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»Sehnsucht Natur«: Holzschnitt-Museum Öschingen zeigt Herzer-Bilder

Für viele ist er ein Mann der zwei Welten: Mal arbeitet der Künstler Klaus Herzer abstrakt, mal zeigt er Landschaften. Dass beides nicht zu trennen ist, zeigt nun die Ausstellung »Sehnsucht Natur« in Öschingen.

Kurator Clemens Ottnad vor Klaus Herzers Holzschnitt »Abendstund« im Öschinger Holzschnitt-Museum.
Kurator Clemens Ottnad vor Klaus Herzers Holzschnitt »Abendstund« im Öschinger Holzschnitt-Museum. Foto: Armin Knauer
Kurator Clemens Ottnad vor Klaus Herzers Holzschnitt »Abendstund« im Öschinger Holzschnitt-Museum.
Foto: Armin Knauer

MÖSSINGEN-ÖSCHINGEN. Alles feiert Caspar David Friedrich - Öschingen feiert Klaus Herzer. Der hat in diesem Jahr zwar nicht seinen 250. Geburtstag, aber immerhin den 92., was auch eine stolze Zahl ist. Außerdem gibt es zwischen beiden Parallelen, wie Kunsthistoriker Clemens Ottnad findet. So ist bei beiden Landschaft nie bloß Landschaft, sondern immer auch Spiegel seelischer Zustände.

Ottnad hat als Gastkurator die neueste Klaus-Herzer-Sonderschau zusammengestellt, die bis September nächsten Jahres im Öschinger Holzschnitt-Museum zu sehen ist. »Sehnsucht Natur« ist der Titel. Das könnten Herzer wie Friedrich unterschreiben. Zumal in der Sehnsucht das Seelische drinsteckt.

Ausstellungsinfo

Die Ausstellung »Sehnsucht Natur« mit Holzschnitten und Monotypien von Klaus Herzer wird am Donnerstag, 17. Oktober, um 19.30 Uhr im Holzschnitt-Museum Klaus Herzer, Obergasse 1 in Öschingen, eröffnet. Geöffnet ist bis 28. September 2025 jeweils sonntags von 14 bis 17 Uhr und nach Vereinbarung (Tel. 07473-6339). (GEA)

Selbst zu seinem Museum hochzuklettern, strengt den Grandseigneur der Druckkunst mittlerweile zu sehr an. Digital hat er sich aber über Ottnads Bilderauswahl informiert - und sie für gut befunden. Mit Ottnad hat Herzer bereits zusammengearbeitet, als dieser noch Kurator am Kunstmuseum Albstadt war, also vor über dreißig Jahren. Herzer hat dort Druckkurse gegeben. »Wie er die Kinder und Jugendlichen begeisterte, war beeindruckend«, erzählt Ottnad.

Zwei Seiten einer Medaille

Ottnads Idee bei der Ausstellung: die Sicht auf Herzer als einen »Künstler der zwei Welten« aufzubrechen. Viele sehen in Herzer einen, der entweder modern oder traditionell arbeitet, also entweder abstrakt oder landschaftlich. Herzer wie Ottnad finden diese Trennung künstlich. »Beide Seiten bedingen sich«, betont der Kurator.

Zum Beweis hat er gleich zur Begrüßung zwei Bilder aufgehängt, in denen Landschaft und Abstraktion nahtlos ineinander fließen. Das eine zeigt eine winterliche Alblandschaft. Aber so reduziert auf wenige Flächen und Linien, dass die Abstraktion nur noch einen Atemzug entfernt ist.

Landschaftsmalerei von Klaus Herzer von 1982: Abstrahierende Tendenzen sind bei ihm früh erkennbar.
Landschaftsmalerei von Klaus Herzer von 1982: Abstrahierende Tendenzen sind bei ihm früh erkennbar. Foto: Armin Knauer
Landschaftsmalerei von Klaus Herzer von 1982: Abstrahierende Tendenzen sind bei ihm früh erkennbar.
Foto: Armin Knauer

Das andere Bild verbreitet ein auf den ersten Blick unansehnliches Grau-in-Grau. Beim zweiten Hinschauen verblüfft es. Geht der Betrachter davon aus, es handle sich um ein abstraktes Bild, wird er nichts als verschlungene Streifen sehen. Geht er davon aus, er habe eine Landschaft vor sich, wird sein Blick in die Hügel eines Albpanoramas eintauchen. Sogar die Wacholderbüsche sind da. Es liegt am Betrachter, was das Bild zeigt. Er komponiert mit, kann gar nicht anders. Dass Klaus Herzer ihn an diesen Punkt führt, macht ihn ungemein modern.

Aquarellartige Monotypien

Es sind nur wenige Räume und wenig mehr als 20 Bilder. Doch sie genügen, um Herzers Gratwanderung zwischen Abstraktion und Figuration zu demonstrieren. Im ersten größeren Raum ist die Alb noch mit konkreten Schauplätzen präsent. Eine aquarellartig duftige Monotypie führt in zarten Weiß-, Blau- und Grautönen ins fast tänzerische Formengewoge des Schwarzwalds. Holzschnitte nehmen den Albtrauf in den Blick, mancher Einheimische wird den Ort benennen können.

Und doch löst sich bereits hier die Landschaft in Abstraktion auf. Die Holzmaserung der Druckplatte lässt mal das Schrundige des Albbodens greifbar werden, mal verkörpert sie die Spiegelungen im Wasser der schwedischen Schärenlandschaft. Große Flächen lockert Herzer auf, indem er den Farbauftrag auf der Druckplatte variiert. Zarte Farbverläufe gelingen ihm so, die einer Abenddämmerung eine malerische Poesie verleihen.

Streifen oder abstrahierte Landschaft? Holzschnitt von Klaus Herzer in seiner Ausstellung »Sehnsucht Natur« im Holzschnitt-Museu
Streifen oder abstrahierte Landschaft? Holzschnitt von Klaus Herzer in seiner Ausstellung »Sehnsucht Natur« im Holzschnitt-Museum in Öschingen. Foto: Armin Knauer
Streifen oder abstrahierte Landschaft? Holzschnitt von Klaus Herzer in seiner Ausstellung »Sehnsucht Natur« im Holzschnitt-Museum in Öschingen.
Foto: Armin Knauer

Im nächsten Raum berühren sich Abstraktion und Landschaft direkt. Streifenbilder treten als geometrische Farbfeldkompositionen vor den Besucher - und lassen doch Vorstellungen von Horizonten aufsteigen. Bewusst hat Ottnad ein solches Streifenbild zwischen zwei Fenster gehängt - blickt man hinaus, so erkennt man die Strukturen des abstrakten Bildes beim Blick über die Dächer zur grasbewachsenen Anhöhe wieder.

Hinaus ins Kosmische

Der letzte Raum führt ins Kosmische, wo bereits der reale Raum zur Abstraktion wird. Sonne, Himmel und Erde werden zum Dreiklang leuchtender Farbfelder in Orange, Blau und Grün. Eine Serie kleiner Holzschnitte mahnt, dass wir uns unserer Kleinheit bewusst werden. Ob der Blick hier von der Erde aus auf den Mond fällt oder vom Mond aus auf die Erde, ist nicht unterscheidbar. Die »Sehnsucht Natur«, sie wird am Ende zur Sehnsucht nach der Einheit mit dem All-Ganzen. (GEA)