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Philharmonia Chor: Ein wohlklingender Organismus

Der Philharmonia Chor feiert mit Rossinis »Petite Messe Solennelle« in der Wolfgangskirche sein 25-Jähriges

Belcanto trifft Sakralmusik: Der Philharmonia Chor Reutlingen beim Konzert zu seinem 25-jährigen Bestehen mit Rossinis Petite Me
Belcanto trifft Sakralmusik: Der Philharmonia Chor Reutlingen beim Konzert zu seinem 25-jährigen Bestehen mit Rossinis Petite Messe Solennelle. FOTO: VARADY
Belcanto trifft Sakralmusik: Der Philharmonia Chor Reutlingen beim Konzert zu seinem 25-jährigen Bestehen mit Rossinis Petite Messe Solennelle. FOTO: VARADY

REUTLINGEN. Als eine »Todsünde« kann man Gioachino Rossinis »Petite Messe Solennelle« sicherlich nicht bezeichnen. Und doch waren das Rossinis eigene ironische Worte in Bezug auf dieses geistliche Werk, welches er gegen Ende seines Lebens komponierte. »Petite«, also klein, ist es im Übrigen nicht wegen der Länge, sondern hinsichtlich der Besetzung. Ein Klavier und ein Harmonium sind originell genug als Begleitung, bedingen sich jedoch aus der Uraufführung in einem privaten Salon.

Einen kleinen privaten Salon hat sich der Philharmonia Chor Reutlingen jedoch nicht ausgesucht für die Feier seines 25-jährigen Bestehens. Die Reutlinger Sankt-Wolfgangs-Kirche diente am Sonntagabend als Klangraum für dieses eindrucksvolle Jubiläumskonzert. Dass gerade Rossini hierfür auserwählt wurde, hat sicherlich zwei Gründe: Zum einen das diesjährige Rossini-Jahr; zum anderen ist Rossinis Musik freilich melodiös und auch reich in der Harmonik und keineswegs musikalisch anspruchslos.

Reizvolle Vielfalt

Dass sich auch Johann Sebastian Bachs Spuren darin finden, verleiht dem Werk, welches in gewisser Weise die Belcanto-Begeisterung Rossinis nicht verbirgt, eine reizvolle Vielfalt. Martin Künstner hat hierfür seinen Chor hervorragend geformt und auch glänzende Solisten dafür angeworben.

Die instrumentale Begleitung mit der aus Dettingen/Erms stammenden Katrin Randecker am Klavier und Karl Mittelbach am Harmonium war solide, formgebend und zugleich klangsensibel. Mittelbach brachte das aparte, wohlig schnarrende Timbre herein und hörte sehr sorgsam auf den musikalischen Gesamtkontext, während Randecker ungeheuer plastisch und mit viel Ausdruck große Klangfelder erschloss.

Der Chor war eine einträchtige Gemeinschaft und zugleich ein lebendiger Organismus. Einer, der aufmerksam auf Martin Künstner hörte, mit ihm atmete, gestaltete, jubelte, strahlte oder sachte wohlklingende Formen in den Kirchenraum goss.

Kleine dynamische Schattierungen wurden sehr sorgfältig ausgestaltet; mit viel Hingabe wurde gesungen und auch beim schwierigen »Cum Sancto Spiritu« des Gloria wurde die Spannung ganz gut aufrechterhalten.

Dieser schöne Klangkörper wurde von den Solisten wunderbar ergänzt. Gerade sie hat Rossini als Opern- und Arienkapazität großzügig ausgerüstet. Philipp Nicklaus (Tenor) gestaltete das »Domine Deus« als opernhaft-melodiöses Erlebnis, mit flexiblen dynamischen Schattierungen, während Marcel Brunner selbstbewusst seine strahlende und elegante Bassstimme farbig und mit großer Flexibilität entfesselte.

Katrin Müller (Sopran) brillierte insbesondere in dem sanften »Cruxifixus«, welches sie gleichsam himmlisch sanft und verklärt sang und durch das sachte Nachklingenlassen der Konsonanten eine interessante Wirkung erzielte.

Heilige Atmosphäre

Ganz besonders gewürdigt muss jedoch Mirjam Kapelari werden, welche für die erkrankte Sabine Czinczel eingesprungen war. Sie zauberte im Agnus Dei eine wahrhaft heilige Atmosphäre. Mit ihrem eher dunklen Timbre und der Tatsache, dass sie sich nicht zu größtem Klangvolumen verführen ließ, war die Schlusswirkung des Konzert zweifellos andächtig, weihevoll und ergreifend

Nach einer langen Stille brauste der verdiente Applaus in der Wolfgangskirche umso mehr. (GEA)