REUTLINGEN. Dirigent Konrad Heinz hieß das Publikum willkommen, darunter Mitglieder der Familie Eppinger. Bertram Eppinger, Mitglied des SWR Symphonieorchesters, war vor genau einem Jahr verstorben. Die Familie entschied, seinen wertvollen fünfsaitigen Kontrabass der Jungen Sinfonie Reutlingen zu schenken, in der Bertram Eppinger selbst einmal gespielt hatte. »Das ist sehr großzügig!«, bedankte sich Heinz. »Das wertvolle Instrument hat über Jahrzehnte hinweg Generationen verbunden.« Auch das begeisterte Publikum spendete Beifall. Selbstverständlich war der Kontrabass auch beim Silvesterkonzert der Jungen Sinfonie im vollbesetzten Reutlinger Georgensaal zu hören.
2024 wird die Junge Sinfonie 75 Jahre alt. Aus diesem Anlass ist für den Juli ein »weltweit einzigartiges« Beethoven-Projekt (»Beethoven Dark Visions«) angesetzt, bei dem der sinfonische Orchesterklang mit live performter, moderner Dubstep-Musik verbunden wird. Der Kartenvorverkauf startete bereits am Silvesterabend.
Solist Adrian Jelinek am Kontrabass
Das Programm begann mit dem Kontrabasskonzert Nr. 2 von Giovanni Bottesini (1821-1889), bei dem Solist Adrian Jelinek das Publikum mit seiner Performance zu Beifallsstürmen hinriss. Jelinek studiert an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart und wählte für das Konzert ein dreisaitiges Instrument, wie es auch Bottesini damals selbst genutzt hatte. Hoch konzentriert und scheinbar ganz in die Musik versunken spielte er auswendig die drei Sätze Moderato, Andante und Finale. Von weich und lyrisch bis zu explodierendem Jubel reichte die Bandbreite.
Wunderbar war die Harmonie zwischen dem Solisten und dem Orchester, in dem sichtbar eine sehr gute Atmosphäre herrschte. Auf vielen Gesichtern zeigte sich trotz des anspruchsvollen Programms ein Lächeln. Mühelos bewegten sich Musikerinnen und Musiker absolut synchron auf- und abwärts bei schnellen chromatischen Läufen und fanden gemeinsam wieder zurück in sanftere Passagen. Das Publikum bedankte sich mit langem Beifall und Bravorufen.
Konzert mit Stepptänzerin Kira von Kayser
Als »Naturgewalt« bezeichnete Konrad Heinz die professionelle Stepptänzerin Kira von Kayser aus München, Europameisterin 2017 und mehrfache Deutsche Meisterin. Die sympathische Künstlerin verstärkte bei den vier Sätzen des »Tap Dance Concerto« von Morton Gould (1913-1996) Takt und Rhythmus der Orchesterklänge, schuf aber auch mit den Schuhbeschlägen ganz eigene Tonfolgen. Mit Schnipsen und einer expressiven Gestik und Mimik unterstützte sie die Lebendigkeit des Orchestervortrags. Von einer humorvollen Pantomime bis hin zum fröhlichen Wechselspiel zwischen Tänzerin und Musikern bot die Aufführung einen einzigartigen Genuss. Frenetischer Beifall belohnte die großartige Leistung.
Auch das Schlussstück, die »Symphonic Nocturne« aus »Lady in the Dark« von Kurt Weill (1900-1950), war außergewöhnlich. Autor Moss Hart stellte die an einem Burnout leidende »Eliza Elliot« ins Zentrum des Musicals. Die Musik zeichnet ihre Panikattacken nach, scheint aber auch Erlebnisse wie einen Zirkusbesuch, eine Ballnacht oder einen warmen Sommerabend ins Bewusstsein zu rufen. Das Orchester setzte das spannende Musikstück in allen Nuancen, mit einer ausgefeilten Dynamik um. Das Publikum verlangte energisch eine Zugabe und bekam einen schmissigen Radetzkymarsch mit auf den Heimweg. (GEA)