Logo
Aktuell Konzert

Von Klassik bis Pop: Die Wiener Sängerknaben in der Reutlinger Stadthalle

Musikalische Vielfalt prägte das Konzert der Wiener Sängerknaben in der Reutlinger Stadthalle. Am Ende gab es für die knapp zwei Dutzend Sänger aus der Donau-Metropole Standing Ovations.

Die Wiener Sängerknaben mit Kapellmeister Manolo Cagnin (am Flügel) bei ihrem Auftritt in der Reutlinger Stadthalle.
Die Wiener Sängerknaben mit Kapellmeister Manolo Cagnin (am Flügel) bei ihrem Auftritt in der Reutlinger Stadthalle. Foto: Christoph B. Ströhle
Die Wiener Sängerknaben mit Kapellmeister Manolo Cagnin (am Flügel) bei ihrem Auftritt in der Reutlinger Stadthalle.
Foto: Christoph B. Ströhle

REUTLINGEN. »Wir sind 525 Jahre alt, aber gut konserviert«, scherzte Kapellmeister Manolo Cagnin in der nicht vollbesetzten Reutlinger Stadthalle. In der Tat können die Wiener Sängerknaben auf eine so lange Geschichte zurückblicken. Und werden doch nie alt, weil immer neue Generationen sich den Matrosenanzug überstreifen, der seit 1924 offizielle Chorkleidung ist. Auf Fotos aus der k.u.k.-Zeit sind die Knaben noch in militärischen Uniformen und mit Säbeln abgebildet.

Natürlich ist es mit der Kleidung nicht getan. Die »jüngsten Botschafter Österreichs«, wie sie häufig genannt werden, durchlaufen eine weithin gerühmte Schule, die sie für ihre Konzerttätigkeit vorbereitet. Dabei sind die Wiener Sängerknaben anders als die meisten Knabenchöre nicht vollstimmig mit Sopran, Alt, Tenor und Bass besetzt, sondern verfügen ausschließlich über Sopran- und Altstimmen. In der Reutlinger Stadthalle waren sie zuletzt 2014 zu erleben. Und nun wieder, mit einem Programm, das im ersten Teil Chorsätze von Klassik bis Pop, im zweiten Weihnachtslieder aus aller Welt beinhaltete. Der Abend endete mit Standing Ovations für die jungen Sänger aus der Donau-Metropole.

Lustvoll gestaltete Synkopen

Den ersten Satz aus Wolfgang Amadeus Mozarts »Kleiner Nachtmusik«gaben sie in einer rein vokalen Version - das Arrangement stammt von Gerald Wirth, dem künstlerischen Leiter der Wiener Sängerknaben - melodienselig und mit lustvoll gestalteten Synkopen wieder. Das rhythmische Geratter, das sich aus ihrer Nachahmung von Instrumenten ergab, hatte den Schwung und die Präzision einer Nähmaschine.

Darauf ließen sie ein freudiges »Exultate justi« (»Freut euch, ihr Gerechten«) von Ludovico da Viadana folgen. In der vierstimmigen Motette, an der Schwelle von der Renaissance zum Frühbarock entstanden, imitierten die Sänger die im Text erwähnte Harfe und Leier. Anmutig gestaltete Linien und Ausschmückungen, Schwebeklang und Emphase mündeten in einen nachklingenden Schlussakkord.

Packender »Erlkönig«

Bei Heinz Kratochwils Motette »Jubilate Deo«, 1976 den Wiener Sängerknaben gewidmet, zeigte sich mustergültig die famose Intonation der jungen Interpreten. Mit ihren Stimmen schufen sie zeitweise einen sich kunstvoll überlagernden Glockenklang, wobei Dirigent Manolo Cagnin mit den sonst eher großen Gesten pausierte. Zu den weiteren Höhepunkten zählten Henry Purcells »Musick For A While«, eine Bühnenmusik, die darauf abzielt, Sorgen und Schmerzen zu bannen, und Franz Schuberts Vertonung von Goethes »Erlkönig«. Das Arrangement von Oliver Gies, Gründungsmitglied des deutschen A-cappella-Pop-Quartetts Maybebop, setzten die Jungs glänzend um. In dem Mini-Drama, bei dem die Soprane den Knaben und den Erlkönig sangen, die Alte den Vater und den Erzähler, vermittelten sich bis zuletzt Atemlosigkeit und Unruhe.

»On The Road Again« sang der Chor, einer von insgesamt vier tourenden Konzertchören der Wiener Sängerknaben, a cappella und mit Voice Percussion von den Knaben. Sichtlich Freude hatte das Publikum an dem Walfänger-Shanty aus Neuseeland »Soon May The Wellerman Come«. In der Version der Sängerknaben (Arrangement: Gerald Wirth) setzte sich übrigens der Wal durch.

Beseelt und glockenrein

Ansprechend und mit Hingabe präsentiert waren die »Tritsch-Tratsch-Polka« und der »Kaiserwalzer« von Johann Strauß (Sohn). Bei den Weihnachtsliedern im zweiten Teil fiel auf, dass die Sänger einen Glanz, der von innen kommt, einer rein auf Wirkung bedachten Gestaltung vorzogen. Beseelt klang das und glockenrein, zum Teil in höchster Lage in den solistischen Passagen.

Die Zugaben, »Feliz Navidad« im Latin-Rhythmus und »Time To Say Goodbye«, jenes einst von Andrea Bocelli und Sarah Brightman gesungene melancholische Lied über Veränderung, Abschied und Liebe, rundeten den gelungenen Abend ab. (GEA)