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Mehrere Kommunen wollen Xavier Naidoo keine Bühne mehr bieten

An Xavier Naidoo scheiden sich die Geister. Der Mannheimer Sänger zieht viele Menschen an. Andere betrachten seine Auftritte als Ärgernis - und wollen sie verhindern.

Xavier Naidoo. Archivfoto: Uwe Anspach
Xavier Naidoo. Archivfoto: Uwe Anspach
Xavier Naidoo. Archivfoto: Uwe Anspach
STUTTGART. Geplante Auftritte des umstrittenen Popsängers Xavier Naidoo werden zunehmend zum Politikum. Der Widerstand gegen Konzerte des Künstlers formiert sich parteiübergreifend. Die Mannheimer Jusos haben eine Petition gegen ein von Ladenburg (Rhein-Neckar-Kreis) in die Mannheimer SAP Arena verlegtes Konzert gestartet - und sie haben bereits mehr als 32 600 Unterzeichner. Und in Ulm wollte ihn die Mehrheit des Gemeinderats per Resolution von einem auf 2021 verschobenen Auftritt im Hof des Klosters Wiblingen abbringen. Nun will Oberbürgermeister Gunter Czisch (CDU) aber erst prüfen lassen, ob sich der Gemeinderat mit diesem Thema befassen darf.

Auch das Land Baden-Württemberg beschäftigt sich unabhängig von der Causa Naidoo mit der generellen Frage, wie es einfacher Einfluss nehmen könnte, wenn bei Konzerten auf seinen Flächen gegen geltendes Recht verstoßen wird. Dafür soll das Finanzministerium Verträge mit Veranstaltern von Konzerten leichter kündigen können, wenn diese Künstler engagieren, die zum Beispiel von Gerichten wegen extremistischer Äußerungen belangt wurden.

»Wir werden künftige Verträge so abschließen, dass bei einem Verbreiten von jugendgefährdenden oder extremistischen Inhalten oder auch bei akuter Gefahr der Verbreitung davon eine Kündigung des Vertrages möglich ist«, sagte ein Sprecher des für die Liegenschaften des Landes zuständigen Finanzministeriums. Das mache die Anforderungen an die Pflichten von Veranstaltern klarer. Musterverträge sollen entsprechend ergänzt werden.

Der Ulmer SPD-Landtagsabgeordnete Martin Rivoir verbucht das als Erfolg seines Appells an das Land. Für ihn ist Naidoo eine unerwünschte Person in der Münsterstadt. Er ist auch Stadtrat und unterstützt die zunächst ausgebremste Erklärung, wonach »die Ansichten des Herrn Naidoo mit dem Grundkonsens der Internationalen Stadt Ulm nicht kompatibel sind«.

Naidoo, der mit Liedern wie »Dieser Weg« und »Sie sieht mich nicht« jahrelang zu den erfolgreichsten Musikern in Deutschland gehörte, sieht sich seit politischen Textzeilen in einem Video heftigen Rassismus-Vorwürfen ausgesetzt. RTL nahm den Sänger aus diesem Grund im Frühjahr aus der Jury von »Deutschland sucht den Superstar« (DSDS). Naidoo bestreitet die Vorwürfe vehement. In einem Facebook-Post schrieb er damals, er sei falsch interpretiert worden. Er setze sich aus tiefster Überzeugung gegen Ausgrenzung und Rassenhass ein und er betonte: »Liebe und Respekt sind der einzige Weg für ein gesellschaftliches Miteinander.« Naidoo erklärte die in dem Video vorgetragenen Liedtexte aber nicht genauer und ging nicht konkret auf die Vorwürfe ein.

Seit Jahren taucht der 48-Jährige zudem immer wieder im Zusammenhang mit sogenannten Verschwörungsmythen auf - zuletzt mit der Corona-Pandemie und einer seit Jahren unter dem Stichwort »Pizzagate« kolportierten Geschichte, nach der im Keller einer Pizzeria in Washington Kinder als Sklaven gehalten werden. Der Politikwissenschaftler Josef Holnburger von der Uni Hamburg hält es für gefährlich, wenn Berühmtheiten solche Ideen verbreiten. Abstruses bekomme dann ein größeres und auch jüngeres Publikum. Naidoo, Mitbegründer der Musikgruppe »Söhne Mannheims«, die sich mittlerweile von ihm distanziert hat, antwortet seit längerem nicht mehr auf Anfragen von Journalisten.

Marcel Büttner, Marketingleiter der für das Konzert in Ulm-Wiblingen zuständigen Konzertagentur, sagt: »Für uns ist es beeindruckend, dass auf uns niemand zugekommen ist.« Das gelte für Politiker wie auch andere Kritiker. Es gebe zwar »komische Aussagen des Künstlers« - aber der Vertrag werde erfüllt. Viele schätzten Naidoos Musik. Ähnlich sieht das der Chef der SAP Arena, Daniel Hopp. Er will den Pop-Sänger trotz Kritik am 9. Oktober 2021 auftreten lassen: »Es obliegt nicht uns als Veranstaltungsstätte, über Äußerungen des Künstlers zu urteilen.«

Die SAP Arena ist der Ersatzspielort für die Festwiese in Ladenburg, wo der für August geplante Auftritt Naidoos wegen des coronabedingten Verbots für Großveranstaltungen abgesagt werden musste. Die Grünen in Ladenburg wollen nun erreichen, dass der Gemeinderat oder ein Ausschuss generell Mitspracherecht bei der Auswahl von Künstlern hat. Für Bürgermeister Stefan Schmutz (SPD) ist ein Einbeziehen des Gemeinderats in die geheimen Verhandlungen der Verwaltung mit den Veranstaltern allerdings undenkbar.

Der Popmusik-Experte Marcus Kleiner sagt, die Veranstalter könnten sich fragen, ob sie - unabhängig von den eigenen wirtschaftlichen Interessen - einem Künstler wie Naidoo eine Bühne geben wollten - und sich dadurch mit ihm und seiner Weltsicht einverstanden erklärten. Aber auch die Fans könnten überlegen, ob sie einen Künstler mit einem Konzertbesuch unterstützen, dessen Positionen womöglich ihrem eigenen Weltbild zuwiderlaufen, sagt Kleiner, Vizepräsident der SRH Berlin University of Applied Science. (dpa)