LOS ANGELES. Schon möglich, dass Bahar Gözmener, vor 27 Jahren in Reutlingen geboren, in Walddorfhäslach aufgewachsen, eines Tages mit einem Filmteam aus den USA zurückkehrt, um ihre Geschichte zu erzählen. Wie es war, als Migrantentochter auf dem Dorf groß zu werden, erste Tanzschritte in Pliezhausen zu machen, den Traum von der unabhängigen Künstlerexistenz zu leben. Zumindest sitzt die junge Filmemacherin in Los Angeles derzeit an einem Drehbuch, das mit alledem zu tun hat. Wobei sie dazu sagt, dass das ein längerer Prozess sein wird: »Es ist schwer, über sein Leben zu schreiben.« Es sei für sie dennoch »ein Herzensprojekt, das ich auf jeden Fall verwirklichen möchte«.
Die junge Frau mit türkischen Wurzeln sitzt uns im Zoom-Gespräch gegenüber. Während es bei uns später Nachmittag ist, will bei ihr gerade morgens die Katze gefüttert werden, klettert ihr über Kopf und Schulter, während sie mit uns spricht. Nachdem Bahar Gözmener ihr Abitur am Reutlinger Bildungszentrum Nord gemacht hat, hat sie in Berlin an der University of Europe for Applied Sciences Film und Motion Design studiert, 2020 ihren Bachelor dort gemacht. Und nachdem ihr Abschlussfilm Preise bei einigen Filmfestivals in Los Angeles gewann, hat sie sich an Universitäten in Kalifornien für ein Master-Studium beworben, was sie dank zweier Stipendien ans California College of the Arts in San Francisco brachte. Wo sie im Mai 2023 ihren Master of Fine Arts in Cinema (MFA) machte.
Pläne für eine Buddy-Komödie
Sie ist nun nach Los Angeles umgezogen, wo sie zweimal in der Woche Schauspielunterricht hat. Sich in diesem Bereich eine freiberufliche Existenz aufbauen will und sich dafür an Vorsprechen für Filmprojekte beteiligt. Und an mehr als einem Drehbuch schreibt. Das am weitesten gediehene hat sie »Magpies« (Elstern) genannt. Die Buddy-Komödie, erzählt sie, handle von einer jungen Frau, die auf der Straße lebe und in einem Einkaufszentrum übernachte. Eines Tages werde sie von einem Mitarbeiter des Wachpersonals erwischt. Die beiden würden sich anfreunden und Pläne schmieden, Juwelen aus dem Einkaufszentrum zu stehlen. Er brauche das Geld, weil seine Tochter schwer krank sei.
Das Ganze sei als Spielfilm konzipiert. Um Geldgeber auf ihr Vorhaben aufmerksam zu machen, will Bahar Gözmener aber zunächst eine Kurzfilm-Version davon machen, sprich: Teile davon drehen, die die Neugier wecken. Das sei durchaus ein üblicher Weg in der Filmmetropole Los Angeles. Gut vernetzt ist die gebürtige Reutlingerin - sei es durch ihre Schauspielschule, sei es durch Kontakte zu Studentinnen und Studenten an der USC School of Cinematic Arts, der größten und ältesten Filmhochschule in den Vereinigten Staaten. »Die haben tolle Studios und tolles Equipment.«
Ein neues Visum muss her
Dennoch ist es kein einfacher Weg. Bahar Gözmener jobbt, gibt Unterricht im Poledance. Wobei das Tanzstudio, an dem sie das tut, ihr die Möglichkeit gibt, mit Vorführungen auch auf ihr filmisches Schaffen aufmerksam zu machen. Momentan muss sie sich auch um ein Visum kümmern. Diesmal kein Studentenvisum, sondern eines für Künstlerinnen und Künstler.
Ihre Abschlussarbeit im Master-Studium bestand aus einer drei Tage dauernden Kunstausstellung in einer Galerie in San Francisco. Die Installation umfasste Skulpturen und drei große Bildschirme, die miteinander interagierten.
Dreh in Kenia
Auch in Kenia hat sie gedreht, sie war dort Ton- und Kamerafrau bei einem Dokumentarfilm (»Fistula Survivors«). Ein Kontakt, den sie bei einem Auslandssemester in Finnland geknüpft hatte, brachte sie zu diesem Projekt. Es ging dabei unter anderem um eine Nonprofit-Organisation, die erkrankte und ausgegrenzte Frauen stärkt und unterstützt. Ein Thema, das Bahar Gözmener am Herzen liegt. Wo sieht sie sich in fünf Jahren? Sie wäre dann gern als Regisseurin und Schauspielerin tätig, die ihre eigenen Drehbücher verfilmt, sagt sie. »In zehn Jahren hätte ich gern ein ganzes Team, das für mich arbeitet. Und ich möchte eine Nonprofit-Organisation gründen, Gewinne aus der Entertainment-Branche für soziale Projekte verwenden.« Das Thema »Female Empowerment«, also Frauen in puncto Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung zu stärken, zieht sich bereits jetzt durch ihr künstlerisches Schaffen. Sie hat auch einen Podcast dazu (»Femme«) aufgelegt.
Filme, die viele Menschen erreichen, aber keine typischen Blockbuster sind, will sie machen. Filme, die relevant sind, wie es das Drama »Moonlight« von Barry Jenkins ist - ein Vertreter des »Black Queer Cinema« im Hollywoodkino. »Filme, die unser Verständnis für andere Menschen vergrößern und uns empathischer machen.« (GEA)