Von Ibsen hat sich Simon Stone, der Regisseur des Stücks, weit entfernt. Stone ist von diesem Sommer an Hausregisseur am Theater Basel, »John Gabriel Borkman« ist eine Koproduktion der Wiener Festwochen mit Basel. Basierend auf einer Neuübersetzung des Stücks holt Stone Ibsens bürgerliches Personal ganz hinein in eine Gegenwart, in der gegoogelt und gemailt wird, Facebook regiert, und jeder Kommunikationsversuch dennoch scheitert.
Borkman hat die falsche Frau geheiratet, um an den Posten eines Bankdirektors zu kommen. Dann wanderte er als Betrüger ins Gefängnis. Entlassen lebt er nun im ersten Stock des Hauses, das er an Ella überschreiben musste, die er liebte, während Gunhild, seine Frau und ihre Zwillingsschwester, im Stock darunter haust. Sie ist allzeit trunken und träumt davon, dass ihr Sohn Erhart die Familienehre wieder herstellen könnte. Aber Erhart will mit Fanny Wilton leben, die älter ist als er, will im Ausland von vorne beginnen. Ella erscheint nach Jahren wieder im Haus, todkrank nun, und die Situation spitzt sich zu.
Zur Groteske gesteigert
Stone steigert diesen Stoff zu einer wilden, komischen Groteske. Birgit Minichmayr ist Gunhild, die mit kratziger Stimme im luftig bunten Fähnchen durch den Schnee stolpert und flucht. Caroline Peters ist ihre Schwester Ella, auch sie zu leicht gekleidet, in Schwarz und Weiß, ernsthaft, sensibel, verzweifelt. Zu Beginn fauchen sie sich lange an, Schwesternzank und Sentimentalität: »Anfang der Neunziger, das war noch eine Zeit. Weißt du noch, all die Jungs, die wir am Start hatten?« – »Natürlich.« – »Der eine, wie hieß der noch gleich? Der uns gestalkt hat, nachdem wir Schluss gemacht haben? Der ist doch hier bei uns eingebrochen und hat unsere Unterwäsche geklaut.« – »Meine Unterwäsche.« – »Ich dachte, es wäre meine Unterwäsche.«Wuttke tritt auf, hier einmal grandios komisch, ein Wüterich in vielen Wintermänteln, mit langem Haar, verwahrlost und verrückt, einer, der Geld und Ruhm und Wirklichkeit verloren hat. Er schwankt und schimpft ohne Unterlass, im Schnee. Er prügelt sich mit seinem Freund Wilhelm Foldal (Roland Koch), und er gibt Musikunterricht für Foldals Tochter Frida (Liliane Amuat). Die liegt, in rotem Kleid, mit roten Lippen, blondem Haar, im Schnee und spielt Gitarre – trocken, hart, verhallt und endzeitlich. Von Bernhard Moshammer stammt diese Musik. Als das Ende naht, mischt sich ferner Gesang in den Gitarrenklang.