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Salzburg an der Echaz: Belcea Quartet und Simply Quartet im Kammermusikzyklus

Gipfelwerke der Kammermusik brachten das Belcea Quartet und das Simply Quartet im Reutlinger Kammermusikzyklus zu Gehör. Ein Erlebnis.

Vereint beim Mendelssohn-Oktett und hier beim Schlussapplaus: Das Belcea Quartet und das Simply Quartet im kleinen Saal der Reut
Vereint beim Mendelssohn-Oktett und hier beim Schlussapplaus: Das Belcea Quartet und das Simply Quartet im kleinen Saal der Reutlinger Stadthalle. Foto: Jörg Riedlbauer
Vereint beim Mendelssohn-Oktett und hier beim Schlussapplaus: Das Belcea Quartet und das Simply Quartet im kleinen Saal der Reutlinger Stadthalle.
Foto: Jörg Riedlbauer

REUTLINGEN. Für den Veranstalter eines Streichquartett-Abends dürfte es kaum eine brenzligere Situation geben, als wenn ganz kurzfristig gleich beide Violinspieler krankheitsbedingt ausfallen. Doch die Professionalität des Managements und zwei Einspringer retteten den Abend im Reutlinger Kammermusikzyklus, bei dem sich nach der Pause das junge Simply Quartet mit dem schon arrivierten Belcea Quartet für Felix Mendelssohn Bartholdys Es-Dur-Oktett zum achtköpfigen Ensemble verbanden.

Aber was heißt in diesem Zusammenhang »Einspringer«? Statt Axel Schacher und Corina Belcea übernahmen Wojciech Koprowski und Sarah Christian die beiden Geigenpulte im Belcea Quartet. Koprowski konzertiert weltweit an ersten Häusern in London, Amsterdam oder Hamburg. Christian errang die Auszeichnung »Best String Player of the Year«, gewann unter anderem den renommierten ARD-Musikwettbewerb und ist mittlerweile Professorin an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart.

Emphatisch und zugleich feurig

Die genauso leidenschaftliche wie mitreißende Spielfreude dieser Konzertmeisterin steckte im Mendelssohn-Oktett die übrigen Kollegen/innen an. Herrlich emphatisch und zugleich feurig geriet schon der hinreißend phrasierte Eingangssatz, in dem Christian noch in höchsten Höhen ihr Instrument zum Singen brachte. Innig strömte das schön ausgeformte Andante. Leichthändig perlte das Scherzo mit seinem verspielten Motivgeflecht. Genauso großartig: Der energiegeladene Cello-Einstieg ins Finale, exzellent an den anderen Pulten aufgegriffen und minutiös ausgearbeitet in seinem Figurenwerk.

Vor der Pause sollten ursprünglich die beiden Ensembles einander abwechseln. Das jüngere war für Joseph Haydns op. 77/I vorgesehen, das arriviertere für das erste Quartett von Béla Bartók. Die Umbesetzung an den Violinen eröffnete die Chance für das Simply Quartet, sich mit beiden Komponisten zu profilieren, wobei sie von Bartók das noch anspruchsvollere vierte Streichquartett aufführten.

Pulsierend und vorwärtsdrängend

Der Haydn wurde tendenziell kurzbogig phrasiert, was ihm genauso gut bekam wie die akzentuierte Kontrastfreude und das durchgängig spürbare, vorwärtsdrängende Pulsieren. Das Adagio erwies sich in seinem Unisono-Einstieg klanglich perfekt balanciert. Das Menuett interpretierten sie zu Recht als Scherzo mit angemessen geschärftem Trio-Teil, und im Finale erklangen die delikaten kleinzelligen Motive mit Brillanz.

Mit dem Bartók erklomm das Simply Quartet souverän den zweiten Gipfel. Konturenscharf und spannungsreich wurden im Eingangs-Allegro die rhythmischen Triebkräfte entfaltet und die Kontrastbildungen auf engstem Raum realisiert. Das Prestissimo wirkte wie eine atemlose Flucht, hatte zudem etwas abgründig Geisterhaftes. Hauchzart wurden die leisen Töne im langsamen Satz ausgelotet und subtil die dichten Klangbänder ineinandergefügt. Der vorletzte Satz entfaltete mit den berühmt gewordenen »Bartók-Pizzicati«, bei denen die Saiten so mit dem Fingernagel angerissen werden müssen, dass sie hart aufs Griffbrett zurückschlagen, seine Perkussivität, und im Finale ließ das Quartett der stampfenden und peitschenden, ungarischen Bauernliedern nachempfundenen Urmusikantik, den vollen Lauf. Fulminant! An diesem Konzertabend lag Salzburg an der Echaz. (GEA)