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Aktuell Kundgebung

Performance für Demokratie in Myanmar

Mit einer Performance auf den Treppen der Tübinger Stiftskirche haben sich Künstler aus der Region mit der Demokratiebewegung in Myanmar solidarisiert. Eine Künstlerin aus Myanmar berichtete über die Lage dort

Die Künstlerin Yadanar, vor wenigen Tagen aus Myanmar gekommen, berichtet bei der Kundgebung in Tübingen über die Militärgewalt
Die Künstlerin Yadanar, vor wenigen Tagen aus Myanmar gekommen, berichtet bei der Kundgebung in Tübingen über die Militärgewalt in ihrer Heimat. Im Hintergrund Figurenspielerin Anne-Kathrin Klatt. FOTO: KNAUER
Die Künstlerin Yadanar, vor wenigen Tagen aus Myanmar gekommen, berichtet bei der Kundgebung in Tübingen über die Militärgewalt in ihrer Heimat. Im Hintergrund Figurenspielerin Anne-Kathrin Klatt. FOTO: KNAUER

TÜBINGEN. Künstler gehören zu den treibenden Kräften der Demokratiebewegung in Myanmar. Der Ammerbucher Künstler Andreas Hoffmann kennt viele von ihnen, war mehrfach im Land, hat Kollegen von dort zu Performance-Festivals nach Reutlingen und Tübingen geholt. Mit seinem Kollegen Paul Siemt, wie er Mitglied des Theaterpädagogik-Zentrums Reutlingen (TPZ), protestierte er mit einer Performance vor der Stiftskirche gegen die Militärgewalt in Myanmar.

Hoffmann ist Mitinitiator der Organisation Trans-Nation, in der sich Künstler weltweit für ein Ende der Gewalt in Myanmar einsetzen. Seit dem Putsch der Militärs in Myanmar am 1. Februar sind Demonstranten dort brutaler Verfolgung ausgesetzt. Rund hundert Menschen verfolgten die Kundgebung in Tübingen coronakonform mit Masken und Abstand. Selbst aus Frankfurt, Wiesbaden und Darmstadt waren Unterstützer gekommen.

Siemt und Hoffmann traten bei ihrer Performance durch eine dicke Schnur verbunden auf. Hoffmann verschwand in einem von Luftkünstler Frank Fierke gefertigten Riesenballon, der wohl die Erde symbolisieren sollte; Siemt wurde von Fierke in einen Plastiksack gehüllt, aus dem alle Luft entwich, bis er schließlich zu Boden sank, worauf die Schnur gekappt wurde. Man dürfe diejenigen, denen gewaltsam die Luft abgeschnürt wird, nicht zurücklassen, war wohl die Botschaft. Figurentheaterkünstlerin Anne-Kathrin Klatt protestierte mit einem rot-schwarzen Kleid, an dem Masken hingen, die an blutende Gesichter erinnerten.

Besonders bewegend war der Auftritt der Künstlerin Yadanar, der erst vor wenigen Tagen die Ausreise aus Myanmar gelungen war. Möglich machte es ein Stipendium, das Anne-Kathrin Klatt über das Goethe-Institut vermittelt hatte. Yadanar wird die nächsten sechs Monate als »Artist in Residence« an dem von Klatt geleiteten Theater am Torbogen in Rottenburg wirken.

Yadanar berichtete von täglichen Übergriffen durch Polizisten und Soldaten in Myanmar. Vor allem junge Leute würden bei Demonstrationen gezielt in den Kopf geschossen. Telefone würden abgehört, bei nächtlichen Razzien Wohnungen gestürmt, Menschen auf Verdacht verhaftet. Eine Freundin von ihr sei festgenommen und im Gefängnis gefoltert und sexuell missbraucht worden, sagte Yadanar. »Wir wissen nicht, ob sie medizinische Hilfe hat.« Insgesamt seien mittlerweile über 700 Menschen in Myanmar getötet und über 3000 verhaftet worden.

Die Aufstandsbewegung versuche weiter, durch eine Bewegung des zivilen Ungehorsams (Civil Disobedience Movement, CDM) die Rückkehr zur Demokratie zu erzwingen, so Yadanar. Schüler blieben der Schule fern, Arbeiter den Arbeitsplätzen. Die Organisatoren des CDM stünden jedoch im Visier der Machthaber, müssten mit Verhaftung rechnen. Die Hoffnung liege auf einer Regierung der Nationalen Versöhnung (National Unity Government, NUG). Yadanar drückte ihre Sorge über ihre zurückgebliebene Familie aus und schloss mit dem Ausruf: »Der Aufstand des Volkes muss siegen!«

Verdi-Landeschef Martin Gross berichtete auf der Kundgebung von Informationen aus Myanmar durch die dortige Gewerkschaft IWFM (Industrial Workers Federation of Myanmar). Die Arbeiter spielten eine große Rolle in der Aufstandsbewegung, »sie kämpfen an forderster Front«. Arbeiterinnen und Arbeiter gerade auch der wichtigen Textilindustrie hätten ihre Arbeit niedergelegt. Viele könnten nicht in ihre Betriebe zurückkehren, weil ihnen dort Gewalt durch Soldaten oder Polizisten drohe.

Einzelne Textilunternehmen hätten ihre Aufträge an Myanmar eingefroren, berichtete Gross. Insgesamt zeigten sich die Modekonzerne jedoch wenig solidarisch. »Bei Mord und Gewalt muss man seine Stimme erheben, das erwarten wir auch von den Modekonzernen.« Auch müsse Schluss sein mit den Zollprivilegien von Myanmar in der Europäischen Union, bis die Demokratie wiederhergestellt sei. (GEA)

Ein Video von der Kundgebung ist auf der Facebookseite von Andreas Hoffmann zu finden: www.facebook.com/profile.php?id=100008612465126