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Aktuell Konzert

Martin Schneider und die Junge Sinfonie beeindrucken in der Reutlinger Stadthalle

Mendelssohn Bartholdys Violinkonzert und Dvoraks 8. Sinfonie sind gewichtige Brocken auch für Profi-Orchester. Wie die Junge Sinfonie Reutlingen und der Solist Martin Schneider die großen Herausforderungen bewältigt haben.

Hoch konzentriert: Die Junge Sinfonie Reutlingen unter Konrad Heinz begleitet Martin Schneider.
Hoch konzentriert: Die Junge Sinfonie Reutlingen unter Konrad Heinz begleitet Martin Schneider. Foto: Jörg Riedlbauer
Hoch konzentriert: Die Junge Sinfonie Reutlingen unter Konrad Heinz begleitet Martin Schneider.
Foto: Jörg Riedlbauer

REUTLINGEN. Junge Leute sollen auch junge Musik spielen. Was sich wie eine Selbstverständlichkeit liest, ist es in Wahrheit jedoch nicht. Landauf, landab sind jene U20-Begabungen, die sich aktiv mit zeitgenössischer Musik beschäftigen, eine rare Spezies. In Reutlingen ist dies erfreulich anders. Beim Jugendmusikwettbewerb der Gesellschaft der Musikfreunde (GdM) werden Sonderpreise für die beste Interpretation eines Werks aus dem späten 20. oder frühen 21. Jahrhundert vergeben, und die von der GdM unterstützten Orchester, das Nachwuchsorchester gleichermaßen wie die Junge Sinfonie, beschäftigen sich regelmäßig mit dem aktuellen Schaffen lebender Komponisten.

So auch jetzt wieder beim Herbstkonzert in der Stadthalle. »Augenblicke« betitelte Marius Hagedorn sein Stück, das die Jungsinfoniker unter der genauso präzisen wie umsichtigen Stabführung ihres Dirigenten Konrad Heinz zur Uraufführung brachten. Mit großer Ernsthaftigkeit waren sie bei der Sache, geradezu hingebungsvoll. Die Konzertmeisterin und die Solotrompete beispielsweise, oder auch das sanft sinnierende Englischhorn und die heiter-verspielte erste Flöte.

Blechbläser mit Luftgeräuschen

Die formal eher aufgereiht als durchgearbeitet wirkende Komposition wartete mit einer Palette verschiedener Stilelemente auf. Da mussten die Blechbläser Luftgeräusche von sich geben, wie sie vor gut 50 Jahren Altmeister Helmut Lachenmann einführte, um eingefahrene Hörgewohnheiten ins Schwanken zu bringen, da durften die Streicher neoromantisch schwelgen oder die Trompete eine barockisierte Trillerwendung erklingen lassen. Überwiegend war Amerikanisches dabei; Copland ließ immer wieder grüßen, auch Grofés »Grand Canyon Suite« mit dem im Schlagwerk imitierten Eseltraben.

Stets besondere Freude bei der Arbeit mit musikalisch begabten Jugendlichen macht es, Talente wachsen und sich entwickeln zu sehen. Der Violinist Martin Schneider begann 2012 im Nachwuchsorchester, trat später in die Junge Sinfonie über und wurde 2022 in die Internationale Bach-Akademie aufgenommen. Ein Studium bei den Granden seines Fachs am Mozarteum in Salzburg schloss sich an. Mittlerweile ist er auf die historisch informierte Aufführungspraxis spezialisiert und tritt mit renommierten Ensembles wie dem Freiburger Barockorchester auf. Mit seiner Barockvioline kam er nun nach Reutlingen zurück, als Solist in Mendelssohn Bartholdys e-Moll-Konzert. Eindrucksvoll packte er die mitunter extremen Lagenwechsel an, und zu keinem Zeitpunkt drängte sich Virtuosität als Selbstzweck in den Vordergrund. Viele schön musizierten Einzelmomente waren zu erleben, so die nachgerade kostbare Kadenz, die träumerische Sanglichkeit des Adagios oder die keck nachgespürte Saltarello-Rhythmik im Finale, voller Spielfreude vom Orchester aufgegriffen. In allen drei Sätzen war die Junge Sinfonie mehr als ein bloßer Begleiter, nämlich ein exzellenter Mitgestalter.

Bei Dvorák ging die Post ab

In Dvoráks 8. Sinfonie hatte alleine die Musizierlust der jungen Leute etwas Zupackendes und Ansteckendes. Ein viriles, höchst leistungsfähiges Ensemble war da zu erleben, mit leuchtenden Holzbläsern und sattem, kultiviertem Blech auf einem ausgezeichnet vorbereiteten, präsenten und stets zuverlässigen Streicherfundament. Zudem überzeugten etliche interpretatorische Details. Die Introduktion wurde subtil ausmusiziert, um dann wahrhaft »con brio« die Post abgehen zu lassen. Im Adagio gefiel das Gespür für das richtige Tempo, sodass dieser langsame Satz nicht an den Rändern ausfranste – eine Gefahr, die hier sogar bei Berufsorchestern immer wieder droht. Nicht minder gelungen: Das Sehnsüchtige des dritten Satzes und die Entfesslung rhythmischer Triebkräfte im Finale, zu dessen Beginn die exzellent geformte Bratschen- und Cello-Kantilene aufhorchen ließ. Hier merkte man, dass Konrad Heinz die Partitur souverän im Griff hatte, um die jungen Musikerinnen und Musiker sicher durch dieses Großkaliber der sinfonischen Weltliteratur zu führen. (GEA)