PLIEZHAUSEN. An einem warmen Sommerabend steht Someiyeh Nessari am Gartenzaun und unterhält sich mit einer Nachbarin auf Deutsch. Das ist nicht ihre Muttersprache, sondern Persisch. Schließlich kommt sie aus Iran und ist als Flüchtling nach Deutschland gekommen. An diesem Abend wollen sie, ihr Partner Teimour Amjadi und ihr gemeinsamer Freund Fatah Gholizadeh, der aus Afghanistan stammt, über ihr neues Leben in Pliezhausen sprechen. Sie fühlen sich nach der Flucht angekommen in dieser Gemeinde. Mit dabei ist auch die pensionierte Lehrerin und Gemeinderätin Susanne Stetter, die dem GEA von ihren Mietern Teimour Amjadi und Someiyeh Nessari erzählt hat.
»Am wichtigsten ist für mich die Freiheit in Deutschland«, erzählt Teimour Amjadi über sein Leben in Deutschland und nennt Beispiele: »Hier kann ich frei meine Meinung äußern und lebe nicht unter Druck.« Das sei in seiner Heimat Iran als Gewerkschafter und Angehöriger der Oppositionspartei ganz anders gewesen. »Dort bin ich politisch verfolgt worden und saß drei Mal im Gefängnis. Wenn sie mich noch einmal verhaftet hätten, hätte es sein können, dass ich eine Todesstrafe bekomme.« Er habe sich nämlich für Frauenrechte eingesetzt. Mit 27 Jahren sei ihm klar gewesen, dass es für ihn in Iran zu gefährlich wird. Auch, weil er mit der Religion des Islam nichts mehr anfangen konnte und daraufhin »ein gefährliches Leben hatte. Ich musste raus und bin über die Türkei und Griechenland geflüchtet.« Ihm ist klar, dass er nie mehr zurück nach Iran kann. »Ich habe alles verloren. Meine Arbeit, meine Wohnung und mein Studium waren weg.«
Von der Polizei gerettet
Die Flucht brachte neue Gefahren mit sich. Gerade die Etappe mit dem Boot nach Griechenland sei schlimm gewesen. »Es sind leider viele ertrunken. Die griechische Polizei hat mich aus dem Meer gerettet.« Dann ging es für den heute 35-jährigen Teimour Amjadi im Jahr 2015 über die Balkanroute bis nach Deutschland.
Damals kannten er und seine jetzige Partnerin Someiyeh sich noch nicht, die nun im Pliezhäuser Garten neben ihm auf der Bank sitzt. Die 34-Jährige verließ Iran mit ihrem damaligen Mann, der sich zur Flucht für sie beide entschlossen hatte. Damals studierte sie Psychologie und war in ihrem letzten Semester. Beide kamen nach Heidenheim und lebten dort. »Dort wurde er gewalttätig und ich habe mich scheiden lassen.« Das sei für sie eine schwierige Situation gewesen. »Meine Eltern haben es akzeptiert«, sagt sie. Gerade die Familie in Iran vermisse sie hier in Deutschland. Neuerdings arbeitet sie als Arzthelferin in der Universitätsklinik Tübingen in der Kinderchirurgie.
Vermessungstechnik als Berufung
Someiyehs Partner Teimour arbeitet als Vermessungstechniker bei einem Bauunternehmen in Riederich. Zunächst wollte er in Deutschland weiter studieren. Doch sein Abitur wurde nicht anerkannt. Stattdessen lernte er Deutsch, absolvierte eine Ausbildung zum Versicherungsfachmann und sah dann in der Zeitung die Anzeige als Vermessungstechniker. Teimour Amjadi hängte noch eine Ausbildung dran. »Das ist mein absoluter Lieblingsberuf«, sagt er heute.
Und doch kennen viele Pliezhäuser Teimour Amjadi von seiner zweiten Arbeit. »Er ist einer der bekanntesten Menschen hier durch seinen Nebenjob bei Edeka«, erzählt seine Vermieterin Susanne Stetter. Hannelore Sell, die sich im Ort sehr für Flüchtlinge engagiert, hat die Wohnung vermittelt. »Sie sind die leisesten Mieter, die ich je hatte«, sagt Stetter. Nur am Anfang habe Amjadi mit offenem Fenster laut telefoniert. Ihr sei es wichtig, hilfsbereit zu sein, sagt die Gemeinderätin.
Flucht aus Afghanistan
Auch eine andere Frau in Pliezhausen hat einen Flüchtling bei sich im Haus aufgenommen: Fatah Gholizadeh. Er stammt aus Afghanistan und arbeitet seit sieben Jahren hier als Maler und Stuckateur. »Ich möchte noch meinen Meister machen«, erzählt er. Doch während er gut integriert ist, wartet er noch auf seine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. »Manche haben die schon, die nach mir gekommen sind und arbeitslos sind. Darüber denke ich viel nach«, sagt er. Weil sein Onkel als Soldat war, wurde Fatah Gholizadeh entführt und dabei verletzt. Er hat es dann geschafft, nach Iran zu fliehen und sich dort behandeln lassen.
Temour Amjadi bringt sein neues Leben auf den Punkt. Er sei Stetter sehr dankbar für die Unterstützung - und auch dafür, dass sie hier wohnen können. Er vermisse seine Familie. Inzwischen habe er in Pliezhausen eine Art neue Familie gefunden, zu der auch Susanne Stetter gehört. »Ich fühle mich hier nicht mehr fremd, sondern akzeptiert. Das hier ist meine zweite Heimat geworden«, sagt Amjadi. Und dazu gehört auch, dass er im Garten iranische Gurken und Paprika anbaut. (GEA)

