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Tübingerin Klarmann Teil einer Schau zu Kunst und Klima in Venedig

Vom Neckar an den Canal Grande: Die Tübinger Künstlerin Anne-Christine Klarmann stellt derzeit in einem Palazzo in Venedig aus. Gemeinsam mit Berühmtheiten wie Gerhard Richter oder Antony Gormley. Zu tun hat das alles mit dem Klimawandel.

Blick in die Fondazione Prada bei der Künstler-Preview der Ausstellung »Everybody Talks About The Weather«.
Blick in die Fondazione Prada bei der Künstler-Preview der Ausstellung »Everybody Talks About The Weather«. Foto: Anne-Christine Klarmann
Blick in die Fondazione Prada bei der Künstler-Preview der Ausstellung »Everybody Talks About The Weather«.
Foto: Anne-Christine Klarmann

TÜBINGEN/VENEDIG. Wenn der Zufall einen guten Tag hat, werden die erstaunlichsten Dinge möglich. So zum Beispiel, dass die Tübinger Künstlerin Anne-Christine Klarmann Teil und Titelgeberin einer großen Kunstausstellung in Venedig wurde, zu der die größten Namen der Zunft gehören, von Gerhard Richter bis Antony Gormley.

Letztlich war es das Internet, das Klarmann jenen Auftritt zwischen Berühmtheiten von Weltrang verschafft hat. Die Fondazione Prada plante in Venedig eine Ausstellung begleitend zur dort laufenden Architekturbiennale. Der Klimawandel und seine Spiegelung in der Kunst sollte das Thema sein. Als Kurator beauftragte man Dieter Roelstraete. Der Niederländer mit Wohnsitz in Chicago, wo er Chefkurator am Museum of Contemporary Art ist, war im Leitungsteam der Documenta 14 von 2017.

Köpfe von drei Aktivistinnen

Roelstraete hielt Ausschau, was es an Kunst zum Thema Klima gab. Und stieß im Internet auf ein Werk von Klarmann. Ein leuchtend blauer Siebdruck mit den Köpfen dreier Aktivistinnen: Carola Rackete, Greta Thunberg und Judith Ellens. Und der Spruch: »Alle reden vom Wetter. Wir auch.« Der Name Klarmann dürfte dem Mann in Chicago nichts gesagt haben. Die Botschaft des Plakats umso mehr. Nicht nur, dass Roelstraete die Tübingerin einlud, ihren Siebdruck in der Schau in Venedig zu zeigen. Der Spruch darauf gibt der Ausstellung sogar den Namen. Allerdings auf Englisch, schließlich wurde internationales Publikum erwartet. »Wenn man mit dem Zug in Venedig ankommt, sieht man zwei große Plakate«, erzählt Klarmann. Eins zur Architekturbiennale, auf dem anderen steht in großen Lettern: »Everybody Talks About The Weather«.

Die Schau residiert in einem Palazzo direkt am Canal Grande, dem Sitz der Fondazione Prada in Venedig. Die Fondazione selbst ist eine von Miuccia Prada und Patrizio Bertelli, den Inhabern des Modekonzerns Prada, gegründete Stiftung samt Museum in Mailand. Dass die Schau zu Kunst und Klima geradehier in Venedig gezeigt wird, liegt nicht nur daran, dass die Fondazione hier in einem Palazzo residiert. Sondern an der Situation Venedigs, das vom Klimawandel besonders gefährdet ist. Die Lagunenstadt ist im Wortsinn vom Untergang bedroht.

Anne-Christine Klarmann vor dem Ausstellungsplakat am Palazzo der Fondazione Prada.
Anne-Christine Klarmann vor dem Ausstellungsplakat am Palazzo der Fondazione Prada. Foto: Anne-Christine Klarmann
Anne-Christine Klarmann vor dem Ausstellungsplakat am Palazzo der Fondazione Prada.
Foto: Anne-Christine Klarmann

Klarmanns Plakatmotiv ist die Parodie einer Parodie. 1966 hatte die Deutsche Bundesbahn mit dem Slogan geworben: »Alle reden vom Wetter. Wir nicht.« Die Kunststudenten Ulrich Bernhard und Jürgen Holfreter wandelten das Motiv 1968 für ein Wahlplakat des Sozialistischen Deutschen Studentenbunds ab. Nun prangten Marx, Engels und Lenin auf dem Plakat, der Spruch blieb der gleiche, das Motiv zierte unzählige Studentenbuden.

Nun also drei junge Aktivistinnen statt der drei alten Männer des Kommunismus. Carola Rackete steuerte 2019 aus Seenot gerettete Flüchtlinge trotz fehlender Genehmigung in den Hafen von Lampedusa. Greta Thunberg rief die »Fridays for Future«-Bewegung ins Leben. Und Judith Ellens gründete – übrigens zusammen mit Klarmanns Sohn Manuel – die Organisation »Eaternity«, die sich mit dem C02-Abdruck von Lebensmitteln beschäftigt. »Für mich sind das Heldinnen der Neuzeit«, sagt Klarmann.

Anne-Christine Klarmanns Plakatarbeit »Alle reden vom Wetter« wurde zum Titelgeber für die Schau in Venedig.
Anne-Christine Klarmanns Plakatarbeit »Alle reden vom Wetter« wurde zum Titelgeber für die Schau in Venedig. Foto: Anne-Christine Klarmann
Anne-Christine Klarmanns Plakatarbeit »Alle reden vom Wetter« wurde zum Titelgeber für die Schau in Venedig.
Foto: Anne-Christine Klarmann

Das Plakat selbst verdankt sich einem Stipendium Klarmanns in Salzburg. Dort hatte sie ein Atelier mit Siebdrucktechnik. Für Plakate ist der Siebdruck mit seinen satten Farbflächen prädestiniert. In ihrer Malerei arbeitet die Tübingerin meist mit abstrakten Motiven. »Ich stehe in der Tradition des Abstrakten Expressionismus, schon von meiner Generation her.« Allerdings ist sie selbst aktiv in Sachen Klima, geht auf Demonstrationen, um auf die Problematik aufmerksam zu machen. An der Straße festgeklebt hat sie sich noch nicht, obwohl sie die Motive der Aktivisten nachvollziehen kann.

Klarmann hat lange in Reutlinger gelebt, ihre Kindheit verbrachte sie in Freudenstadt im Schwarzwald, ihr Abitur machte sie in Riedlingen. Nach dem Studium der Kunst und Philosophie in Mainz studierte sie in Nürtingen an der Freien Kunstakademie Bildhauerei.

Monet und Caspar David Friedrich

In die Schau am Canal Grande bezog Roelstrate Werke lebender und historischer Künstler ein. Ein Sonnenaufgang auf See von Claude Monet gehört dazu - passend zu den Bootsflüchtlingen auf dem Mittelmeer. Caspar David Friedrichs Schiffswrack im Packeis ist dabei - Stichwort schmelzende Polkappen. William Turner natürlich, ein Meeresbild von Gustave Courbet. Meist sind das Replikate, ein Original ist das Wolkenbild von Gerhard Richter. Oder eine wolkenhafte Tuschearbeit von Antony Gormley.

Besonders beeindruckt hat Klarmann eine Videoarbeit von Theaster Gates. Ein Chor performt darin über das Wetter. Auch sehr eindrucksvoll: die Wandarbeit »Kinked Rain« von Pae White mit Goldfäden als Regen. Oder Goshka Macugas surreale Landschaft mit dem Titel »Who gave us a sponge to erase the horizon?« Also: »Wer gab uns einen Schwamm, um den Horizont wegzuwischen?«

Ausstellungsinfo

Die Ausstelllung »Everybody Talks About The Weather« ist noch bis 26. November 2023 in der Fondazione Prada, Ca‘ Corner della Regina, Santa Croce 2215, in Venedig zu sehen. Geöffnet ist täglich außer dienstags von 10 bis 18 Uhr. Zur Ausstellung ist eine rund 400 Seiten starke Publikation erschienen, die 80 Euro kostet. (GEA)

www.fondazioneprada.org/project/everybody-talks-about-the-weather

Dazu geben Tafeln Auskunft zum Klimawandel, zeigen, wo Dürren und Überschwemmungen drohen. In einer Bibliothek kann man zu Klima und Wetter recherchieren. Der Plan sei, so Klarmann, sich mit Kunst in die gesellschaftliche Debatte einzumischen.

Menü mit Kanalblick

Klarmann war mit ihrem Mann bei der Eröffnung vor Ort. Besonders die Pre-Preview nur für Künstler und Mitarbeiter hat sie beeindruckt. Samt siebengängigem Menü, das man in einem Fensterbogen des Palazzo einnehmen konnte, mit Blick über den Kanal. Beeindruckt hat sie auch, dass ihr die Crème der Kunstwelt dort ganz unabgehoben begegnet ist. Die Architektur und die Innenräume des Palazzo seien überwältigend. Wobei das Erdgeschoss bereits jetzt von Überflutung bedroht sei.

Der Künstler-Preview schloss sich eine weitere Preview für geladene Gäste an – das Schaulaufen der Prominenz. Ehe schließlich für die Allgemeinheit geöffnet wurde. Zu sehen ist die Schau noch bis 26. November. (GEA)