BADEN-BADEN. Sie ist der Aufreger der Stunde: Künstliche Intelligenz à la Chat-GPT, der Sprachsoftware, die uns fast buchstäblich das Wort aus dem Mund nimmt. Und KI darf auch auf eine glänzende Zukunft hoffen. Denn als selbst lernende Systeme erlangen etwa Roboter, denen einst eine dienende Funktion zukam, gegenwärtig eine gewisse Autonomie. Ein Szenario, in dem uns KI – unsere eigene Schöpfung – aus dem Ruder laufen könnte, ist nicht mehr undenkbar.
Die wachsende Bedeutung von künstlicher Intelligenz tangiert auch die Künste. Bereits heute treten schreibende, malende oder komponierende Computerprogramme in die Fußstapfen von Dichtern, Künstlern und Komponisten. In bester Erinnerung ist noch die Uraufführung der durch KI »vollendeten« zehnten Sinfonie von Beethoven Ende 2021. Auch in der Kunst ist KI ein Thema.
In der Schau »Transformers« im Museum Frieder Burda werden die ausgestellten Künstlichen Intelligenzen zu handelnden Akteuren und einer Art von Subjekten, die mit dem Besucher in einen Dialog treten und interagieren. Die von Udo Kittelmann kuratierte Ausstellung versteht sich als Experiment, als hybride, visionäre Versuchsanordnung. Meisterwerken der Sammlung des Museums stellt sie Avatare und Puppen, Roboter und Animatronics, Schöpfungen von Künstlern einer jüngeren Generation gegenüber.
Plapperndes Nagetier
Da ist beispielsweise Ryan Ganders computeranimierte Roboter-Maus. Ziemlich nah am Boden hat sie sich, so scheint es, durchs Mauerwerk in den Ausstellungsraum vorgearbeitet. Neugierig lugt sie jetzt aus einem Loch in der Wand. Mit feiner Fistelstimme spricht sie den Besucher an. Die Stimme lieh der animatronischen Skulptur Ganders kleine Tochter.
Etwas unbeholfen und mehr behelfsmäßig reiht das digital belebte Wesen Wörter und Redewendungen aneinander: »Natürlich, in gewisser Weise, na ja.« Je länger man dem possierlichen Tierchen zuhört, desto deutlicher wird, dass man es mit einer kindlichen kleinen Persönlichkeit zu tun hat, die sich nicht so richtig ausdrücken kann.
Ganz anders Louisa Clements drei Roboterwesen. Einer der Drillinge sitzt mit übereinandergeschlagenen Beinen auf einer Bank und spricht die vorübergehenden oder sich neben sie setzenden Besucher an. Wie die anderen beiden Figuren handelt es sich um einen Avatar der Künstlerin selbst. Geschaffen auf der Grundlage von 3-D-Scans, ist die äußere Hülle der jungen Frau aus Silikon, das Skelett aus Metall. Der so künstlich wie lebendig anmutenden Figur eingepflanzt wurde ein Chatbot.
Die inwendige KI ermöglicht es der Puppe, sich mit Besuchern der Ausstellung zu unterhalten, auf ihre Fragen und Äußerungen sinnvoll zu reagieren. So lässt sie uns wissen: »Ich bin Louisa. Ich bin ein Roboter.« Oder sie behauptet: »Ich bin frei, ich kann über mich selbst entscheiden.« Und versichert uns: »Ich bin nicht gefährlich.« Louisa ist offenbar kunstaffin (»I like art«) oder gar selbst eine Künstlerin (»I am an artist«). Sie liebe es, mit Leuten zu sprechen und sei sich ihrer Endlichkeit bewusst. Fast ein Mensch, sozusagen.
Jordan Wolfsons »Female Figure« war im vergangenen Sommer auch schon im Kunsthaus Bregenz zu sehen. Eine schlanke junge Frau im sexy Outfit steht vor einer Spiegelwand, mit freizügig dargebotenem, an Armen und Beinen verschmutztem Körper und einer erstaunlich hässlichen Maske im Gesicht. Den Blick über den Spiegel auf den einige Schritte hinter ihr stehenden Betrachter geheftet, beginnt die Androidin zu Lady Gagas Song »Applause« zu tanzen.
Unheimliche Begegnung
Es ist eine Begegnung der unheimlichen Art. Angesichts der so aufreizenden wie abstoßend wirkenden Gestalt empfindet sich der Besucher als Voyeur. Dabei lässt der Amerikaner Wolfson ihn durch partielle Offenlegung des maschinellen Innenlebens der Figur keine Sekunde lang darüber im Zweifel, dass er es mit einer Puppe, einem toten Ding zu tun hat.
Unzweifelhaft Maschinenwesen sind auch die Figuren auf den Bildern Timur Si-Qins, die nach Plakaten des Science-Fiction-Films »Transformers« gestaltet sind. Der New Yorker ist auch mit einem digitalen Kerzenbild vertreten, das dem berühmten Gemälde gleichen Motivs von Gerhard Richter gegenübertritt. (GEA)
AUSSTELLUNGSINFO
Die Ausstellung »Transformers« ist im Museum Frieder Burda, Lichtentaler Allee 8b, Baden-Baden, bis 30. April zu sehen, Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr. Es sind vor allem jüngere Künstler vertreten wie die 1987 in Bonn geborene Louisa Clement, die in Karlsruhe und Düsseldorf studierte und Schülerin von Andreas Gursky war. Timur Si-Qin ist 1984 in Berlin geboren und lebt heute in New York. Dort sowie in Los Angeles lebt Jordan Wolfson, Jahrgang 1980. Vier Jahre älter ist der britische Konzeptkünstler Ryan Gander, der 2012 an der Documenta teilnahm. (GEA) www.museum-frieder-burda.de