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Aktuell Klassik

Ruhelosigkeit mündet in Harmonie

Kantorei Sickenhausen/Degerschlacht, RKO und Stuttgarter Figuralchor mit Schubert-Werken im Storlach

Dirigentin Kristina Pfeffer, der Chor der Petrus- und Pauluskirche Sickenhausen/Degerschlacht, der Figuralchor der Gedächtniskir
Dirigentin Kristina Pfeffer, der Chor der Petrus- und Pauluskirche Sickenhausen/Degerschlacht, der Figuralchor der Gedächtniskirche Stuttgart, das Reutlinger Kammerorchester und die Solisten nach der Aufführung von Schuberts Es-Dur-Messe im Storlach. FOTO: VÖLKER
Dirigentin Kristina Pfeffer, der Chor der Petrus- und Pauluskirche Sickenhausen/Degerschlacht, der Figuralchor der Gedächtniskirche Stuttgart, das Reutlinger Kammerorchester und die Solisten nach der Aufführung von Schuberts Es-Dur-Messe im Storlach. FOTO: VÖLKER

REUTLINGEN. Einen »wunderschönen Schubert-Abend« wünschte die Chorsängerin Andrea Vetter den Zuhörern in der Reutlinger Kirche St. Peter und Paul im Storlach zum Konzertbeginn. Denn auf dem Programm standen Franz Schuberts Sinfonie in h-Moll, die unter dem Namen »Die Unvollendete« bekannt ist, sowie dessen Messe in Es-Dur. Unter der Leitung von Kristina Pfeffer musizierten das Reutlinger Kammerorchester, der Chor der Petrus- und Pauluskirche Sickenhausen/Degerschlacht sowie der Figuralchor der Gedächtniskirche Stuttgart.

Den Beginn des Konzerts gestaltete das Kammerorchester mit der »Unvollendeten«. Franz Schubert begann 1822 mit der Komposition dieser Sinfonie. Aufgrund einer Auftragsarbeit schrieb er allerdings nicht daran weiter. Ob und wie Schubert dieses Werk weiterkomponiert hätte, ist bis heute umstritten.

Kontrastreiche Sinfonie

Dunkel ist der Beginn der Sinfonie. Ohne Einleitung wird eine unheilvolle Atmosphäre über die Zuhörer gespannt, bis eine heitere Melodie erst in den Celli erklingt, die dann von den Geigen aufgegriffen wird. Schon kurz darauf wird diese romantische Melodie von harschen Akkorden durchbrochen. Wie in einem Gedankenfluss, bei dem über eine Entscheidung nachgedacht wird, wechseln sich heitere Themenabschnitte und finstere Orchesterklänge ab. Das Reutlinger Kammerorchester bot den Zuhörern ein nuanciert gespieltes Klangerlebnis, in dem die unterschiedlichen Themen beeindruckend zur Geltung kamen.

Aber nicht nur von gegensätzlichen Melodien ist dieser erste Teil der Sinfonie geprägt, sondern auch von ungleichartiger Harmonik und Rhythmus und wechselnden Stimmungen. Es scheint, als wollten sich die immer wiederkehrenden Themen entwickeln, unterbrechen sich gegenseitig jedoch und bleiben nie mehr als Fragmente. Durch die immer wiederkehrenden Orchesterschläge kehrt keine Ruhe ein. Sobald man glaubt, dass eine Melodie weitergeführt wird und der Zuhörer zur Ruhe kommen kann, wird sie unterbrochen.

Der zweite und damit letzte Satz steht nicht im starken Kontrast zum ersten, wie man es von einer Sinfonie erwarten könnte. Vielmehr scheint er die Spannungen des ersten Satzes aufzugreifen und schließlich eine tröstende Wendung zu nehmen. Im Gegensatz zum ersten endet der zweite mit friedlichen Klängen. Vom differenziert spielenden Orchester war das packend und berührend umgesetzt.

Eindringliche Friedensbitte

Das zweite große Werk des Abends bestritten das Kammerorchester und rund 70 Sängerinnen und Sänger der zwei Chöre gemeinsam. Die Es-Dur-Messe ist Schuberts längste Messe und ist nie zu seinen Lebzeiten aufgeführt worden. Chor und Orchester boten den Zuhörern ein gewaltiges Klangerlebnis.

Der Chor sang das Kyrie leidenschaftlich, und unterstützt von den Solisten im Chor ergab sich gemeinsam mit dem Orchester ein ausgewogener Klang. Fugeneinsätze im Gloria sang der Chor sicher und getragen, durch das Orchester entwickelte sich eine freudige Klangfarbe.

Die Messe endet mit der Friedensbitte »Dona nobis pacem«. Der Chor begann mit homofonem Einsatz und sang sehr eindringlich. Mit den Solisten Nora Hagen, Asuka Santurrii, Jakob Straubenmüller und Walter Simon (weiterer Solist des Abends war Nico Ploner) wechselte sich der Chor ab und führte die Messe zu einem tröstenden Ende, das keinen Zweifel daran ließ, dass die Versöhnung der vorangegangenen musikalischen Gegensätze voll und ganz geglückt war. (GEA )