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Spektakuläre Objekte von Stefan Rohrer im Schloss Mochental

Es sind einzigartige Objekte, die Stefan Rohrer in der Galerie Schrade auf Schloss Mochental bei Ehingen zeigt. Da spuckt ein Oldtimer schon mal sein Innenleben aus.

Bei Stefan Rohrer hat die »Ente« tatsächlich einen Schnabel - und spuckt ihr Innenleben aus.
Bei Stefan Rohrer hat die »Ente« tatsächlich einen Schnabel - und spuckt ihr Innenleben aus. Foto: Maria Bloching
Bei Stefan Rohrer hat die »Ente« tatsächlich einen Schnabel - und spuckt ihr Innenleben aus.
Foto: Maria Bloching

EHINGEN. Der Stuttgarter Bildhauer Stefan Rohrer findet es schön, dass er manche heimliche Liebe unter dem Deckmantel der Kunst ausleben darf. Wer also seine spektakulären Skulpturen betrachtet, bekommt gleichzeitig auch einen Einblick in die Persönlichkeit dieses zeitgenössischen Künstlers, dessen Faszination für das Automobil mit jedem Werk sichtbar wird. Für seine Bodenplastiken und Wandobjekte aus ausrangierten Autokarosserien, Motorrollern und Modellautos wurde er schon mehrfach ausgezeichnet. Dass sie nun im Schloss Mochental zu sehen sind, freut Galerist Ewald Karl Schrade, denn Rohrers Kunst hat national und international enorme Beachtung gefunden.

Ausstellungsinfo

Die Ausstellung "Skulpturen & Wandobjekte" von Stefan Rohrer ist bis zum 24. November in der Galerie Schrade im Schloss Mochental bei Ehingen-Kirchen zu sehen. Öffnungszeiten sind Mittwoch bis Samstag 13 bis 17 Uhr, Sonntag und Feiertage 11 bis 17 Uhr. (GEA)

Das Generieren von Kunstwerken aus verschiedensten Vehikeln hat sich als seine Handschrift manifestiert: Was Rohrer schafft, ist unverwechselbar. Seine Kunstwerke sind voller Geschichten. Sie berichten von der Freude und dem Rausch an der Geschwindigkeit. Von Emotionen, Träumen, Wünschen und Grenzerfahrungen. Von Risiko, Leichtsinn und der Dramatik des Augenblicks. Das Design wird zerlegt und formt sich zur Groteske. »Mir ist Ambivalenz sehr wichtig - und dass die Arbeiten etwas erzählen«, sagt Rohrer. Seine Skulpturen seien im Grunde lauter Kurzgeschichten: »Jedes Objekt schwingt zwischen hübsch, lustig, fröhlich, könnte aber auch eine ganz schlimme Sache sein: Kontrollverlust, Unfall, von den Zentrifugalkräften aus der Kurve geschleudert, zerfallen.«

Realität und Täuschung

Seine Arbeiten vereinen gleichermaßen Bewegung und Erstarrung, Realität und Täuschung, Spiel und Ernst. »Dualität ist entscheidend«, findet der Künstler, für den Autofahren Freiheit bedeutet und die Möglichkeit, Orte zu wechseln. Man erkaufe sich diese Freiheit allerdings durch die Gefahr einer Katastrophe. In seiner Kunst visualisiert er also den Rausch der Geschwindigkeit, Katastrophen eingeschlossen. Er zerlegt mit handwerklicher Präzision Karosserien, dehnt, streckt, verformt und erweitert sie mit enormer Finesse und ändert die Grundform der Fahrzeuge derart, dass sie zu ganz neuen, eigenständigen Objekten werden. Modellautos drehen kunterbunte Pirouetten und schleudern den Fahrer in schwindelerregende Höhen. Sie machen Temporausch und Kontrollverlust durch die Mischung aus Abstraktion und figurativer Darstellung sichtbar.

Vespas, vom Künstler zerlegt, gedehnt, geschlungen und neu zusammengesetzt.
Vespas, vom Künstler zerlegt, gedehnt, geschlungen und neu zusammengesetzt. Foto: Maria Bloching
Vespas, vom Künstler zerlegt, gedehnt, geschlungen und neu zusammengesetzt.
Foto: Maria Bloching

So zeichnen sich seine Arbeiten nicht nur durch ihre ästhetische Anziehungskraft aus, sondern auch durch eine tiefere emotionale Resonanz. Nichts ist zufällig, alles hat einen Sinn. Zunächst suggeriert der ausgewählte sattrote Lack, der glänzende Chrom und die namhafte Automarke Gesellschaftsstatus, Wohlfühlgefühl und Sicherheit. Doch schnell wird das freundliche Gesicht der Fahrzeugfront zur Grimasse. Dazwischen winden sich lange Bahnen, die sich schließlich um einen Laternenmasten wickeln. Der Künstler nutzt leuchtende Farben und komplexe Strukturen, um Emotionen und Stimmungen zu vermitteln. Die dynamische Komposition seiner Darstellungen ziehen den Betrachter mitten hinein in eine Geschichte, die mit rasanter Geschwindigkeit beginnt, in Zeitlupe übergeht und schließlich wie eingefroren an einem Punkt endet, an dem Blut fließen und ein Leben enden kann.

Versteckte Autoliebe

Rohrer, 1968 in Göppingen geboren, entdeckte als Jugendlicher seine Liebe zu Autos und auch sein Talent, diese zu zeichnen. Allerdings trieb ihn diese Leidenschaft aus Umweltschutzgründen in einen Zwiespalt, sodass er seine Liebe versteckte und Steinmetz wurde. Seit er sich als Künstler mit Fahrzeugen auseinandersetzt, balanciert er zwischen Humor und Ernsthaftigkeit, Komödie und Tragödie. Seine Werke wirken unter den kunstvollen Deckenornamenten und biblischen Bildern im Hubertussaal von Schloss Mochental besonders stark nach.

Im Außenbereich werden die Besucher von einer kultigen blauen »Ente« begrüßt. Was der Künstler aus dem Citroën 2CV gemacht hat, lehnt sich an das typisch schaukelnde Fahrverhalten des Wagens an, der beim abrupten Halt sein Innenleben durch den in die Länge gezogenen »Entenschnabel« ausspuckt und dabei Lenkrad und Sitze durch die Fliehkraft nach oben katapultiert. Scheinwerfer, Vorderräder und Motor des mit abgehobenem Hinterteil im Schwung erstarrten Gefährts folgen der weiten Kurve der Bewegungslinie. Die Kunst von Stefan Rohrer ist eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit Menschlichkeit und Gesellschaft. In einer Zeit, in der die Verbindung zwischen Kunst und Leben zunehmend an Bedeutung gewinnt, ist er ein bedeutender Akteur in der zeitgenössischen Kunstszene. (GEA)