MÜNSINGEN. »Willkommen an der Wiege der Kunst der Menschheit«, sagte Münsingens Bürgermeister Mike Künzing am Samstag bei der Vernissage der Ausstellung »Alblandschaft«, die im BT24-Raum für Kultur im Albgut gezeigt wird. »Lange wurden die Kulturschätze der Alb nicht wahrgenommen. Dabei waren die Menschen hier schon vor 40 000 Jahren kunstsinnig«, so Münzing, der auf die prähistorischen Plastiken aus den Albhöhlen anspielte. Zehn Künstlerinnen und Künstler präsentieren hier ihre persönliche Sicht auf die Schwäbische Alb. Diese Prämisse setzt sich auch in der zweiten Kunstausstellung im benachbarten Atelierhaus BT18 fort, wo es darüber hinaus spannende Experimente zu erleben gibt.
Bei der Idee, am »Ort des Urmeeres« eine »Museumsinsel zu schaffen«, half Edith Koschwitz. Die Organisatorin der Ausstellung im BT24 hatte 2016 Räume für ihr damaliges Kunstprojekt gesucht und war ins Alte Lager eingeladen worden. Die jetzige Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit der Reutlinger Galerie Reinhold Maas.
Im Dialog mit dem Raum
»Hier seine Werke zu zeigen, ist etwas Besonderes«, sagte Renate Gaisser, überregional bekannte Künstlerin aus Reutlingen. »Es sind im Ursprung keine Räume, die für Kunst konzipiert sind. Von daher treten die Kunstwerke automatisch mit dem Raum in Dialog.« Renate Gaisser geht seit 35 Jahren hinaus in die Natur, um zu malen. Für ihre Gemälde, die reduziert in wenigen Pinselstrichen die Alblandschaft und Details wie Holzstapel oder Bäume darstellen, stand sie bis zu acht Stunden im Schnee. »Aber nur direkt in der Natur kann ich das an Dreidimensionalität erleben, was ich dann auch auf die Leinwand bringen möchte.«
Karl Striebel wurzelt unverkennbar in der Landschaftsmalerei, die bei ihm mit großen Pinselschwüngen in den abstrakten Bereich übergeht. Lebendige Farbigkeit charakterisiert seine Sichtweise auf die Alb, ihre Berge und Bäume.
Tanja Niederfeld schuf mit ihrer Serie »Albzeit« eine Folge von Ansichten der Hügel, Felder und Horizontlinien. In starker Reduktion ebnen ihre Holzschnitte einen emotionalen Weg zur besonderen Atmosphäre der Alb.
Auf konkrete Motive beziehen sich die Radierungen Helmut Anton Zirkelbachs, die das Lautertal oder eine Scheune bei Oberstetten darstellen. Im Kontrast zu seinen feinen Arbeiten stehen zwei großformatige Holzreliefs im Spannungsfeld von geometrischen und organischen Formen.
Gemälde mit fantastischen Welten wie einem surrealen Wald oder einem geheimnisvollen Tunnel aus organischem Material zeigt Wolfgang Lumpp, der wie die meisten anderen Künstler auf der Alb lebt. Simone Strasser stellt kleine expressionistische Gemälde aus, die sie laut Galerist Reinhold Maas anfertigte, um sich in die Maler jener Zeit hineinfühlen zu können. In Bildern mit hoher Abstraktion zeigt sie mit freiem Pinselschwung entstandene gräserähnliche Strukturen.
Urwüchsig, rostig, aus schweren Metallplatten geschweißt sind die Objekte des gebürtigen Rumänen Johannes Kares. In seinen Objekten scheint er seine neue Heimat in ihrer Grundsubstanz aus Metall, Erde und Steinen eingefangen zu haben. Heinz Danzer nähert sich dem Thema Alb mit kraftvoll-erdigen Bildern, in die Sand eingearbeitet wurde.
Viele Blicke auf sich zogen die großformatigen Skulpturen von Edgar Braig, der in freier Assoziation hölzerne Transportkisten und eine Heizungsabdeckung zum Objekt »Fragment« verband und humorvoll Jägermeisterflaschen zur kugelförmigen Plastik »Jägi« gruppierte. Von dem 2014 verstorbenen Winand Victor stammt das Bild eines Auges, das den Betrachter zu fixieren scheint, gleichzeitig aber auch an ein Fossil des Jurameers erinnert.
Für Tüftler und Experimentierer
Im BT18 hat Crista Gipser in ihrem »Raum der Alchimisten« die Serie »Winter auf der Schwäbischen Alb bei Münsingen« geschaffen, die gleichermaßen Kraft, Kargheit und Einsamkeit ausstrahlt.
Etwas für Experimentierfreudige im Bereich der Elektronik gibt es bei Manfred Helzle zu erleben. Ein 3-D-Drucker oder ein solarzellenbetriebenes Karussell arbeiten unaufhörlich – Anziehungspunkt nicht nur für Schüler, denen Helzle schon einmal eine elektronische Spielerei zum Staunen schenkt. »Mein Traum ist eine offene Zukunftswerkstatt, wo jeder etwas ausprobieren kann«, sagt er.
Die Gesichter, die der Drucker plastisch werden lässt, hat zuvor sein Bruder Wolf Nkole Helzle fotografiert. Aus 4 000 Fotos von Menschen aus aller Welt schuf er am Computer das Gesicht des »Homo universalis«. Seine Installation »LOVE LOVE LOVE« wuchs aus dem Wort »Liebe« in vielen Sprachen und geschrieben auf Schiefertafeln. Die Medieninstallation »… und ich bin ein Teil« zeigt 2009 fotografierte Einwohner von Münsingen, deren Gesichter ineinander übergehen.
Im Fluss befindet sich auch die Klangkunst-Installation »Noise Talk« von Mirja Wellmann. Sie begab sich mit neuester Technik in Höhlen und Wasserläufe der Alb, zeichnete dort Geräusche auf und setzte sie in gesprochene Laute um. (GEA)
AUSSTELLUNGSINO
Die Arbeiten im Kunstraum BT18 in Münsingen sind am 31. März sowie am Ostersonn- und -montag jeweils von 11 bis 18 Uhr zu sehen. Die Ausstellung »Alblandschaft« im BT24 öffnet an denselben Tagen von 12 bis 18 Uhr. (GEA)