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Tausendsassa der Bühne: Theatermann Heiner Kondschak ist tot

Seine schlaksige Gestalt war markant, seine Kreativität legendär: Heiner Kondschak hat die Bühnen der Region und weit darüber hinaus mit Musik, Theater, Kabarett und mehr bespielt. Nun ist er mit 69 Jahren überraschend gestorben. Dabei war er gerade dabei, eine neue Reihe zu realisieren.

Sänger, Liedermacher, Schauspieler, Regisseur: Heiner Kondschak war vielseitig wie wenige.
Sänger, Liedermacher, Schauspieler, Regisseur: Heiner Kondschak war vielseitig wie wenige. Foto: Nicht angegeben
Sänger, Liedermacher, Schauspieler, Regisseur: Heiner Kondschak war vielseitig wie wenige.
Foto: Nicht angegeben

OFTERDINGEN. Die Kulturszene hat mit Heiner Kondschak eine ihrer originellsten und vielseitigsten Gestalten verloren. Ganz überraschend starb der Musiker, Schauspieler, Autor, Regisseur und Bühnendichter am Dienstag an Herzversagen, wie Tommy Seitzinger von der Künstleragentur Seitzinger Kultur bestätigte. Kondschak wurde 69 Jahre alt.

Sein Tod kam völlig überraschend, auch wenn bereits ein Unfall 2023 ihm schwer zugesetzt hatte. Nach einem Treppensturz in seiner Wohnung in Ofterdingen hatte er zwei Tage lang hilflos dort gelegen, ehe eine Nachbarin durch das Kratzen seiner Katze an der Scheibe aufmerksam wurde. Schädelhirntrauma und gebrochenes Schulterblatt lautete die Diagnose, zehn Tage lag Kondschak im Koma. Über Rollstuhl und Rollator kämpfte er sich wieder ins Leben zurück. Berichtete von seiner Krise als Gast seiner eigenen Talkreihe »Schatzkästchen«, deren Moderation Tonne-Intendant Enrico Urbanek übernommen hatte.

Völlig verändert sah Heiner Kondschak nach seinem schweren Unfall aus - mit kürzeren Haaren, längerem Bart und John-Lennon-Brill
Völlig verändert sah Heiner Kondschak nach seinem schweren Unfall aus - mit kürzeren Haaren, längerem Bart und John-Lennon-Brille. Foto: Norbert Leister
Völlig verändert sah Heiner Kondschak nach seinem schweren Unfall aus - mit kürzeren Haaren, längerem Bart und John-Lennon-Brille.
Foto: Norbert Leister

Zuletzt schien es aufwärts zu gehen. Der Bühnenmann plante sogar eine neue Reihe mit der Tonne, Arbeitstitel »Radio Kondschak«. Er sollte darin einen Radiomoderator mimen, den man im Studio anrufen kann, der selbst gemachte Musik aus dem Studio sendet, erzählt, zuhört, auch mal widerspricht. Jahrelang habe Kondschak das Programm des Theaters »durch seine einzigartige Bühnenpräsenz und vorbehaltlose Menschlichkeit« geprägt, hieß es vonseiten der Tonne. »Wir sind gerade noch im Schockzustand«, sagte Tonne-Verwaltungsleiter Matthias Schmied dem GEA. Was der Verlust von Kondschak bedeute, sei noch gar nicht abzusehen.

Mit schnoddrigem Humor

Kondschak war eine der markantesten Gestalten im Theatermilieu, der sprichwörtliche »bunte Bühnenhund«, wie Schmied es formuliert. Die schlaksige Gestalt, der Seehundschnauzer, das lange Zottelhaar, dazu der treuherzige Blick, mit dem er listig noch die frechsten Pointen verkaufte - Kondschak war unverwechselbar. Neben Ironie und augenzwinkerndem Revoluzzertum steckte jedoch immer das Menschliche in ihm.

Am wohlsten fühlte sich Heiner Kondschak mit einem Instrument in der Hand, gerne wie hier eine Gitarre.
Am wohlsten fühlte sich Heiner Kondschak mit einem Instrument in der Hand, gerne wie hier eine Gitarre. Foto: Foto: PR
Am wohlsten fühlte sich Heiner Kondschak mit einem Instrument in der Hand, gerne wie hier eine Gitarre.
Foto: Foto: PR

Kondschak liebte Kinder - und schrieb Stücke für sie wie das legendäre »Schätzchen der Piratin«. Gemeinsam mit WPR-Kontrabassist Günter Fischer und dessen Musica Varia Ensemble brachte er die Kindermusiktheaterreihe »Der alte Mann und der Bär« auf die Bühne. Kondschak liebte Tiere - ein Foto zeigt ihn mit seinem Kater Zorbas wie zwei enge Kumpels schweigend nebeneinander sitzen. Und er liebte die Underdogs und Außenseiter: einen Krabat, eine Momo, einen Don Quijote. Oder einen Gerhard Gundermann: Der singende Baggerfahrer aus der DDR wäre mit seinen ans Menschliche appellierenden Liedern im Westen ohne Kondschaks Revue kaum so bekannt geworden. Dafür gründete er extra die Randgruppencombo und tourte mit ihr durch die Republik.

Enorm facettenreich

So markant Kondschaks Persönlichkeit, so vielfältig sein Schaffen. Er war Talkmaster seiner eigenen Reihe »Schatzkästchen«; er trat mit Tochter Merle in einem Musik-Tanz-Programm auf; er brachte mit Hanna Herrlich ein Programm mit Liebesliederduetten heraus; er spielte in dem von ihm selbst geschriebenen und komponierten Musical »Dogs« einen Afghanen - wohlgemerkt die Hunderasse; er brachte im Theater Lindenhof eine Bühnenfassung von »Don Quijote« heraus; er war mit Helge Thun das Zauber-Kabarett-Duo »Der Schöne und das Biest«.

Kinder- und Jugendtheater war ihm immer wichtig: Kondschak als Meister Hora mit Nina-Mercedés Rühl als Momo in Kondschaks Bühnen
Kinder- und Jugendtheater war ihm immer wichtig: Kondschak als Meister Hora mit Nina-Mercedés Rühl als Momo in Kondschaks Bühnenfassung von Michael Endes Roman »Momo«. Foto: Tonne/Karen Schultze
Kinder- und Jugendtheater war ihm immer wichtig: Kondschak als Meister Hora mit Nina-Mercedés Rühl als Momo in Kondschaks Bühnenfassung von Michael Endes Roman »Momo«.
Foto: Tonne/Karen Schultze

Wenn es etwas gab, das seine Facetten vereinte, dann neben der Menschlichkeit einen Zug zu Zirkus, Varieté, Straßentheater. Damit hatte er angefangen. 1955 im niedersächsischen Hohenhameln geboren, hatte er 1973 in Uelzen Abitur gemacht. Eine Maurerlehre und ein Jurastudium brach er ab, tingelte als Gelegenheitsarbeiter umher, trat als Straßenmusikant auf, heuerte schließlich beim Circus Lauenburg als Musiker und Kleindarsteller an. Weitere Engagements führten ihn unter anderem ans Junge Theater Göttingen, zum Zirkus Rad Ab, an die Städtische Bühne Osnabrück. Ehe er Musikalischer Leiter und Schauspieler am Jungen Theater Göttingen wurde - und nach fünf Jahren ebenso lange dasselbe am Kinder- und Jugendtheater des LTT in Tübingen.

Kondschak und die Schwaben

Damit hatte das Nomadenleben ein Ende - der schnoddrige Ironiker aus dem Norden strandete ausgerechnet bei den Schwaben. Mit denen Kondschak auf köstliche Weise ein augenzwinkernd-ambivalentes Verhältnis pflegte. Während die Bühnen der Region - LTT, Tonne, Lindenhof - zu seinem zweiten Wohnzimmer wurden. Zeitweise wartete das Publikum schon ungeduldig auf den »neuesten Kondschak«. Seine Stücke garantierten volle Säle, glänzten mit Witz, Originalität, Musik und Hintersinn.

Kondschak mit Chrysi Taoussanis in »Krabat«.
Kondschak mit Chrysi Taoussanis in »Krabat«. Foto: Tonne/Karen Schultze
Kondschak mit Chrysi Taoussanis in »Krabat«.
Foto: Tonne/Karen Schultze

Auch bei literarischen Stoffen wie »Don Quijote« oder »Krabat«, die er fürs Theater bearbeitete, hatte Kondschak immer ein Auge für die Bühnenwirksamkeit. Am meisten lagen ihm, dem musikbesessenen Multiinstrumentalisten und Gesellschaftskritiker, aber die Revuen über die großen Individualisten der Rock-Pop-Geschichte. Unnachahmlich rückte er neben Gundermann auch Rio Reiser, Pete Seeger, John Lennon oder Bob Dylan in den Fokus. Eine seiner letzten Revuen galt Revolutionsliedern - auch da war er im Element.

Es wird wohl so schnell keiner mehr kommen, der mit solch unwiderstehlich schnoddrigem Charme eine kindlich-frei fliegende Fantasie mit hintersinniger Gesellschaftskritik und mitreißender Musik verbindet. Heiner Kondschak wird fehlen. (GEA)