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Lothar Schall wäre 100 geworden. Das wird mit einer Schau in Münsingen gefeiert

Seine teils riesigen Arbeiten mit leuchtenden Farben machten ihn berühmt. Am 8. Juni wäre Lothar Schall 100 geworden. Eine Ausstellung ab 2. Juni in der Münsinger Zehntscheuer erinnert an sein Werk. Dahinter stehen zwei Weggefährten des Künstlers.

Manfred Efinger und Joachim Wilhelmy vor einer Malerei Lothar Schalls mit einem Modell zum Ausstellungsaufbau.
Manfred Efinger und Joachim Wilhelmy vor einer Malerei Lothar Schalls mit einem Modell zum Ausstellungsaufbau. Foto: Armin Knauer
Manfred Efinger und Joachim Wilhelmy vor einer Malerei Lothar Schalls mit einem Modell zum Ausstellungsaufbau.
Foto: Armin Knauer

REUTLINGEN. Gelb, rot und blau leuchtet es im Atelier von Joachim Wilhelmy in Gächingen. Überall stehen oder liegen Bilder des 1996 gestorbenen Malers Lothar Schall, der in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte - und der sein Atelier ebenfalls in Gächingen hatte. Wilhelmy, alter Weggenosse des Malers, bereitet mit Manfred Efinger die Jubiläums-Ausstellung für Schall in der Münsinger Zehntscheuer vor. Wilhelmy rahmt selber, restauriert selber, sogar aus Holz und Pappe gefertigte Modelle der drei Ausstellungsetagen hat er gefertigt. »Der Coa« - so Wilhemys Spitzname -»ist ein Perfektionist«, sagt Efinger.

Lothar Schall: In den 1970ern und 80ern war er so etwas wie der schwäbische Superstar des Abstrakten Expressionismus. Alle wollten sie seine teils riesenhaften Werke haben, auf denen Aquarell- oder Ölfarben in leuchtenden Tönen übereinanderschlugen. Seine Arbeiten dominierten die Reutlinger Listhalle bis zu ihrem Abriss, sie beherrschen noch heute das Atrium des Domino-Hauses. Die Stuttgarter Staatsgalerie kaufte Werke von ihm an, das Reutlinger Kunstmuseum, Firmen, private Sammler.

Vom Chemografen zum Künstler

Der Autodidakt aus Stuttgart, dessen Atelier seit 1973 in Gächingen stand, hatte es geschafft. Auf Drängen des Vaters hatte er erst technischer Zeichner gelernt, danach eine Ausbildung zum Chemographen gemacht. Im Krieg als Soldat schwer verwundet, deshalb sogar zeitweise erblindet, widmete er sich von 1945 an der Malerei. Baute daneben einen Vertrieb selbst gefertigter Künstlerfarben auf, die auch von prominenten Kollegen wie Willi Baumeister genutzt wurden. In den 1960ern der Durchbruch mit wilden Abstraktionen in leuchtenden Grundfarben. Begleitet von einem nicht weniger individuellen Privatleben: Während seine Frau, die 1990 gestorbene Künstlerin Luitgard Schall, in die Rolle der Werkverwalterin hineinwuchs, führte Schall eine Lebenspartnerschaft mit Christel Danzer. Mit ihr und der gemeinsamen Tochter Friederike unternahm er Urlaubsreisen, malte unter der Sonne Frankreichs.

Ausstellungsinfo

Die Ausstellung »Lothar Schall - Werk im Wandel« ist vom 2. bis 23. Juni in der Zehntscheuer Münsingen (Zehntscheuerweg 11) zu sehen. Geöffnet ist Donnerstag bis Sonntag von 15 bis 19 Uhr. Eröffnung ist am Sonntag, 2. Juni, um 11 Uhr. Die Einführung hält Mona Maidhof, Musik macht das Klavierduo Hayashizaki-Hagemann. (GEA)

Nun ist Schall seit 27 Jahren tot und sein Ruhm verblasst. Die Listhalle ist Geschichte; für die Stadthalle, diese Weihestätte des rechten Winkels, verbat sich Architekt Max Dudler jede Art von Kunst. Zum 100. Geburtstag ist weder in Stuttgart noch in Reutlingen eine Schau zu Schall in Sicht. Also blieb es an Wilhelmy und Efinger hängen, an ihn zu erinnern. Der inzwischen 83-jährige Wilhelmy ging zu Lebzeiten Schalls in dessen Atelier ein und aus. Mit Schalls Tochter Friederike von Hirschheydt erarbeitet er aktuell ein Werkverzeichnis des Künstlers.

Efinger lernte Wilhelmy bereits als Schüler kennen - als Mitglied von dessen Theater-AG am Münsinger Gymnasium. Später studierte er Politik, ging in die Wissenschaftsverwaltung, war zuletzt Kanzler der Technischen Universität Darmstadt. Seit vergangenem Jahr ist er pensioniert und fühlt sich Schall verbunden - Efingers Frau hatte in den 1980ern engen Kontakt zu dessen Frau Luitgard gehabt. Deren Nachlass arbeitete Efinger auf. Lothar Schall - und Luitgard - möchte er eine Biografie widmen.

Viele Sammler kontaktiert

Wilhelmy hat für das Werkverzeichnis zahllose Sammler von Schalls Kunst aufgespürt, um herauszufinden, wo sich die Bilder befinden. Manches Rätsel tat sich da auf. So ist von einer ursprünglichen Vierergruppe nur der Verbleib von drei Teilen bekannt. An die Stelle des vierten Bildes setzt Wilhelmy in der Ausstellung ein großes Fragezeichen.

Schall, erzählt Wilhelmy, habe sehr viel verkauft. Einen Großteil jedoch nicht über Galerien, sondern über seinen Freundeskreis - eine Art Fan-Zirkel. Ausgangspunkt für seine Recherchen seien die Adressen gewesen, die Luitgard in den von ihr geführten Verkaufslisten festhielt. Oft seien nur noch die Kinder oder gar Enkel greifbar gewesen.

Friederike von Hirschheydt vor einem Aquarell ihres Vaters im Depot. Fast alle gezeigten Werke stammen aus dem Nachlass.
Friederike von Hirschheydt vor einem Aquarell ihres Vaters im Depot. Fast alle gezeigten Werke stammen aus dem Nachlass. Foto: Armin Knauer
Friederike von Hirschheydt vor einem Aquarell ihres Vaters im Depot. Fast alle gezeigten Werke stammen aus dem Nachlass.
Foto: Armin Knauer

Viele aus diesem Freundeskreis werden bei der Vernissage am 2. Juni in der Zehntscheuer erwartet. Voraussichtlich wird auch Manfred Bauerle dabei sein. Der Stuttgarter Jazzpianist und Fotograf hat Schall seinerzeit oft abgelichtet, teils beim Malen im Atelier.

Sieben Motivgruppen

Die Ausstellung selbst verteilt sich auf drei Etagen, von denen Wilhelmy zufolge nur die unterste mit dem Fahrstuhl erreichbar ist. Gegliedert ist die Schau nach Motiven. Bildergruppen beleuchten die Themen Abstraktion, Blumen, Landschaft, Alb, Mikro-/Makrokosmos, Akt/Torso und Stimmung/Gefühle. Auch Fotografien von Bauerle zu Schall sollen zu sehen sein. Ein Katalog ist nicht geplant, aber ein Leporello mit Informationen zu Leben und Werk. Und einige Tafeln mit biografischen Angaben in der Ausstellung selbst.

Zu sehen sein werden rund 80 Bilder, fast alle aus Schalls Nachlass, den seine Tochter Friederike von Hirschheydt betreut. Für die Einführung haben Wilhelmy und Efinger sich bewusst für eine junge Kunsthistorikerin entschieden. Hat Schall auch der jüngeren Generation noch etwas zu sagen? Mona Maidhof wird darüber Auskunft geben, sie hat sich vor Ort über Schalls Schaffen informiert. Umrahmt wird das Ganze vom Klavierduo Hayashizaki-Hagemann mit Musik von Beethoven über Erwin Schulhoff bis hin zu Veit Erdmann und Hideo Mizokami. Wobei Wilhelmy die Brücke schlagen wird von den Stücken zum Schaffen Schalls. (GEA)