TÜBINGEN. Der Beifall wollte kein Ende nehmen, am Ende standen alle Zuschauerinnen und Zuschauer. Am Neujahrstag boten der Philharmonia Chor Reutlingen und das Tübinger Ärzteorchester unter der Leitung von Martin Künstner in der Tübinger Stiftskirche ein besonderes Hörerlebnis. Aufgeführt wurde die Sinfoniekantate »Lobgesang« von Felix Mendelssohn Bartholdy, damals von der Stadt Leipzig zur 400-Jahr-Feier der Erfindung des Buchdrucks in Auftrag gegeben und schon bei der Uraufführung ein Erfolg. Beim Neujahrskonzert überzeugten die Akteure auf ganzer Linie. Korrepetitor war Karl Mittelbach.
Leidenschaftlich und andächtig zugleich begann das Orchester das Programm mit der »Sinfonia«. Unter dem Dirigat von Martin Künstner, der die Musikerinnen und Musiker seit 2022 als neuer künstlerischer Leiter führt, fügten sich die Instrumente harmonisch zusammen und errichteten eine prachtvolle musikalische Szenerie. Majestät und Ehrfurcht waren zu hören, aber auch beschwingte, fast träumerische Walzertakte. Ein Spannungsbogen baute sich auf, der das ganze Konzert über anhielt.
Inniger Ausdruck
Mit schöner Stimme und innigem Ausdruck führte Tenor Philipp Nicklaus in die Thematik des Werks ein. In Rezitativ und Arie werden die Gläubigen aufgefordert, Gott für ihre Errettung aus der Not zu danken. Der Chor mit seiner sehr deutlichen Aussprache und einer überzeugenden Hinwendung zum Inhalt wiederholte die Aufforderung und leitete über zum zart durchwobenen Duett der beiden Sopranistinnen Christine Reber und Katharina Göhr: »Wohl dem, der seine Hoffnung setzt auf den Herrn.«
Um die leuchtende Gewissheit hervorzuheben, stieg Tenor Nicklaus als Kontrast in bedrohlich abwärts laufenden Sequenzen in Finsternis und Hölle herab und fragte, ob die Nacht nicht bald vorbei sei. Strahlend bejahte Christine Reber die Frage, und auch der Chor forderte entschlossen auf, zu den »Waffen des Lichts« zu greifen. Vielfach wurde die zentrale Botschaft wiederholt und bis ins Fortissimo gesteigert: Alle sollen sie hören. Der Choral »Nun danket alle Gott« schloss sich mit großer Empfindung und Enthusiasmus an.
Glasklare Stimmen
Sopran und Tenor stimmten ein, am Schluss bekräftigte der Chor mit seinen glasklaren Stimmen noch einmal »Alles, was Odem hat, lobe den Herrn«. Das Publikum, mitgerissen von der ausdrucksstarken Aufführung, verschaffte seiner Begeisterung mit langem Beifall Ausdruck. (GEA)