Ein Wettlauf gegen die Zeit

ST. JOHANN. »Am Anfang hat alles doch sehr leer ausgesehen«, sagt Dr. Guntram Gassmann. Der Archäologe vom Institut für Vor- und Frühgeschichte der Uni Tübingen gräbt seit Anfang September wieder auf dem großen Fohlenhofer Feld beim Gestütshof St. Johann nach den Spuren keltischer Eisenverhüttung. Am Mittwoch ist das fünfköpfige Ausgrabungsteam dann auf eine Verfärbung im Boden gestoßen, die Gassmann ein zufriedenes Lächeln ins Gesicht gezaubert hat. Die Archäologen haben gegraben und sind auf ein mächtiges Pfostenloch gestoßen. »Der Pfosten war mindestens 1,20 Meter tief im Boden«, sagt Gassmann. So richtig begeistert waren die Archäologen aber erst, als sie drei weitere Pfostenlöcher gefunden haben. Sie bilden ein vier auf vier Meter großes Quadrat und lassen auf ein stattliches Gebäude schließen, das hier gestanden haben muss. »Das haben wir gesucht«, sagt Dr. Frieder Klein von der Archäologischen Denkmalpflege im Landesdenkmalamt in Tübingen. In einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Pilotprojekt untersuchen Archäologen und Denkmalschützer gemeinsam die Eisenverhüttung in St. Johann. Die ist in doppelter Hinsicht spektakulär: Zum einen hat man aus dieser Zeit - rund 500 Jahre vor unserer Zeitrechnung - an keinem andern Platz (nördlich der Alpen) Spuren davon gefunden. Zum anderen - und das ist der Clou von St. Johann - wurde an dieser Stelle nicht nur geschafft, also Bohnerz verhüttet, sondern auch gelebt: Am nahe gelegenen Eulenbrunnen haben die Forscher zahlreiche Spuren von Bauten gefunden. Und jetzt auch noch diese Pfostenlöcher. »Sie zeigen uns, dass die Siedlung nicht nur in unmittelbarer Nähe der Arbeitsstätte lag, sondern dass mitten zwischen den Öfen ein exponiertes Gebäude stand«, sagt Klein, »das ist einmalig - man hat lange gedacht, dass die Arbeitsbereiche eine Art Tabubereich waren.« Weil das Haus ebenso wie die Öfen an einer Nordwest-Südost-Achse ausgerichtet sind, zweifeln die Forscher nicht daran, dass es sich um ein zusammengehöriges Ensemble handeln muss.