STUTTGART. »Heute sind vier Einhörner aus der Wilhelma ausgebrochen.« So kündigt die Band ok.danke.tschüss um die Ex-Tübingerin Eva Sauter ihren Auftritt in Stuttgart an. »Einhorn-Rock« ist die Selbstbeschreibung ihres Musikstils. Die Fans gehen mit - physisch in Form von Einhorn-Köpfen. Inhaltlich, weil der Begriff das Lebensgefühl der überwiegend jungen, studentischen Zielgruppe trifft: Um sich eine gute Zukunft vorstellen zu können, braucht man schon sehr viel Fantasie. Aber die hilft zugleich, um in der Gegenwart Spaß zu haben.
Also her mit dem Einhorn-Spirit: ok.danke.tschüss singen über Krieg und Frieden und gegen Konsum und Kapitalismus, aber in einem Ton des fröhlichen Ernsts: Man lässt sich von der Lage nicht das Feiern vermiesen. Musikalisch kommt das durchgehend locker-poppig daher, mit vielen Anleihen beim Synthie-Stil der 80er, sodass man sich schon entscheiden muss: Sich treiben lassen und tanzen? Oder alle Augen und Ohren auf Sängerin Eva Sauter und die tiefgründigen, aber schnell rausgehauenen Texte?
Tanz auf dem Vulkan
Macht man letzteres, fällt einem zum Beispiel auf, dass der Titel »Böses Mädchen« – zu dessen Beat man wunderbar die Haare schütteln kann – eigentlich von den Krisen unserer Zeit und der Lust der Menschheit an der Selbstzerstörung handelt. Passend zum Album-Titel »Kaputt, weil’s nicht funktioniert«. Tanz auf dem Vulkan, im wahrsten Sinne. Es geht zwar auch ne Nummer kleiner – Lieder über unverbindliche Dates, obwohl man sich doch eigentlich eine Beziehung wünscht; über soziale Arroganz am Beispiel von Kunstverständnis (nimm dies, Schnösel: »Ich hab‘ ein Ohr mehr als Vincent van Gogh!«). Manchmal wird es sogar gaga, wenn Eva Sauter zu einer Art Impro-Theater aufruft und aus zugerufenen Begriffen einen Rap macht: »Seifenblasen, Amboss, Schimmelflecken« – reife Leistung, darauf im Rhythmus zu bleiben mit einem Text, der halbwegs Sinn ergibt.
Aber das sind Verschnaufpausen zwischen den großen Brocken: Sexismus, Krebs (»ist eine Bitch«) und der Sehnsucht nach einem neuen Normal, in dem das Anderssein selbstverständlich ist. Hinten raus wird es dann auch musikalisch etwas härter, punkiger. Als wollte die Band zu den Verhältnissen tatsächlich sagen »ok.danke.tschüss« - aber vorher noch eine Abrissparty machen. Dazu passend fordern sie zur Zugabe »Verrückt« das Publikum auf, sich mit einer »Wall of death« gegeneinander zu werfen. Eva Sauter singt über Psychotherapie, aus dem Off fragt eine monotone Stimme: »Wie ist das Verhältnis zu Ihrer Mutter?« - und die Menge rauft sich in Ekstase. (GEA)