Logo
Aktuell Filmkultur

Ringen um das Stuttgarter Metropol

In einem der ältesten Kinos Stuttgarts soll eine Kletterhalle entstehen. Dagegen regt sich Widerstand

So sah der Alte Stuttgarter Bahnhof um 1910 aus. Nach dem Ersten Weltkrieg zog hier das Kino ein.  FOTO: WIKIPEDIA
So sah der Alte Stuttgarter Bahnhof um 1910 aus. Nach dem Ersten Weltkrieg zog hier das Kino ein. FOTO: WIKIPEDIA
So sah der Alte Stuttgarter Bahnhof um 1910 aus. Nach dem Ersten Weltkrieg zog hier das Kino ein. FOTO: WIKIPEDIA

STUTTGART. Anfang November letzten Jahres wurde bekannt, dass die EM-Filmtheaterbetriebe Mertz GmbH & Co. KG das traditionsreiche Stuttgarter Metropol-Kino zum 31. Dezember schließen. Seitdem gehen die Wogen in der Landeshauptstadt hoch; erst recht, nachdem die Union Investment, die Vermieterin des denkmalgeschützten Hauses in der Bolzstraße, Mitte Januar bekannt gab, dass sie künftig an die Element Boulders GmbH, einen Betreiber von Kletterhallen verpachten möchte. Jetzt üben sich die unmittelbar an den Vorgängen beteiligten Parteien in gegenseitigen Schuldzuweisungen, zahlreiche Akteure des Kulturlebens haben sich zu Wort gemeldet.

Die Betriebstemperatur der Kontroverse ist hoch. So äußerte Stuttgarts Kulturamtsleiter Marc Gegenfurtner in einem TV-Interview, er habe sich frühzeitig für Lösungen eingesetzt, um eine Fortsetzung des Kinobetriebs zu gewährleisten, viele Gespräche dazu geführt und fühle sich nun angesichts des Kommunikationsgebarens der Union Investment »verarscht«.

Die Nerven scheinen jedenfalls bei vielen Beteiligten blank zu liegen: Am Telefon mag sich kaum noch jemand zur Metropol-Schließung äußern, lediglich Sebastian Selig steht uns für ein fernmündliches Statement zur Verfügung. Auf seiner Facebook-Seite »Rettet das Metropol« formiert sich der Unmut der Stadtgesellschaft: Die Stimmen reichen von »Sofort enteignen!« über »Ein Trauerspiel« bis zu »Immerhin keine Shisha-Bar und kein Wettbüro«. Dass hier nicht nur die Stuttgarter Wutbürgerseele kocht, glaubt auch Selig: »Der Protest ist schon sehr breit.« Immerhin verzeichne seine »Rettet das Metropol«-Seite bereits über 13 000 Abrufe. »Man kann also nicht sagen, dass hier nur eine kleine Arthouse-Kino-Blase um den Erhalt ihrer Lieblingsspielstätte kämpft.«

Premiere mit Errol Flynn

Das Ausmaß der allgemeinen Bestürzung dürfte auch damit zusammenhängen, dass das Metropol nicht irgendein Kino in irgendeiner innerstädtischen Liegenschaft ist: Das Lichtspieltheater residiert hinter der Fassade des ehemaligen Stuttgarter Zentralbahnhofs und hat nicht nur rauschende Feste wie den Besuch von Errol Flynn erlebt, der 1953 zur Premiere von »Gegen alle Flaggen« anreiste, sondern besitzt auch als Festivalkino eine herausragende Funktion in der Stuttgarter Kulturlandschaft. Kurzum: Das Haus gilt nicht nur unter Cineasten als traditioneller Hort der Filmkunst. Mit seiner Schließung verliert Stuttgart einen bedeutenden Ort der Filmkultur mit einzigartiger Geschichte.

»Wir hätten unseren langjährigen Mieter gerne behalten«, beteuert die bei der Union Investment für Kommunikation zuständige Marketing-Managerin Astrid Lipsky. Doch leider habe dieser nicht an eine wirtschaftliche Erholung der Branche geglaubt, weshalb der ursprünglich bis Ende 2022 laufende Vertrag vorzeitig aufgelöst wurde. Eine angebotene Mietreduktion sei seitens der EM-Filmtheaterbetriebe abgelehnt worden. Wie das Entgegenkommen der Union Investment konkret aussah, möchte man allerdings nicht preisgeben. Lieber wiederholt man stattdessen den Hinweis auf die Bedrohung der Kinobranche durch die Streamingdienste.

Dass mindestens ein weiterer Interessent für die Weiternutzung als Kino bereitstand, bestätigt Lipsky. Jedoch: »Die erste Kontaktaufnahme des Betreibers vom Traumpalast fiel ungefähr in den Zeitraum der mieterseitigen Vertragsunterzeichnung.« Die Stadt Stuttgart habe zwar ihren Wunsch nach einer zukünftigen Kinonutzung bekräftigt, aber keine konkreten Zusagen gemacht. Auf das Angebot, die Fläche selbst anzumieten und an einen Kinobetreiber unterzuvermieten, sei die Verwaltung nicht eingegangen. Auch eine langfristige finanzielle Unterstützung eines Kinobetreibers habe die Stadt abgelehnt. Die stellt den Sachverhalt wiederum ein wenig anders dar: Man habe durchaus die Möglichkeit einer finanziellen Unterstützung von Kinobetreibenden für Festivals und Projekte des Vereins Haus für Film und Medien »signalisiert«, heißt es aus dem Referats Allgemeine Verwaltung, Kultur und Recht.

Früher ein städtisches Gebäude

Die Anfrage der Stadt hinsichtlich einer Kaufoption sei von der Union Investment indes abschlägig beschieden worden. »Das Kulturamt wird weiterhin im Benehmen mit allen erforderlichen Behörden für einen kulturell geprägten Betrieb kämpfen. Mehr denn je sehen wir, wie wichtig die Denkmalschutzwürdigkeit für private Kulturimmobilien ist«, lässt Gegenfurtner wissen. Die Pointe daran: Vor 30 Jahren befand sich das ehrwürdige Gebäude noch im Besitz der Stadt, bevor es sich nach einer Reihe von Transaktionen im Portfolio der Union Investment wiederfand.

Ist das Metropol noch zu retten? Die Hoffnungen ruhen auf unterschiedlichen Schultern: Denkmalschutzauflagen könnten den Kletterhallenbetreiber zum Ausstieg bewegen, der designierte OB Frank Nopper, dem hervorragende Beziehungen zur Volksbank, einem der Anteilseigner der Union Investment, nachgesagt werden, könnte seinen Einfluss geltend machen. Als die Element Boulders GmbH am Montag dieser Woche ihr Konzept im Rathaus vorstellte, protestierten über 100 Demonstranten auf dem Marktplatz gegen diese Pläne. Ihre Forderung: das einzigartige Kino als Kino und Kulturdenkmal zu erhalten. Eine entsprechende Online-Petition hat bereits mehr als 1 600 Unterzeichner gefunden. (GEA)