PLIEZHAUSEN. So viele Besucher kommen selten in eine Ratssitzung, wie jetzt am Dienstag. Die etwa 45 Mütter und Väter wollten wissen, ob die Gemeinderäte die Elternbeiträge für die Kinderbetreuung um 8,5 Prozent erhöhen oder nicht. Letztlich stimmten bei einer Enthaltung alle anderen Räte dafür. Zuvor hatte die Gemeinderätin und Gniebeler Ortsvorsteherin Kathrin Henne (FWV) noch beantragt, die Erhöhung aufzuteilen - auf den Januar und den Sommer 2024. Das war eine Idee des Gniebeler Ortschaftsrats. »Wir werden um eine Erhöhung nicht drum herum kommen«, sagte Henne. Aber: »Wir wollen es in kleinen Schritten machen, damit die Eltern länger Planungssicherheit haben.« Doch Hennes Antrag bekam keine Mehrheit. Vier Räte stimmten dafür.
Der Pliezhäuser Kämmerer Markus Hillenbrand verwies darauf, dass er die Pliezhäuser Kita-Denkwerkstatt im Mai auf die Empfehlung der kommunalen Spitzenverbände und der Kirchen hingewiesen habe. Die würden eine Erhöhung der Elternbeiträge um 8,5 Prozent empfehlen. Das Protokoll der Denkwerkstatt hätten die Eltern frühzeitig bekommen. »Mehr Vorausschau geht nicht«, sagte Hillenbrand. Außerdem hätten andere Gemeinden ihre Elternbeiträge bereits zum September erhöht. »Wir machen das erst zum Januar um 8,5 Prozent. Sie zahlen noch vier Monate den alten Elternbeitrag. Wenn wir das einbeziehen, erhöht sich der Beitrag für Sie in diesem Kindergartenjahr nur um 5,5 Prozent«, argumentierte Hillenbrand. Er verwies aber auch darauf, dass die kommunalen Spitzenverbände 2024 eine weitere Empfehlung abgeben würden. Womöglich stiegen die Gebühren dann erneut.
Brief vom Gesamtelternbeirat
Vor der Sitzung hatte sich der Gesamtelternbeirat an die Räte gewandt. Der Brief liegt der Redaktion vor. Darin heißt es: »Wir möchten betonen, dass die geplante Erhöhung für uns nicht im Verhältnis zum aktuellen Betreuungsangebot der Gemeinde steht, da dieses in den vergangenen Monaten ohnehin erheblich eingeschränkt wurde bei gleichbleibenden Beiträgen, was bereits einer indirekten Erhöhung entspricht.« Die Eltern stellen klar, dass sie für Qualität bezahlen wollen und diese ihren Preis haben müsse. »Allerdings hat Qualität auch etwas mit Zuverlässigkeit, Planungssicherheit und dem Umfang der angebotenen Betreuungszeiten zu tun. Diese Qualitätsstandards haben leider in den vergangenen Jahren rapide abgenommen und stehen für uns Eltern in keinem Verhältnis zur geplanten Erhöhung um 8,5 Prozent.« Der Gesamtelternbeirat kritisiert auch, dass es wegen Personalmangels nicht genug Plätze gebe. Die »teilweise sehr kurzfristigen Zu- oder Absagen für betroffene Familien« seien »eine unglaubliche Belastung«.
Andrea Kettnaker, die Stellvertretende Kämmerin, warb für das Bewertungssystem der Gemeinde. »Wir machen das, um die individuelle Betroffenheit nach objektiven Kriterien zu bewerten. Existenzielle Probleme sind nicht absolut, sondern relativ.« Die Gemeinde habe wegen des Fachkräftemangels die Betreuungszeiten auf 7 bis 14 Uhr reduzieren müssen. Es sei schwierig, mehr Erzieherinnen und Erzieher anzustellen. »Es ist aber keineswegs so, dass es bei uns nur Personalverluste gibt. Wir gewinnen auch Personal hinzu«, bezog sich Kettnaker auf Kritik der Eltern. Andere Gemeinden hätten das gleiche Problem. »Wir fischen alle im gleichen Fachkräfteteich«, sagte Kettnaker. Die Betreuungszeit sei in Pliezhausen früher sehr gut gewesen. »Wenn wir von einem vollausgebauten Angebot ausgehen, ist der Schmerz größer, wenn es rückwärts geht.« Die Gemeinde setze voll auf Ausbildung.
Dold: Kennen Nöte der Eltern
Bürgermeister Christof Dold stellte sich vor seine Mitarbeiter: »Unser gesamtes Team ist mit viel Herzblut dabei. Wenn Eltern denen Unprofessionalität und mangelnde Empathie vorwerfen, macht das etwas mit den Menschen.« Sie würden die Nöte und Sorgen der Eltern kennen und versuchten, die Probleme zu lösen.
Der Kämmerer Markus Hillenbrand stellte klar, dass auch mit der Preiserhöhung um 8,5 Prozent die Eltern nur 15 Prozent der Betreuungskosten zahlen müssten. Den Rest zahlten die Steuerzahler und das Land. Die kommunalen Spitzenverbände empfiehlen, dass die Eltern 20 Prozent zahlen sollten.
Ringen um jede Ausgabe
Marion Hennig (FWV) schilderte, dass sie sich die Entscheidung nicht leicht gemacht habe. Sie verstehe die Nöte der Eltern , aber auch die Finanznot der Gemeinde. »Ein Plus von 8,5 Prozent ist eine Hausnummer«, sagte sie. Und natürlich gebe es die Personalprobleme, die bei Eltern für Stress sorgten. Sie bat aber, beides nicht zu verknüpfen. Das Gros der Gebühren, nämlich 4,5 Millionen Euro zahlten die Pliezhäuser Steuerzahler. Sie lud die Eltern in die Haushaltssitzung ein. »Da ringen wir um jede Ausgabe.«
Brigitte Rapp (CDU) schloss sich Hennig an und berichtete von der Kritik des Ortschaftsrats Rübgarten an der Bundespolitik, die den Anspruch auf Betreuung verankert habe, aber die Gemeinden im Regen stehen lasse. Sie hielt die Erhöhung um 8,5 Prozent für zumutbar. »Viele Arbeitnehmer haben Gehaltserhöhungen bekommen.« Das sah eine Mutter offenbar anders und verließ aus Protest den Saal. Würde die Gemeinde nicht so erhöhen, könne sie vielleicht keinen ordnungsgemäßen Haushalt mehr aufstellen, sagte Rapp.
Gemeinde muss Kosten decken
Matthias Katolla (UWV) sagte, er habe zwar vollstes Verständnis für die Eltern. Er selbst hat ein Kind im Kindergarten. »Mir fehlt allerdings, dass Sie den anderen Blickwinkel einnehmen.« Dazu gehöre, dass sie keine kranken Kinder in die Kita schicken und ihren Frust nicht bei den Erziehern abluden. »Wenn wir die Kosten nicht decken, müssen wir freiwillige Leistungen zurückfahren und dann kann es sein, dass Sportvereine die Beiträge erhöhen müssen und ausbluten.«
Susanne Stetter (SPD) sagte den Eltern, dass Kettnaker und Hillenbrand sich die größte Mühe gäben. Sie selbst habe auch schon das Problem gehabt, dass sie ihre Tochter nicht lang genug habe betreut bekommen. »Wir haben es so gemacht, dass wir die Kinder abwechselnd betreut haben. Seien Sie hilfsbereit.« (GEA)