BURLADINGEN-MELCHINGEN. Der in Hamburg lebende Regisseur und Performance-Künstler Marc von Henning bringt in dieser Woche im Theater Lindenhof in Melchingen ein neues Stück auf die Bühne. Es ist eine eigene Stückentwicklung. Das ganze Lindenhof-Ensemble steht darin auf der Bühne. Im Vorfeld sprach Simone Haug vom Lindenhof mit dem Regisseur darüber, was Schmetterlinge und Steckenpferde mit Verwandlung zu tun haben, und warum er sie im Theater verortet.
Ihr neues Stück am Theater Lindenhof heißt »Von Schmetterlingen und Steckenpferden«. Wie kamen Sie zu dem Titel?
Marc von Henning: In den ersten Gesprächen ging es um eine Arbeit, die mit Verwandlung zu tun hat und etwas Poetisches beinhaltet, wie ich es gerne mache. Die Werdung des Schmetterlings ist eine absolute Verwandlung. Von der Raupe bleibt nichts mehr übrig. Der Schmetterling ist ein komplett neues Wesen. Diese Art der Verwandlung fand ich spannend. Da steckt auch die Frage drin, was wäre, wenn sich so die Gesellschaft verändern würde. Wenn es eben nicht nur graduelle Veränderungen hier und da gäbe, sondern wenn man morgen nichts mehr von heute hätte. Also eigentlich eine apokalyptische Vorstellung. Die Steckenpferde sind für mich thematisch das Gegenteil der Schmetterlinge. In der Sprache bedeutet Steckenpferd etwas, wo wir hintendieren oder etwas, für das wir bekannt sind, weil wir es öfter tun. Ich bin außerdem über Videos gestolpert von Leuten, die Turniere mit Steckenpferden machen. Das menschliche Vermögen, in etwas, das kein Leben hat, ein Leben hineinzusuggerieren, ist faszinierend. Man kann mit einem Steckenpferd so spielen, dass die Zuschauer traurig sind, wenn es kaputt geht. Das Absurde daran und das Körperliche daran haben mich interessiert.
Das Stück ist eine Stückentwicklung von Ihnen. Was hat Sie inspiriert?
Von Henning: Ich habe Stefan Hallmayer (Intendant des Theaters Lindenhof, d. Red.) gebeten, mir Sachen zu erzählen, die ihn gerade bewegen und mit diesem Ort zu tun haben. Hier steht auch eine Wandlung an, da fühlte ich mich nicht weit vom Schuss entfernt, das Stück im Theater anzusiedeln – nicht in diesem Theater, aber das Theater als Ort der Realität für diese Menschen zu nehmen. Die Verwandlung im Theater ist die von hinter der Bühne auf vor der Bühne. Meine Idee war es, beide Seiten zu zeigen. Ich habe also ein Stück in zwei Hälften entwickelt. Erst hatte ich den Text für den ersten Teil und Ideen für den zweiten Teil, dann sind in den ersten und zweiten Teil sehr viele Ideen von den Spielerinnen und Spielern eingeflossen. Ich habe also zwei ganz unterschiedliche Teile, da passiert eine Verwandlung. Im ersten Teil sind wir hinter der Bühne, dann drehen wird das Ganze um und die Zeit sozusagen zurück und sehen die Show, also das, was vor der Bühne geschehen ist, das, was sie gespielt haben. Die Teile unterscheiden sich auch in der Form. Der erste Teil ist textgetrieben. Im zweiten Teil sieht man eine Show, die sehr körperlich ist, mit Tanz, Clown-Elementen und fast gar keinem Text. Die Kapitel im zweiten Teil reflektieren auch Themen aus dem ersten Teil, das, was zwischen den Menschen so passiert. Ich hoffe nur, das Publikum erinnert sich an den ersten Teil, denn da tauchen Geräusche auf, die man erst mal nicht einordnen kann und dann im zweiten Teil sieht.
Worum geht es thematisch noch?
Von Henning: Am Anfang des Stückes erreicht die Spieler eine Nachricht, die etwas Apokalyptisches, Existenzielles transportiert. Dadurch entsteht ein wahnsinniger Druck, und es wird gezeigt, wie die sieben Personen damit umgehen. Jeder hat da seinen eigenen Weg. Sie überlegen, ob sie das Stück abbrechen sollen, entscheiden sich aber zu spielen. Sie wissen auch nicht, was das Publikum weiß. Durch diese Bedrohung kommen auch Sachen auf, die, würde alles so weitergehen wie bisher, nicht verhandelt werden müssten.
Das erinnert mich etwas an die Pandemie. Diese existenzielle Bedrohung, wo jeder seinen Weg finden musste, damit umzugehen.
Von Henning: Ja, das ist diese Atmo-sphäre, die zustandekommt, wenn eine fast unfassbare Veränderung bevorsteht, etwas, das man nicht richtig begründen kann, weil man keine Vorerfahrung damit hat. Da sind die Menschen erst mal verwirrt. Die Menschen haben ja aber auch noch ein Leben, und diese Menschen in meinem Stück haben noch ihre Show. Das Stück ist aber mehr absurd als tragisch. Es sind Figuren im Stück, die durch das, was passiert, extremere Verhaltensweisen entwickeln, was auch lustig ist. Dann, im zweiten Teil, schwankt man immer zwischen Lachen und Weinen.
Verraten Sie noch etwas über das Bühnenbild, das Sie entwickelt haben, und die Kostüme von Katharina Müller?
Von Henning: Da es zwei Spielorte sind, sieht man zwei verschiedene Bühnenbilder. In der Pause kommt der Turn. Zuerst sieht man, was hinter der Bühne geschieht, und dann, was auf der Bühne geschieht. Es ist, als ob man jemand den ganzen Tag zuschauen könnte und seine Gedanken dabei sehen. Man sieht in das Innere hinein und dann das Äußere. Hinter der Bühne haben sie noch nicht die Kostüme an, die sie auf der Bühne tragen, oder nur zum Teil. Im zweiten Teil, wird es dann sehr, sehr bunt und es gibt viel Musik. (eg)
AUFFÜHRUNGSINFO
Das Stück »Von Schmetterlingen und Steckenpferden« hat am Freitag, 16. Februar, um 20 Uhr im Theater Lindenhof Premiere. Bei der öffentlichen Probe am Dienstag, 13. Februar, 20 Uhr gilt »Zahl, was du willst«. Weitere Spieltermine sind: 18. Februar, 17 Uhr, 24. Februar, 20 Uhr, 25. Februar, 17 Uhr, und 1. März, 20 Uhr. (GEA) www.theater-lindenhof.de