METZINGEN. Fahrgäste können aktuell keine Zugtickets über die Smartphone-App DB-Navigator für die Fahrt von Metzingen nach Bempflingen und nach Tübingen kaufen. Das kritisieren Beate Müller-Gemmeke, Matthias Gastel und Christian Kühn erneut. Die drei Bundestagsabgeordneten der Grünen aus der Region hatten deshalb Anfang März Naldo-Geschäftsführer Christoph Heneka geschrieben (wir berichteten). Der Grund ist, dass alle drei Orte im Gebiet des Verkehrsverbunds Naldo liegen. Tickets sind dort nur an Automaten und über die eigene App des Verkehrsverbunds zu kaufen.
Nicht kundenfreundlich genug
Matthias Gastel, Beate Müller-Gemmeke und Christian Kühn halten das nicht für kundenfreundlich, wie sie Heneka schrieben: »Die Möglichkeit, ÖPNV-Tickets niedrigschwellig, schnell und unkompliziert buchen zu können, ist eine wesentliche Säule der Mobilitätswende. Nur wenn die Ticketbuchung auch ohne Vorkenntnisse über das Tarifsystem möglich ist, wird es gelingen, neue Kundinnen und Kunden zu gewinnen und zum Umstieg auf Bus und Bahn zu bewegen.«
Nach der Antwort Henekas, weiterhin auf eigene Vertriebswege zu setzen und keine Fahrkarten über die DB-App zu verkaufen, hat Matthias Gastel Gespräche mit Vertretern der Deutschen Bahn und anderen Verkehrsverbünden über eine Integration des Ticketvertriebs in die App der Deutschen Bahn geführt. Schließlich sind Fahrkarten von 45 der etwa 60 Tarifverbünden über die DB-App Navigator im Angebot. »Von den Tarifverbünden ist zu hören, dass sie dies als vorteilhaft für sich sehen, da sich dadurch Verkaufszahlen erhöhen lassen«, berichtet Gastel aus dem Wahlkreis Nürtingen, der dem Bundestags-Verkehrsausschuss angehört.
Das Ergebnis seiner Gespräche sei, dass die Deutsche Bahn Interesse habe, weitere Tarifverbünde in ihr Angebot aufzunehmen. Beate Müller-Gemmeke aus dem Wahlkreis Reutlingen und Christian Kühn aus dem Wahlkreis Tübingen begrüßen, dass die Deutsche Bahn Gespräche mit dem Verkehrsverbund Naldo vertiefen möchte. »Wenn die Naldo-Fahrscheine auch über den größten Mobilitätsdienstleister der Republik angeboten werden, erschließen wir uns ein zusätzliches Fahrgastpotenzial für unsere Busse und Bahnen«, folgert Müller-Gemmeke. Ihr Fraktionskollege Kühn ergänzt: »Daher sollten die Naldo-Verantwortlichen die Chancen durch einen zusätzlichen Vertriebskanal in ihren Abwägungen neu gewichten.«
Christoph Heneka nahm im März auf GEA-Anfrage Stellung zur Initiative der Politiker: »Es stimmt, dass der Vertrieb auf die Naldo-Vertriebswege (Naldo-App und Fahrscheinautomat) ausgerichtet ist. Gerade über unsere App suchen wir bewusst einen engen Kontakt zu unseren Kundinnen und Kunden.« Das habe dem Verkehrsverbund dabei geholfen, kurzfristige Informationen wie Störungen und Neuigkeiten mitzuteilen. Darum habe der Naldo die App vor Kurzem völlig überarbeitet und die Fahrplanauskunft und den Ticketverkauf in der neuen App gebündelt. Offenbar erfolgreich: »Die deutlich steigende Zahl der Nutzenden aus dem Gelegenheitsverkehr bestätigt die Verbesserung.«
Auch ein anderes Argument spreche gegen den Ticketverkauf über den DB-Navigator, nämlich aus Sicht von Heneka hohe Provisionen der Deutschen Bahn von fünf bis sieben Prozent der Fahrscheinkosten. »Das ist eine Größenordnung, die wir gerade angesichts der rasant ansteigenden Kosten für Energie, Inflation und Personal ungern unseren Leistungserbringern entziehen möchten«, sagte Heneka Anfang März.
Die drei Bundestagsabgeordneten teilen nun aber mit, dass andere Verbünde durch den Verkauf über die Bahn-App ihre Verkaufszahlen steigern konnten. Wie hoch die Vertriebskosten sind, hänge von der Größe des Tarifverbands und der Anzahl der verkauften Fahrscheine ab.
Gastel betont einen Vorteil des DB-Navigators: »Insbesondere für gelegentliche Nutzerinnen und Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs ist es eben deutlich einfacher, mit einer App nahezu überall unterwegs sein zu können, statt sich für einzelne Fahrten erst die App des jeweiligen Tarifverbunds suchen und installieren zu müssen.«
Neuer Kundenkreis über App
Anders als der Naldo bietet der Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS) seine Fahrkarten schon länger über die DB-App an. »Der Navigator erschließt dem VVS einen weiteren Kundenkreis, meist Fahrgäste von außerhalb, die bereits den Navigator nutzen«, sagte die VVS-Pressesprecherin Ulrike Weißinger im März dem GEA. Diesen Vertriebsweg bietet der VVS seit 2017 an. Die Nachfrage sei durchaus vorhanden. »Der VVS verkauft monatlich rund 200.000 Tickets über den Navigator. Das ist etwa ein Viertel der Handy-Ticket-Verkäufe des VVS«, ordnete Weißinger die Zahl ein. (GEA)