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Schokokuchen fürs Herz

STUTTGART. Wenn eine Frau besonders toll aussieht, lange Beine auf hohen Absätzen, ein fast zu kurzes Kleid, die Schultern umhüllt von einem Cape aus seidigen Haaren, dann sollte man eigentlich drauf wetten, dass Frauen etwas schmallippig auf die Gute reagieren. Anders bei Rebekka Bakken. Die norwegische Songwriterin stand am Samstagabend auf der Stuttgarter Theaterhaus-Bühne wie ein wahr gewordener Männertraum, aber die Herzen, die ihr knapp zwei Stunden lang bis zu den Standing Ovations zuflogen, gehörten gleichermaßen Männern wie Frauen.

Woran das liegt? Vermutlich daran, dass die 40-Jährige für viele Frauen eine Schwester im Geiste ist. Eine, die mit spürbarer Verzückung von Schokoladenkuchen schwärmt. Die ständig an diesem sexy Kleidchen zupft wie ein unentspannter Teenie und irgendwann lachend mault, das Ding sei zu Beginn der Tournee ja wohl noch länger gewesen. Die über peinliche Erinnerungen jahrelang grübelt und von ihrem Vater so er-zählt, dass man spürt, es war nicht einfach. Vor allem aber liegt es wohl daran, dass auch ihre wirklich hinreißende Optik Rebekka Bakken nicht viel bringt. Viel zu viele ihrer Songs künden von Liebeskummer, vom Verlassen und Verlassenwerden. Und wenn ein Liebeslied mal euphorisch klingt, sagt sie schon vorab: Auch diese Ewigkeit habe damals nur drei Wochen gedauert, immerhin schöne drei Wochen.

Gläserner Klangteppich

Vier gut gekleidete Männer hatte sie mitgebracht, die tolle Soli hinlegten und ansonsten den gläsernen, energiegeladenen Klangteppich zauberten für diese Stimme, die so eindringlich und betörend, so wandlungsfähig und doch unverwechselbar ist. Bakken stellte ihr viertes Solo-Album »Morning Hours« fast komplett vor, es enthält mehr Blues und Folkpop als die jazzigen Vorgänger. Sie schaffte es, sanfteste Balladen komplett kitschfrei und umso wirkungsvoller zu singen. Ein Zuhörer wisperte seiner Begleiterin zu: »Jetzt hab ich Gänsehaut bis ins Gesicht.«

Endgültig herzergreifend wurde es, als sie von ihrer Verehrung für den Liedermacher Ludwig Hirsch erzählte und auf Österreichisch sang: »Bist traurig? A bissl traurig? Du, des macht nix. Setz di afoch hin und horch ma zua.« Ein paar eigene Oldies streute sie auch dazwischen. »Why do all the good guys get the dragons?«, das fragt sie sich ja schon lang. Inzwischen outet sie sich in schönster Selbstironie als Drachen: Auch sie schubse Männer herum und sage ihnen, dass sie zu nichts nütze sind. Aber wer könnte ihr das übel nehmen? (GEA)