REUTLINGEN. Natur als Ort farbfunkelnder Legenden war das Thema beim Auftritt des Sinfonieorchesters Neckar-Alb (SinfoNeA) am Samstagabend. Die Reutlinger Kreuzkirche, vom Orchester als Auftrittsort neu entdeckt, bot dafür einen stimmungsvollen Rahmen. Vermittelte Nähe zum eindrucksvoll großen Klangkörper, brachte das Farbenspiel der Klänge zum Leuchten.
So tauchte man ein in eine Waldsphäre voller Mythen und Legenden. Entrückter Hörnerglanz empfängt den Hörer in Carl Maria von Webers Ouvertüre zum »Freischütz«. Schon raunt Dämonisches in tiefen Klarinetten, Celli, Kontrabässen. Schicksalhaftes bahnt sich an, fiebrig preschen die Geigen voran, ehe der Liebesruf der Klarinette die Wogen glättet. Welch Glanz und Tempo! Welch Spiel von Farben und Dramatik unter der klaren Stabführung von Michael Braunger!
Hornkonzert von Richard Strauss
Im ersten Hornkonzert des jungen Richard Strauss wird der Hörer an der Seite des Solisten zum Waldbader. Christoph Eß, Solohornist der Bamberger Symphoniker, ist dafür in die alte Heimat zurückgekehrt. Voll funkelnder Leichtigkeit galoppiert er im ersten Satz durch Strauss' orchestrale Forstfantasien. Zum Dahinschmelzen die weitgespannten Melodiebögen im Mittelsatz: unendlich fein ausschattiert, von den Holzbläsern sanft umspielt. Dann schwingt sich Eß wieder auf voll raumgreifender Kraft. Ehe es im Finale locker-spritzig zur Jagd geht, von Vogelrufen der Flöten umzwitschert. Famos, wie eng Dirigent Braunger das Orchester am Solisten hält.
Fünfte Sinfonie von Sibelius
Jean Sibelius wiederum verbindet in seiner fünften Sinfonie das Märchenhafte der Natur mit dem Schroffen, das auch in ihr steckt. Auch hier beginnt alles mit einerm leuchtenden Hörner-Idyll. Doch dann raunt es Dunkel und die Streicher weben ein fahles Gespinst, in dem das Fagottsolo von Martin Haardt lauert wie die Spinne im Netz. Natur als wilder Urgrund, aus dem Fetzen von Walzerlust hochsprudeln.
Auch im zweiten Satz, nun intimer, durchsichtiger, gestalten die Musiker unter dem präzisen Dirigat Braungers plastisch das sibeliustypische Ineinander von Wildnis, Waldmärchen und Dorfanklängen. Feine Wechselspiele erlebt man da, Motive, die flüssig hin und her springen zwischen den Instrumentengruppen. Die Bratschen haben im Finale ihren furiosen Auftritt, lassen dörflichen Tanzboden beben. Die Geigen tupfen bogenfedernd luftige Texturen. Bis das berühmte Schwanenthema die Führung übernimmt, in den Holzbläsern, den Blechbläsern, am Ende als alles überstrahlende Tutti-Brandungswelle. Pracht und Schroffheit nordischer Natur in Tönen. Großes Klangkino. (GEA)