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Stimmliche Sternstunden: Das SWR3 New Pop Festival

An drei Tagen und Nächten stellten die Trendscouts von SWR3 in zwölf ausverkauften Konzerten die neuesten Entwicklungen der Popmusik vor. Fazit: Vor allem Frauenstimmen wie die der Soulröhren Raye und Olivia Dean prägten die 28. Ausgabe des New Pop Festivals und sorgten neben den energiegeladenen Auftritten von Sängerin Dylan und der Band Only the Poets für die musikalischen Highlights. Dagegen gab es etwas weniger der kostenlosen Star-Talks und das New Pop Spezial wurde zum Abschluss durch eine DJ Night mit Lari Luke und Twocolors ersetzt.

Die Londoner Sängerin Olivia Dean sorgte im atmosphärischen Theater Baden-Baden für eine stimmliche Sternstunde.
Die Londoner Sängerin Olivia Dean sorgte im atmosphärischen Theater Baden-Baden für eine stimmliche Sternstunde. Foto: Jürgen Spieß
Die Londoner Sängerin Olivia Dean sorgte im atmosphärischen Theater Baden-Baden für eine stimmliche Sternstunde.
Foto: Jürgen Spieß

BADEN-BADEN. Die Aussichten, einen gut dotierten Plattenvertrag zu ergattern, werden für Bands immer geringer: Woran das liegt? Es gibt immer mehr gute Bands und Interpreten und eine immer geringere Nachfrage nach CDs. Zudem hat die Musikindustrie ein abnehmendes Interesse daran, nationale Talente aufzubauen, oder es fehlt ihr schlicht am nötigen Kleingeld. Die SWR3-Scouts versuchen mit ihrem New Pop Festival dem entgegenzuwirken und puschen junge nationale sowie internationale Acts, indem sie ihnen »auf Europas größtem Radio-Festival eine Plattform bieten«, so SWR3-Programmchef Thomas Jung vor dem Konzert des deutschen Sängers Kamrad, der im Kurhaus gleich zum Festivalauftakt den »SWR3 New Pop Award« überreicht bekam und danach einen überraschend rockigen Auftritt hinlegte.

Auch die britische R&B-Sängerin Rachel Keen alias Raye ist noch ziemlich jung, aber ihr Repertoire atmet bereits eine Menge Soulgeschichte. Die Kontraste zwischen knackigem R&B und relaxten Midtempo-Nummern drohen bei der im Londoner Stadtbezirk Tooting geborenen Sängerin niemals im wohlklingenden Liebreiz an Schärfe zu verlieren. Und ihre Stimme überzeugt von Beginn an durch nuancenreiches Interpretieren und enormen Tiefgang. Dazu versteht es die 25-jährige Sängerin in unnachahmlicher Weise, das Publikum im Festspielhaus in ihren Bann zu ziehen. Nicht nur, dass sie eine sehr warme Ausstrahlung besitzt und viel lacht, auch die leisen, genau akzentuierten Elemente ihres Gesangs überzeugen. Zwischen den Songs erzählt sie charmante Geschichten über ihre Anfänge als Sängerin, über die Suche nach sich selbst und ihre musikalischen Wurzeln.

Die Sängerin Dylan sprühte bei ihrem Auftritt auf der eintrittsfreien Livebühne vor Power und Spielfreude.
Die Sängerin Dylan sprühte bei ihrem Auftritt auf der eintrittsfreien Livebühne vor Power und Spielfreude. Foto: Jürgen Spieß
Die Sängerin Dylan sprühte bei ihrem Auftritt auf der eintrittsfreien Livebühne vor Power und Spielfreude.
Foto: Jürgen Spieß

Der Londoner Sängerin Olivia Dean gelingt es ebenfalls gemeinsam mit ihrer Band, im atmosphärischen Theater Baden-Baden dieses spezielle Gemeinschaftsgefühl hinzukriegen, ohne auf banale Mainstream-Mechanismen zurückzugreifen: »Das könnte der nächste große Star werden«, freute sich Besucherin Claudia Buchwald aus Karlsruhe, denn Olivia Dean hat nicht nur eine ähnliche Stimme wie Amy Winehouse - die übrigens wie Ed Sheeran als noch unbekannte Interpretin ebenfalls beim New Pop Festival auftrat -, sie weiß sich auch als ausdrucksstarke Sängerin und Multinstrumentalistin zu inszenieren. Schließlich lieferte Dylan eine weitere stimmliche Sternstunde ab. Ihr energiegeladener Auftritt auf der eintrittsfreien Livebühne vor dem Kurhaus war an Power und Spielfreude kaum zu übertreffen, und wer am Stimmvolumen der ebenfalls aus London stammenden Sängerin zweifelte, wurde schnell eines Besseren belehrt. In ihrer Musik vereint sie Euphorie, Wut und Gefühl und lässt ihre Fans daran Teil haben.

Alles in allem also wieder ein hinreißendes Konzert-Wochenende, das nicht nur musikalisch - auch Kamrad, Cian Ducrot, Mimi Webb, James Arthur, Dermot Kennedy und vor allem die Band Only the Poets aus Reutlingens Partnerstadt Reading überzeugten - sondern auch und gerade atmosphärisch zum Spannendsten gehört, was das Ländle an Pop-Festivals zu bieten hat. (GEA)