REUTLINGEN. Freitag, magische Nacht, ausverkauft. Samstag, Kleinkunst-Gala, ausverkauft. Die Heimattage in Reutlingen sind ein Zuschauermagnet, erst recht, wenn es wie jetzt am Wochenende um »Baden-Württemberg lacht!« geht. Und zu lachen gab es viel, an beiden Abenden im soziokulturellen Zentrum franz.K. Oder sagen wir besser, jeder hat seinen eigenen Humor, und da das Lach-Programm humoristisch so breit gefächert war, gab es letztlich für jeden etwas, worüber er sich amüsieren konnte.
Ein gutes Beispiel dafür war die Gala am Samstag, bei der aktuelle und frühere Kleinkunst-Preisträger auftraten. Bunt, schrill und laut baggert Heike Sauer als Marlies Blume durch die Humor-Landschaft. Wer nicht mitlacht, wird zwangsgeschunkelt. Hier wird das Schwabentum bis zum letzten Klischee breitgetreten. Und das reicht dann auch »von der Alb ra bis nach Mallorca«, wo die Ballermann-Männer Marlies Blume zu Füßen liegen, weil sie nicht mehr stehen können.
Grobschlächtig und derb zieht Martin Wangler den Schwarzwälder am humoristischen Nasenring hinter sich her. Der Musik-Kabarettist, der auch in der SWR-Serie »Die Fallers« mitspielte, haut einem dabei die tumbe Volkstümelei nur so um die Ohren. So findet sein heimwehkranker Fidelius Waldvogel sogar noch eine Erfüllung darin, wenn er sich einen Tannenzapfen in den Hintern schieben kann. Für ihn kommen die Schwarzwälder »so weit hinten nach, dass sie schon wieder vorne dran sind«.
Feinsinniger und leiser wird es dann schon bei Ernst Mantel, der wie Martin Wangler in diesem Jahr den baden-württembergischen Kleinkunstpreis erhielt. Seine Wortspiele sind entlarvend und bringen jeden zum Lachen, ob er sich als Rapper mit roter Mütze über seinen »Hang zu Neigungen« oder seinen »Mangel an Defizit« auslässt, oder ob er als Daddy Anglizismen auscheckt - da trifft jeder Satz Zwerch wie Fell.
Und dass die Qualität bei den Füenf aus Stuttgart stimmt, das muss man nicht zweimal sagen. Das A-cappella-Quintett ist musikalisch Spitzenklasse. Wie sie durch die Welt der Musik hetzen und dabei das Wort Love durch Horst ersetzen ist nicht nur brüllend komisch, sondern von den Harmonien her perfekt und höchst professionell. Die Gruppe war ohne Zweifel das Star-Team des Kabarett-Abends.
Heimat der Soziokultur
Von Heimat war am Samstag viel die Rede, auch davon dass »Kultur Heimat schafft«. OB Barbara Bosch wies nochmals auf dieses Heimattage-Motto hin. Sie ist überzeugt davon, dass die Stadt ein breites und vielseitiges Kulturangebot besitzt und dass in diesem Spektrum die Soziokultur im franz.K »eine dauerhafte und gute Heimat gefunden« hat.Auch bei der »Magischen Nacht« war der Humor gefragt, und den beherrscht der Wahl-Tübinger Helge Thun perfekt. Seine Zauberkunststücke, gepaart mit der richtigen Dosis Witz, sind unübertroffen. Allerdings war Thun diesmal in erster Linie Moderator, eine Aufgabe, die er aber durch seine einmalige Bühnenpräsenz mitten ins Geschehen rückte.
Und in dem stand beispielsweise auch Doktor Marrax. Der Stuttgarter Jahrmarkt-Zauberer zieht sich einen Nagel aus der Nase, sticht sich mit der Gabel ins Auge, dass es nur so spritzt, oder hackt sich ein Messer in den Arm. Zum Glück gibt es ja noch das Zauberpulver Marraxofax, dass alles wieder in Ordnung bringt.
Bei dem Reutlinger Mentalisten Andy Häussler und seinen Rechenkünsten und Astrologie-Ahnungen kamen die Zuschauer gar nicht mehr aus dem Staunen heraus. Ähnlich war dies auch bei Groß-und-klein-Künstler Jorgos Katsaros. Etwas enttäuschend war dagegen Julius Frack, kürzlich zum Weltmeister der Großillusion gekürt. Bei seinen sonst spektakulären Tricks ging einiges daneben, was einem Weltmeister eigentlich nicht passieren sollte. (GEA)