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Aktuell Zukunft

Bald folgt in Beuren ein zweites Sonnenhaus

Das zu 100 Prozent mit Sonnenenergie beheizte Mehrfamilienhaus in Beuren bekommt Zuwachs: Sein riesiger Wasserwärmespeicher wird ein Einfamilienhaus versorgen, das im Rückraum gebaut wird.

Auf dem Dach und an den Wänden trägt das Haus Solarmodule. Über die wird nicht nur Wärme, sondern auch Strom erzeugt, der den Be
Auf dem Dach und an den Wänden trägt das Haus Solarmodule. Über die wird nicht nur Wärme, sondern auch Strom erzeugt, der den Bedarf der Bewohner deckt. FOTO: SCHWICKERT
Auf dem Dach und an den Wänden trägt das Haus Solarmodule. Über die wird nicht nur Wärme, sondern auch Strom erzeugt, der den Bedarf der Bewohner deckt. FOTO: SCHWICKERT

BEUREN. Schon vor mehr als zehn Jahren nahm Rainer Schwickert seine energetische Zukunft selbst in die Hand, setzte ein Ausrufezeichen, das voll zu den Zeichen der heutigen Zeit passt: Der Elektromeister aus Beuren baute ein Mehrfamilienhaus, das energetisch komplett autark ist. Beheizt wird es im Sommer wie im Winter von der Kraft der Sonne. Möglich macht’s ein riesiger Wasserspeicher mit 104.000 Litern, der senkrecht in das Haus versenkt wurde und bis vier Meter unter die Bodenplatte reicht. Von 40 Zentimeter dicken wärmedämmenden Hanfschichten ist er umgeben und ebenso das Dach. Auch 30 der 50 Zentimeter dicken Wände bestehen aus Hanf, 17 Zentimeter aus Stein. Das schmucke Haus in der Rosenstraße hat Fassaden aus sibirischer Lärche. Auf dem Dach und inzwischen auch an den Seitenwänden sind Solarzellen angebracht. Über sie und einen Wärmetauscher wird das Wasser im Speicher erhitzt – im Sommer locker auf 100 Grad –, und danach je nach Bedarf in die Fußboden- und Wandheizungen übertragen.

Der 104 000 Liter große Wasserspeicher wurde zwischen dem zweiten Stock und dem Tiefkeller senkrecht versenkt. Das Solarhaus ist
Der 104.000 Liter große Wasserspeicher wurde zwischen dem zweiten Stock und dem Tiefkeller senkrecht versenkt. Das Solarhaus ist quasi um ihn herum gebaut. ARCHIVFOTO: KELLER
Der 104.000 Liter große Wasserspeicher wurde zwischen dem zweiten Stock und dem Tiefkeller senkrecht versenkt. Das Solarhaus ist quasi um ihn herum gebaut. ARCHIVFOTO: KELLER

Zudem werden etwa 13.000 Kilowattstunden Sonnenstrom pro Jahr produziert, der den Bedarf der Bewohner (etwa 10.000 bis 11.000 Kilowattstunden) deckt. Der Rest kommt ins öffentliche Netz. Energie gespart wird über Oberlichter. Eine Lüftungsanlage gibt es nicht, stattdessen wollen die dreifach verglasten Fenster regelmäßig zum Stoßlüften geöffnet werden.

»Die Mieter haben für Energie nichts bezahlen müssen«

2007 bis 2011 hat Schwickert sein Vorzeigehaus gebaut, im Juli 2011 eingeweiht. Zwei Mietvertragsparteien lebten drin. Knapp zehn Jahre später hat er die drei Wohnungen im Haus Anfang 2021 verkauft. »Für mich war es ein gutes Objekt.« Für seine Nachfolger ist es das auch: »Ich hab nicht überteuert verkauft.« Jetzt leben zwei Wohnungseigentümer und ein Mieter im Haus. Schwickert ist zufrieden. »Die Erfahrungen sind sehr gut«, sagt der 53-Jährige. Für sich und die Mieter. Ein einziges Mal musste er eine Solarpumpe austauschen, das hat keine 400 Euro gekostet. »Die Mieter haben für Energie nichts bezahlen müssen.« Sämtliche Preissprünge konnten sie kalt lassen, so wie die heutigen Hausbewohner.

Doch damit nicht genug. Schwickert, der Vorreiter von 2011, hat sein Feld weiter bestellt. »Im rückwärtigen Teil des Grundstücks ist ein Einfamilienhaus mit der gleichen Energieversorgung geplant«, informiert er. Beheizt von dem riesigen Speicher im Lärchenhaus. Eine junge Familie aus Stuttgart wird bauen. Schwickert ist es wichtig, dass sich die Bewohner mit den ebenso ungewöhnlichen wie innovativen Projekten identifizieren. »Alle Eigentümer sind eine Energiegemeinschaft.« Die mit dem Kauf Heizung und Strom gleich auf Lebenszeit dazugekauft haben. Schon 2004 hatte der Beurener Elektromeister, der auch Gebäude-Energieberater ist, »ein großes und ein kleines Haus konzipiert, die energiemäßig miteinander kommunizieren.« Noch heute ist Schwickert kein anderes Haus in Europa bekannt, das quer durchs Jahr komplett von Solarthermie beheizt wird.

Knapp eine Million Euro hat er für das Mehrfamilienhaus mit seinen 335 Quadratmetern Wohnfläche investieren müssen, dank Eigenleistungen etwa 80.000 Euro gespart. Für die Solarthermie-Anlage gab’s 15.000 Euro Zuschuss vom Bund, zudem wurde die Hanf-Dämmung gefördert. Rainer Schwickert hat mit dem markanten Haus nachhaltig investiert. »Geld ist nicht alles«, sagt er. Und betont die Verantwortung für die nachfolgenden Generationen, die er in seinem christlich geprägten Elternhaus eingeschärft bekommen hat: »Wir dürfen die Welt nicht schlechter verlassen, als wir sie angetroffen haben.« Er ist weiter »dabei, Objekte zu erwerben, damit Menschen unabhängiger leben können«.

»Wir dürfen die Welt nicht schlechter verlassen, als wir sie angetroffen haben«

Schon vor 25 Jahren, 1997, hatte Schwickert auf der Laichinger Alb mit Geothermie-Bohrungen angefangen und setzte auf Wärmepumpen. Acht Grad kaltes Wasser heizte er so auf 65 Grad auf. »Für mich war es schon damals nicht nachvollziehbar, dass man Gebäude mit fossilen Energieträgern beheizt.« Gepusht durch Klimakrise und drastische Energieverteuerungen zieht die Geothermie aus nicht zu tiefen Bodenschichten inzwischen Kreise. Auch in das Lärchenhaus in der Rosenstraße möchte der Elektromeister eine Geothermiepumpe in den riesigen Wasserwärmespeicher einbauen. Denn in dessen unterem Bereich hat das Wasser nur 20 Grad. Zum Heizen sind mindestens 28 Grad nötig.

Im beschaulichen Beuren zieht das Solarhaus Kreise. »Links und rechts gibt es zwei Grundstücke, die könnten mit ins Konzept, wenn es Interesse gibt«, blickt der Sonnenhaus-Erfinder voraus. Würde er nochmal so ein energieautarkes Haus bauen, würde er die Solarthermie-Flächen etwas steiler stellen – auf 60 statt 45 Grad –, um den Wasserspeicher kleiner halten, mehr Wohnfläche gewinnen und den kostspieligen Tiefkeller einsparen zu können. Noch Zukunftsmusik, aber Rainer Schwickert hat schon mehrere Energieträume wahr werden lassen. (GEA)