Logo
Aktuell INTERVIEW

Theater Lindenhof spürt dem rätselhaften Verschwinden des Flugzeugs MH370 nach

Die Regisseurin und der musikalische Leiter über das Stück »All right. Good night« am Theater Lindenhof

Thomas Unruh ist musikalischer Leiter, Claudia Rüll Calame-Rosset Regisseurin bei »All right. Good night«.  FOTO: LINDENHOF
Thomas Unruh ist musikalischer Leiter, Claudia Rüll Calame-Rosset Regisseurin bei »All right. Good night«. FOTO: LINDENHOF
Thomas Unruh ist musikalischer Leiter, Claudia Rüll Calame-Rosset Regisseurin bei »All right. Good night«. FOTO: LINDENHOF

BURLADINGEN-MELCHINGEN. Erst wollte die Autorin, Regisseurin und Mitgründerin des Theaterkollektivs Rimini Protokoll ihr Stück nicht aus der Hand geben. Doch Regisseurin Claudia Rüll Calame-Rosset reiste nach Hamburg und konnte Helgard Haug davon überzeugen, dass »All right. Good night« bei ihr in guten Händen ist. Und so feiert das Stück am 11. Mai Premiere am Theater Lindenhof. Simone Haug vom Lindenhof-Team sprach mit Rüll Calame-Rosset und dem musikalischen Leiter Thomas Unruh über die Inszenierung, in der Linda Schlepps, Hannah Im Hof, Luca Zahn und Rino Hosennen auf der Bühne stehen und Carola Schwelien und Bernhard Hurm in Videoeinspielern zu sehen sind.

Im Stück verknüpft die Autorin Helgard Haug das Verschwinden eines Flugzeugs, der Boing 777 der Malaysian Airlines mit 239 Menschen an Bord im Jahr 2014, mit der Demenz-Erkrankung ihres Vaters. Da wird man in einem Stück mit gleich zwei sehr schweren Themen konfrontiert. Wie haben Sie sich vorbereitet?

Claudia Rüll Calame-Rosset: Als ich den Text gelesen habe, war mir vieles sehr schnell sehr nahe, da ich in meiner eigenen Lebensrealität mit den Themen schon verwoben bin. Zum einen mit dem Bereich des Fliegens, zum anderen ist mein Vater Anfang sechzig an Alzheimer erkrankt. Über 20 Jahre lang zog sich sein Weg des Verschwindens.

Mit welchen Mitteln schafft es die Autorin, die zwei sehr unterschied-lichen Themen zu verknüpfen?

Rüll Calame-Rosset: Zum einen haben wir hier einen Krimi, der das Rätsel des Verschwindens der MH370 zu lösen versucht. Im Stück begeben wir uns gemeinsam mit den Zuschauern auf die Suche. Das wird verbunden mit dem Begleiten des Vaters der Autorin, der an Demenz erkrankt ist, und seines »Verschwindens«. In den Text fließen sowohl Einzelschicksale von Hinterbliebenen der MH370 als auch die Erinnerungen der vier Kinder des Vaters mit ein. Musik ist ein wichtiges Mittel der Inszenierung. Der Text ist sehr rhythmisch aufgebaut und musikalisch strukturiert. Es ist, als würden verschiedene Instrumente zusammenwirken. Die verschiedenen Stränge und Themen werden da verwoben und manchmal weiß man nicht genau, in welchem Themenstrang man sich gerade befindet, was aber einen besonderen Reiz ausmacht.

Thomas Unruh: Bei der musikalischen Entwicklung hatte ich klangtechnisch einen Spagat zwischen der »Flugzeugwelt« und der »Vaterwelt« zu machen. Wir haben Sounds ausgesucht, die vielleicht beide Welten darstellen können. Bei uns kommt zum Beispiel eine Loopmaschine zum Einsatz. Die menschliche Stimme hat viel mit Präsenz zu tun. Im Loop wird sie aufgenommen und klingt dann nach. Der erzeugte Loop ist etwas Einmaliges, verschwindet und kann genau so nicht mehr hergestellt werden. Es kommt auch ein Glockenspiel vor, was ein Instrument aus der Kinderstube sein könnte. Der Glockenklang erinnert aber auch an Signale aus dem Flugzeug. Auch Lieder und Gesänge spielen eine wichtige Rolle. Claudia meinte, dass einige Textpassagen wie Songs klingen, aber das war teilweise natürlich etwas unrund. Da musste ich erst eine Form finden. Ich habe also eigene Lieder gemacht, die allerdings in der Harmonik nicht konstant bleiben. Sie haben also auch etwas »Flüchtiges«.

Die Menschen fürchten sich ja eher davor, sich mit der eigenen Endlichkeit auseinanderzusetzen. Warum sollte man dennoch das Stück anschauen?

Rüll Calame-Rosset: Im Kern geht es um die Frage, was wir mit der uns zur Verfügung stehenden Zeit machen. Ja, und was die Zeit mit uns macht. Zehn Jahre warten die Hinterbliebenen der MH370 darauf, dass es eine Antwort auf das Verschwinden der MH370 gibt. In den Gesprächen mit den Angehörigen, die Helgard Haug geführt hat, wird klar, dass der Umgang mit dem Schmerz sehr unterschiedlich ist. Mrs. Chong lässt das Gras in ihrem Garten wachsen, weil es die Aufgabe ihres verschwundenen Mannes ist, dieses zu schneiden. Sie hofft weiter, dass er noch kommt. Ein anderer streicht die Wände seines Hauses farbig, weil jetzt – bei all der Trauer – für ihn ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Das Stück sensibilisiert dafür, sich auf das Hier und Jetzt zu fokussieren, woraus man Kraft schöpfen kann.

Unruh: Das Stück ist eigentlich auch eine Ode an das Leben. (eg)

»All right. Good night«: Premiere am Samstag, 11. Mai, 20 Uhr, Theater Lindenhof, Melchingen