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Eberhard Zacher über Buttenhausener Juden: Gutes Miteinander mit Christen

Eberhard Zacher berichtete von seinem langjährigen Engagement.  FOTO: JOCHEN
Eberhard Zacher berichtete von seinem langjährigen Engagement. FOTO: JOCHEN
Eberhard Zacher berichtete von seinem langjährigen Engagement. FOTO: JOCHEN

GOMARINGEN. Der Ort zum »Abend der Demokratie« hätte nicht besser gewählt sein können: Im funkelnagelneuen Gomaringer Jugendhaus referierte der 85-jährige Forscher jüdischer Kultur, Eberhard Zacher, über die Buttenhausener Juden, die 1787 aufgrund des Judenschutzbriefes des Reichsfreiherren Phi-lipp Friedrich von Liebenstein dort angesiedelt wurden. Rund 20 Interessierte begrüßte Bürgermeister Steffen Heß im Jugendhaus. Das Blechbläserensemble der Jugendmusikschule Steinlach unter der Leitung von Jörg Günter hatte sogar die israelische Nationalhymne haTikwa (die Hoffnung) einstudiert. Wolfgang Veit merkte in der anschließenden Diskussion an, dass gegen Juden- und Islamfeindlichkeit nur im persönlichen Gespräch begegnet werden könne.

Aufarbeitung noch problematisch

Der Geschichtsvergessenheit, vor allem bei der jungen Generation, die laut Statistik angeblich reihenweise AfD wähle, müsse man an Orten wie Jugendhäusern begegnen. Jedoch: Lediglich ein junges Mädchen saß im Publikum.

Referent Zacher bestätigte die bis heute andauernde problematische Aufarbeitung der jüdischen Erinnerungskultur. Die Ehefrau des Heimatforschers Walter Ott, der mit seinen Söhnen den jüdischen Friedhof in Buttenhausen instand setzte und seit 1956 die Geschichte der jüdischen Mitbürger recherchierte, lief ungern durch ihren Heimatort Buttenhausen, denn die Anfeindungen der Nachbarn waren groß. »Die Buttenhausener haben das Thema bis heute nicht richtig verdaut«, meinte Zacher, »viele Juden besuchen Buttenhausen heute nur wegen des Friedhofs und lassen den Ort links liegen«.

Dabei hat es (nach anfänglicher Angst vor den Juden im eigens für sie ausgewiesenen Siedlungsviertel) seit 1787 ein sehr gutes Miteinander von Christen und Juden in Buttenhausen gegeben – bis zum Zeitpunkt der Machtübernahme Hitlers im Jahr 1933. Die jüdischen Händler sorgten für ein prosperierendes Buttenhausen und es traf genau das ein, was Reichsfreiherr von Liebenstein prophezeit hatte: »Es wird Wohlstand eintreten, wenn wir hier Juden ansiedeln«. Das Miteinander funktionierte immer besser, sogar das Schulgebäude teilte man sich, wie Zacher auf alten Fotos zeigte: Zwei Eingänge hatte das Gebäude, links für die jüdischen Schüler, rechts für die christlichen. Die beiden Lehrer halfen einander aus, wenn einer krank oder verhindert war, nur der Religionsunterricht war unterschiedlich, ansonsten herrschte derselbe Lehrplan.

Zacher erzählte viele Anekdoten über einzelne jüdische Persönlichkeiten, über den jüdischen Lehrer und multiplen Funktionsträger in der jüdischen Gemeinde, Naphtali Berlinger, konnte er viel berichten. Er war einer der letzten Buttenhausener Juden, die im August 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert wurden. Außerdem war er der letzte Rabbiner Buttenhausens. Als Veteran des Ersten Weltkrieges glaubte er einfach nicht daran, dass ihm etwas angetan werden könnte. Seine acht Kinder brachte er nach 1933 jedoch alle in Sicherheit, seine Frau Berta starb 1934 an den Folgen eines Schlaganfalls im Alter von 58 Jahren.

Als Berlinger 1908 als Lehrer der jüdischen Schule nach Buttenhausen kam, war er zudem auch noch Vorbeter, Schochet und Mohel der jüdischen Gemeinde. Er erwarb auch als Fachlehrer an der evangelischen Volksschule und der Bernheimerschen Realschule große Verdienste. Seine umfassende, naturwissenschaftlich geprägte Bildung und seine orthodoxe religiöse Haltung verschafften ihm großen Respekt auch bei den Christen im Ort.

Gegenseitige Unterstützung

Der reiche Pferdehändler Salomon Löwenthal half mit seinen Pferden aus, wenn das Pferd eines Mitbürgers krank wurde und ersetzt werden musste. »Er überließ jedem Buttenhausener sogar das geliehene Pferd, wenn dessen eigenes Pferd nicht mehr gesund wurde und starb«, so Zacher. Auch Löwenthal nahm die Herrschaft der Nazis auf die leichte Schulter, »was kann mir in einem Land der Dichter und Denker denn schon passieren!«, soll er gesagt haben. Er starb in Theresienstadt, nachdem er mit Berlinger 1942 deportiert wurde. (GEA)