würden – das Haus ist vor allem nicht mal ansatzweise barrierefrei. Ältere Gemeindemitglieder haben ihre liebe Not, sich am Treppengeländer in den ersten Stock hochzuschleppen. Auch der zweite Fluchtweg über das Treppenhaus der ehemaligen Hausmeister-Wohnung wäre äußerst beschwerlich gewesen.
»Ein Knackpunkt ist, dass mit dem Hartenstein-Haus ein großer Saal für die Kirchengemeinde wegfällt«, sagt Dekan Michael Karwounopoulos. Den gibt’s aber im Bonhoeffer-Gemeindehaus. Das liegt zwar am anderen Ende der Stadt, ist aber frisch saniert, vor allem ist der Saal größer, schöner und moderner. Ein anderer Knackpunkt hat keine baulichen Ursachen, sondern emotionale: Viele Gemeindemitglieder verbinden mit dem Hartenstein-Haus langjährige, gute, schöne Erinnerungen. »Das haben wir während der gesamten Zeit, in der wir mit der Stadt verhandelt haben, immer wieder zu spüren bekommen«, sagt Pfarrerin Katja Pfitzer, »es ist normal, dass einem der Abschied von so einem Gebäude nicht leicht fällt.«
Das Evangelische Jugendwerk (EJW) Bad Urach-Münsingen hatte seine Geschäftsstelle im Erdgeschoss des Hartenstein-Hauses. Nach dem Auszug waren die Mitarbeitenden in Urach und Münsingen verteilt, inzwischen haben sie eine feste Bleibe im Bonhoeffer-Haus. Kurzum: Das Hartenstein-Haus ist so gut wie leer. »Wir haben schon begonnen, peu à peu umzuziehen«, sagt Pfarrerin Katja Pfitzer.
»Nutzungsänderung von Apotheke mit Labor und Verkaufsraum in einen kirchlichen Begegnungsraum und Besprechungszimmer«, steht unter dem Roten Punkt im Schaufenster der Rathaus-Apotheke. »Wir haben künftig rund 190 Quadratmeter zur Verfügung«, sagt Katja Pfitzer. Ein »Riesen-Bonus«, wie die Pfarrerin sagt, sind die ebenerdigen Toiletten – das neue Gemeindehaus ist endlich barrierefrei. Ebenfalls herausragend die »Super-Lage« im Herzen der Stadt mit einer Bushaltestelle um die Ecke.
Der Name soll bleiben
Der rund 70 Quadratmeter große Haupt-Raum kann mit 60 bis 65 Stühlen möbliert werden, im Raum ist außerdem Platz für eine bewegliche Garderobe und eine kleine Lounge-Ecke. Um die Ecke ein 26 Quadratmeter großer Besprechungsraum, der auch als Gruppenraum genutzt werden kann. Dazu entstehen noch eine Teeküche und einen Vorratsraum. Und wie soll das schöne Kind dann mal heißen? »Der Name soll bleiben«, sagt Katja Pfitzer, »ein Haus seit 1479 im Dienst für den Menschen – das ist doch schön und passt sehr gut zu einem Gemeindehaus.«
Die Rathausapotheke, die die Kirchengemeinde erst mal für zehn Jahre angemietet hat, könnte ein ganz besonderes Gemeindehaus werden – ein Haus nicht nur mit festen Zeiten für kirchliche Gruppen: Es gibt Überlegungen, hier ein Seelsorge-Angebot mit Ansprechpartnern zu festen Zeiten einzurichten, berichtet Pfarrerin Katja Pfitzer, oder ein überkonfessionelles Gebetshaus.
ABSCHLUSSGOTTESDIENST
Der Abschlussgottesdienst für das Karl-Hartenstein-Haus ist am Sonntag, 18. Juni, um 10 Uhr, voraussichtlich im Gemeindehaus selbst. (GEA)
Die Stadt Bad Urach macht sich schon viele Jahre Gedanken um die Entwicklung des rund 3 000 Quadratmeter großen Areals um den Ulrichsturm in der Nördlichen Innenstadt. Im Mai 2017 hatte der Gemeinderat beschlossen, einen städtebaulichen Wettbewerb auszuloben. Ende des Jahres wurde er europaweit ausgeschrieben. Für Juni 2018 war das Preisgericht geplant – allein: Es meldete sich niemand. Ein Investor, den die Stadtverwaltung angesprochen hatte, hatte einen städtebaulichen Vorschlag geliefert, der dann aber im Gemeinderat keine Zustimmung keine Zustimmung fand, wie Bürgermeister Elmar Rebmann sagt.
»Wir schieben das aber nicht auf die lange Bank«, betont der Uracher Verwaltungs-Chef. Schon gar nicht jetzt, wo die Stadt in Besitz des Hartenstein-Hauses ist. Dem Stillstand in der Nördlichen Innenstadt wollen Verwaltung und Gemeinderat nicht mehr lange untätig zuschauen. Klar ist, dass das Hartenstein-Haus über kurz oder lang abgerissen wird. Nur eine Frage der Zeit.
»Gute Dinge brauchen eben ihre Zeit«, steht seit kurzer Zeit auf braunen Zetteln in den Schaufenstern des Rathausapotheken-Gemeindehauses. Dazu stilisierte Werkzeuge – eine Zange, ein Schraubenzieher, ein Schraubenschlüssel, ein Teppichmesser. Eine weitere Baustelle, die etwas länger braucht als geplant. Die Kirchenleute können entspannt sein, die Unterschriften unter dem Kauf- und dem Mietvertrag stehen. Bis zum Sommer fließt noch einiges Wasser die Erms runter, und es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn das Gemeindehaus Mitte des Jahres nicht fertig ist. (GEA)