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Aktuell Kabarett

Viele Tunnel vor dem Licht

REUTLINGEN. »Großhirn an Faust: Ballen!« Mit seinem Sketch »Der menschliche Körper« schuf Otto Waalkes in den 1970ern einen Klassiker der deutschen Comedy. Jochen Malmsheimer hat in Sachen Humor zwar nicht viel mit dem »friesischen Götterboten« gemein. Doch ist seine Nummer über die Wortkarteikarten, die sich nächtens im Institut für Deutsche Sprache in Mannheim über Ein- und Ausdeutschungstests für Fremdwörter und antiquierte Begriffe in die Wolle kriegen, ähnlich verschroben und kultverdächtig.

Bei seinem Auftritt im bestens gefüllten franz.K am Mittwochabend war der fernsehbekannte Kabarettist – er war der Anstalts-Hausmeister bei »Neues aus der Anstalt« – überhaupt für so manches Kabinettstückchen gut. Die Zuschauer kringelten sich zum Teil vor Lachen.

Wie es sich fürs Warm-up für Kabarettisten in der Achalmstadt gehört, zog der Schnellsprecher Malmsheimer auch über die Reutlinger Stadthalle her. »Die Halle des Volkes. Ganz toll. In Nordkorea ein Knaller«, nannte er den Max-Dudler-Bau und witzelte nach der Pause: »Wenn der alte Kim zum Staatsbesuch kommt, dann hat er was.« Mit solchen Aussprüchen lassen sich irgendwann Bücher füllen.

Seine Warnung ans Publikum die Nutzung von Mobiltelefonen während der Vorstellung betreffend war unmissverständlich. Auch »Genuss spendende Vibrationen« seien abzuschalten, sonst sei das »für das Gerät final«.

Kaum Wisse, null Verstehe

»Ermpftschnuggn trødå! – hinterm Staunen kauert die Frappanz«: Kryptischer hätte Malmsheimer den Titel seines aktuellen Programms kaum formulieren können. »Mir sagt das auch nichts«, gestand der gebürtige Essener beiläufig. Er sei eines Morgens unter der Dusche wach geworden, da sei dieser Titel plötzlich da gewesen.

Stimm- und wortgewaltig widmet sich Malmsheimer in den folgenden zwei Stunden den Profanitäten der Existenz, erzählt von seinem Sohn, der »im Würgegriff der eigenen Körperchemie« (Pubertät) mit Mädchen verkehrt, die Sätze wie »Chill’ mal dein Leben« absondern, was für jemanden wie Malmsheimer, der in der Muttersprache zwar »nicht zu Hause« ist, aber doch »dauerhaft zur Miete« wohnt, eine Menge Fragen aufwirft. Grundlegende Fragen, die teilweise in eine ganz andere Richtung führen. Etwa, »warum Krieg Krieg und nicht Nimm heißt«. Oder »was denn nun genau von meiner Freiheit am Hindukusch verteidigt wird, das ›F‹, das ›t‹ oder die beiden Eier«.

Malmsheimers Kritik, auch die politische, führt immer und fast ausschließlich über die Sprache. Ob er über »die Frau als Irrweg« oder den »Mann als Sackgasse« nachdenkt oder »aus dem Schwitzkästchen« plaudert – stets sind seine Analysen von der Lust am Spiel, vom Staunen über die »Frappanz« geprägt. Dass er, wie er sagt, »keine Kenne, kaum Wisse und null Verstehe« hat, nimmt man ihm nicht ab. Zumindest hat er eine »Ahne«, und an der lässt er sein Publikum teilhaben. Mit Erkenntnissen, die hoffnungsfroh stimmen könnten, wären sie nicht so erbarmungslos am Istzustand der Welt ausgerichtet: »Es gibt jede Menge Tunnel vor dem Licht«. Damit wird man leben müssen. Dank Malmsheimer mit zwei lachenden Augen. (GEA)