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Packende Uraufführung: Wolf-Dieter Rahns Requiem in der Reutlinger Kreuzkirche

Wolf-Dieter Rahns Requiem erklang erstmals in der Reutlinger Kreuzkirche. Zwei Chöre, ein Orchester und Vokalsolisten waren an der Uraufführung beteiligt. Eine weitere Aufführung folgt.

Die Kantorei der Kreuzkirche, der Hohbuchchor und ein Projektorchester unter der Leitung von Wolfhard Witte bei der Uraufführung
Die Kantorei der Kreuzkirche, der Hohbuchchor und ein Projektorchester unter der Leitung von Wolfhard Witte bei der Uraufführung des Requiems von Wolf-Dieter Rahn in der Kreuzkirche. Foto: Christoph B. Ströhle
Die Kantorei der Kreuzkirche, der Hohbuchchor und ein Projektorchester unter der Leitung von Wolfhard Witte bei der Uraufführung des Requiems von Wolf-Dieter Rahn in der Kreuzkirche.
Foto: Christoph B. Ströhle

REUTLINGEN. Immer wieder gelingen der Kantorei der Reutlinger Kreuzkirche und dem Hochbuchchor nebst Projektorchester unter der Leitung von Wolfhard Witte denkwürdige Aufführungen. So etwa im Oktober 2018, als man Joseph Haydns Oratorium »Die Schöpfung« mit der Uraufführung eines »Ultima danza« betitelten Stücks des Reutlinger Komponisten Veit Erdmann-Abele verband. Was, kurz vor Ende des Haydnschen Werks als Intermezzo platziert, eine mahnende Wirkung entfaltete.

Und nun wieder. Mit einem Requiem, das am Samstagabend in der Kreuzkirche seine Uraufführung erlebte und am kommenden Sonntag, 19. November, um 17 Uhr noch einmal im Gemeindezentrum Hohbuch zu hören sein wird. Der Reutlinger Wolf-Dieter Rahn hat es komponiert und seinem Vater, dem Arzt und Gründer des Reutlinger Märchenkreises Burkhard Rahn, gewidmet, der ihn kurz vor seinem Tod 2020 ermutigt hatte, »etwas Größeres« zu schreiben.

Der Komponist des in der Kreuzkirche uraufgeführten Requiems, Wolf-Dieter Rahn.
Der Komponist des in der Kreuzkirche uraufgeführten Requiems, Wolf-Dieter Rahn. Foto: Christoph B. Ströhle
Der Komponist des in der Kreuzkirche uraufgeführten Requiems, Wolf-Dieter Rahn.
Foto: Christoph B. Ströhle

Groß gedacht ist das Requiem in der Tat, wobei sich die sinfonische Besetzung mit Chor und Vokalsolisten keineswegs als Selbstzweck erweist. Wie sich am Abend der Uraufführung zeigte, ist das Werk geeignet, tiefe und erhebende Gefühle und Gedanken bei Mitwirkenden wie Zuhörenden zu wecken. Die evangelische Prägung Wolf-Dieter Rahns und sein Bestreben, ein Requiem zu schaffen, das offen für alle Menschen ist, hat ihn zu einer Strichfassung veranlasst, die das traditionelle Bild des Jüngsten Gerichts ausspart. Als Textgrundlage zog er die Psalme 22 und 23 sowie Vers 21 aus der Offenbarung des Johannes heran.

Die Ausführenden gaben in klanglicher Dichte, dunkel gefärbt und mit klarer Artikulation einem feierlichen Trauermarsch Gestalt, der sich, beginnend im Orchester, besonders in den Geigen, aufhellte. Zur Textzeile »et lux perpetua« spürte man in der spätromantisch anmutenden Musik nach dem schicksalhaften Pochen der Pauke das Licht erstrahlen. Die spürbar wachsende Zuversicht mit der Wendung von Moll zu Dur blieb aber vorerst Episode, mündete wieder in den Trauermarsch. Beklemmung, ein banges Gefühl blieben. Die Hinwendung zu Gott, die Bitte um Stärke und Kraft für den letzten Weg gerieten eindrücklich.

Kontraste gut herausgearbeitet

Hervorzuheben ist an dieser Stelle, wie kenntnisreich und differenziert Wolf-Dieter Rahn die Klänge orchestriert hat. Wolfhard Witte und alle Beteiligten, vom Orchester über die Chorsängerinnen und -sänger bis hin zum Solistenquartett, bestehend aus Sylvia Dieter (Sopran), Marion Egner (Alt), Matthias Fleck (Tenor) und Martin Ulrich Merkle (Bass), arbeiteten die Kontraste gut heraus, das Nebeneinander von hoffender Zuversicht und Melancholie.

Wolf-Dieter Rahns Sohn Philipp Rahn entfaltete als Knabensopran - die »große Stimme vom Thron« - Anmut. Eine Welt ohne Leid, Wehklage und Schmerz wurde eindrucksvoll skizziert. Das kulminierte in einem gleißenden Lichtrausch. Mit Psalm 23 wurde das Bild vom Herrn und Hirten, einem paradiesischen Aufgehobensein gemalt. Über warme Streicherklänge legte sich eine liedhafte Melodie. Nach jazzharmonischen Reibungen im Sanctus wurde das Hosianna zum Himmelstanz. Hinreißend gestaltet! Mit einer kurzen Amen-Fuge endete das Werk eher traditionell.

Der Applaus wollte nicht abreißen in der vollbesetzten Kirche. Den Zuhörerinnen und Zuhörern war anzumerken, dass etwas Großes sie bewegt hatte, ja immer noch in ihnen nachklang.

Eindrucksvolle gestaltete Wende

Eingangs hatten die Kantorei der Kreuzkirche, der Hohbuchchor, das Projektorchester und die Solisten Felix Mendelssohn Bartholdys Vertonung des Psalms 42, »Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser«, zur Aufführung gebracht. Gottferne und Verlassenheit stürzten darin trotz der Mahnung des Chores »Harre auf Gott!« auf eine Seele herein. Bis sich auch hier eindrucksvoll die Wende vollzog, Vertrauen und Zuversicht die Oberhand gewannen. Auch hier zeigten die Ausführenden große Einfühlung und ein überzeugendes Gestaltungsvermögen. (GEA)