TÜBINGEN. Ihre Stimme hat Kraft und Ausdruck, manchmal ist sie rau, funkig und provokativ, dann wieder soul- und bluesgetränkt mit einem langen Atem. Dabei fängt die kalifornische Sängerin die ganze Welt in Tönen ein, in ungezügelter Intensität, Lust und Power. Eine schwarze Stimme mit einem langen Nachhall in der Seele, die einem Gänsehaut-Momente beschert.
Judith Hill verstand es am Freitag bei dem vom Verein Jazz im Prinz Karl organisierten Konzert, ihr Publikum im ausverkauften Sudhaus mit einer abwechslungsreichen Funk,- Blues- und Soul-Melange um den kleinen Finger zu wickeln. Dazu trug vor allem die fulminante Stimme der ehemaligen Background-Sängerin von Anastacia und Robbie Williams bei. Kein Wunder, dass es den 480 begeisterten Besuchern, die teilweise nicht nur aus Reutlingen oder Stuttgart, sondern auch aus Freiburg oder München angereist waren, warm ums Herz wurde. Sie feierten das Energiebündel sowie ihre Begleitband mit der japanischen Mutter Michiko Hill (Keyboard), dem afroamerikanischen Vater Peewee Hill (E-Bass) sowie Drummer John Staten am Ende mit stehenden Ovationen.
Rockriff und soulige Ballade
Dabei ist die letzte Lebenspartnerin der verstorbenen Funk-Ikone Prince keine typische Soul-, Pop- oder Bluessängerin, und mit Jazz hat ihre Musik noch weniger zu tun. Sie kann mit ihrer kraftvollen Stimme in einer großen Arena, aber ebenso gut in einem Nachtclub oder Jazzclub auftreten. Die Stimme hört sich nicht einfach nach vielen Zigaretten, Whisky und Gefühl an, sondern ist eher mit der ihrer musikalischen Vorbilder Nina Simone oder Stevie Wonder zu vergleichen. Immer wieder driftet Hill musikalisch in andere Gefilde, spielt mit der E-Gitarre langgezogene Rockriffs oder auf dem Keyboard soulige Balladen, feuert gerappte Slogans ins Publikum, findet Funk-Rhythmen, die auch von ihrem Vater am E-Bass bevorzugt werden.
Mit ihrer Mischung aus Black Music, Blues, R&B und Pop sowie einer unterhaltsam verpackten Bühnenshow verstand es Judith Hill, eine emotionsgeladene Stimmung zu erzeugen. Trotz Bestuhlung tanzte gegen Ende der halbe Saal und die Luft im Sudhaus vibrierte förmlich. Eine geballte Ladung Soulpower und dazu ihre ausdrucksstarke Stimme bewiesen einmal mehr, dass das Anhören eines Albums das Live-Erlebnis niemals ersetzen kann. Als Judith Hill nach zwei Stunden und drei Zugaben die Bühne verließ, mussten viele erstmal tief durchatmen. (GEA)