REUTLINGEN. Zeitgleich zur Fußballweltmeisterschaft, während Deutschland sein – wie sich herausstellt – letztes Spiel hat, schwebt die Stadthalle Reutlingen am Donnerstagabend in ganz anderen Gefilden. Das dritte Kaleidoskopkonzert der Württembergischen Philharmonie Reutlingen (WPR) ist als nettes Weihnachtskonzert mit allen möglichen herausgepickten musikalischen Schmankerln konzipiert und wird auch beglückt und dankbar von den beinahe voll besetzten Zuschauerrängen beklatscht.
Ein großes zusätzliches Aufgebot an Künstlern ist ebenfalls dabei, schon allein durch die Jungs des Knabenchors Capella Vocalis, die in der zweiten Konzerthälfte bei Saint-Saëns’ »Oratorio de Noël« den Chorpart stemmen dürfen. Doch auch zuvor ist der Gesang essenziell, und summa summarum fünf Solisten teilen sich abwechselnd die Bühne. Und eben hier sind diese Schmankerl platziert.
Inniges Duett
Mit Humperdincks Vorspiel und Abendsegen aus seiner Oper »Hänsel und Gretel« wird nicht in den Schlaf gespielt und gesungen, sondern ein unheimlich friedlicher und behutsamer Beginn gestaltet. Hier zeigt Chefdirigentin Ariane Matiakh mit ihrer WPR vielfältige dynamische Abstufungen und Feinheiten, darunter auch ein prächtig-königliches Fortissimo. Vanessa Waldhart (Sopran) und Anna Werle (Mezzosopran) schließen das mit einem innigen und einmütigen Duett ab.
Auch Bachs »Bereite dich Zion« aus dem Weihnachtsoratorium fehlt nicht und wird von Lucie Ceralová mit tiefer, fülliger Altstimme sehnsuchtsvoll über den lockeren und steten Linien eines kleinen Trüppchens der WPR ausgebreitet. Die drei anschließenden Weihnachtslieder von Peter Cornelius sind anderen Charakters. Miljenko Turk gestaltet sie flexibel, textnah mit seiner festen, greifbaren Baritonstimme.
Behände wird das Mosaik weitergeführt mit Anna Werle, die ihre ungemein klangvolle und ausdrucksstarke Stimme bei Adolphe Adams »Cantique de Noël« vom Orchester feierlich tragen lässt. Ein kurzes köstliches Erlebnis, sogleich wieder fortgeführt – man muss hurtig umdenken – mit César Francks »Panis angelicus«. Theodore Browne (Tenor) strahlt hier gemeinsam mit der WPR und Fabian Wettstein an der Geige; ein feierlich-inniges Erlebnis. Anschließend hat Vanessa Waldhart die Möglichkeit, ihre traumhafte Sopranstimme in allen Nuancen, silbrig, sonnenhell, präzise, in Mozarts Motette »Exsultate jubilate« zu präsentieren.
Nach der Pause dann etwas Fortlaufendes, Saint-Saëns’ »Oratorio de Noël«, das doch immer mal wieder durch die dankbare Erkenntlichkeit der Zuhörer zergliedert wird. Der lyrische Grundcharakter der Musik lässt stimmungsvolle und warme Momente auferstehen. Das zeitweilige glitzernde Harfenspiel verstärkt dies, doch auch hymnische Steigerungen sind vertreten. Alle Solisten brillieren hier nochmal, auch im Quintett, und der Knabenchor zeigt sein vertrautes Gesicht, diszipliniert und einheitlich wird hier gesungen.
Stimmungsvolle Impressionen und Kontemplation waren der beabsichtigte Grundduktus, und dass Ariane Matiakh und ihr Orchester flexibel, aufgeschlossen und anpassungsfähig sind, hat sich hier wieder bewährt. (GEA)