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Aktuell Bühne

Liebe und Luftgeister

Burkhard C. Kosminski inszeniert Shakespeares »Sturm« am Staatsschauspiel als Spiel um Fantasie und Theatermagie.

Erlebnishungrige Fürstentochter und geknechtetes Inselwesen in Florian Ettis Bühnenlandschaft: Camille Dombrowsky als Miranda (l
Erlebnishungrige Fürstentochter und geknechtetes Inselwesen in Florian Ettis Bühnenlandschaft: Camille Dombrowsky als Miranda (links) und Evgenia Dodina als Caliban in Burkhard C. Kosminskis Inszenierung von Shakespeares »Der Sturm«. FOTO: SUTER
Erlebnishungrige Fürstentochter und geknechtetes Inselwesen in Florian Ettis Bühnenlandschaft: Camille Dombrowsky als Miranda (links) und Evgenia Dodina als Caliban in Burkhard C. Kosminskis Inszenierung von Shakespeares »Der Sturm«. FOTO: SUTER

STUTTGART. »Der Sturm« beginnt mit einem solchen: Auf der Bühne des Schauspielhauses bauen sich sämtliche Darsteller hinter Mikrofonen auf und heulen, blasen, trampeln. Sie werfen Vogelschreie in die Luft und lassen ein Donnerblech erbeben – ein Orkan fegt um unsere Ohren.

Vordergründig geht es in William Shakespeares letztem Theaterstück um die Wiedereinsetzung des Herzogs von Mailand, den sein Bruder um die Macht betrogen hatte. In Wirklichkeit aber geht es auf Prosperos einsamer Insel um Fantasie, um Luftgeister und Liebe auf den ersten Blick. Um Weisheit, Melancholie und die Magie des Theaters. Und die gibt es in der Inszenierung des Schauspielintendanten Burkhard C. Kosminski reichlich.

Seine pausenlose, knapp zweistündige Inszenierung ist vor allem ein sehr lustiger Theaterabend, dem die anfängliche Leichtigkeit im Lauf der Zeit nur ein klein wenig abhandenkommt. Sie ist auch ein wunderbarer Schauspieler-Abend, denn Kosminskis Darsteller genießen das Spiel mit ihren Rollen – Sylvana Krappatsch etwa als anarchischer Luftgeist Ariel, der mit einem tollen Auftritt in die Träumereien seines Meisters Prospero kracht.

Spiel der Blicke und Pointen

Krappatschs Dialoge mit André Jung als stillem Prospero klingen sehr spontan, die Ironie ist fein dosiert, das Timing subtil. Das mag an der lakonischen, geerdeten Übersetzung von Jens Roselt liegen; aber auch Prosperos Dialoge mit seiner Tochter Miranda spielen federleicht mit Blicken, Pausen und Pointen. Das erlebnishungrige Mädchen (die lebhafte Camille Dombrowsky) stürzt sich geradezu auf den Königssohn Ferdinand, der nach dem Sturm über die Insel irrt. Marco Massafra setzt der Göre einen korrekten, leicht verpeilten Gutmenschen entgegen.

Wer nicht von vornherein schräg ist wie die Komikertruppe um Trinculo (Sven Prietz) und Stephano (Christiane Roßbach), dem zaubern Prospero oder Ariel irgendwelche Ticks und Tücken an den Hals. So staunen Felix Strobel, Reinhard Mahlberg und David Krahl als gestrandete Machthaber vor allem über sich selbst und ihr merkwürdiges Benehmen.

Die Theatermetapher prägt den Abend. Florian Etti hat eine Bühne auf der Bühne gebaut, die mit wehenden roten Vorhängen um sich selbst kreiselt. Ute Lindenberg mischt alte und moderne Kostüme. Einmal raucht Ariel buchstäblich die Wut aus den Kleidern. Problematisch bleibt einzig das Wesen Caliban, der von Prospero geknechtete Ureinwohner der Insel und damit eigentlich ein Thema für Kolonialismus-Kritik. In der dritten Hosenrolle des Abends, mit der Kosmin-ski das völlig männerlastige Stück tatsächlich auszubalancieren vermag, zeigt Evgenia Dodina ein deformiertes Wesen mit Krückenarmen, dessen Leiden zwar deutlich wird, aber kaum unter die Haut geht. Und für das es auch kein gutes Ende, keine Befreiung gibt wie für fast alle anderen Personen dieser Geschichte.

AUFFÜHRUNGSINFO

Weitere Termine von Shakespears »Der Sturm« in der Inszenierung von Burkhard C. Kosminski sind am 26. und 28. April, am 6., 14. und 30. Mai sowie im Juni und Juli. (GEA) www.schauspiel-stuttgart.de

»Der Sturm« feiert bei Kosminski die Magie des Theaters und die Kunst, gerade die vielen selbstreferenziellen Anspielungen Shakespeares klingen deutlich durch in dieser Inszenierung. Sie litt am Premierenabend noch unter einigen Versprechern, dafür gibt es schöne Musik: Camille Dombrowsky und David Krahl singen zarte Renaissance-Arien, zwischendurch knallt Chatschaturjans Säbeltanz herein (die Nennung der Komponisten im Programmheft und damit etwas mehr Hochachtung vor ihnen wäre schön gewesen).

Abschied des weis(s)en Mannes

Wie sehr »Der Sturm« ein Abschiedswerk ist, dafür steht André Jung als Prospero: ein zerstreuter, ein wenig trauriger Poet, der das Textbuch der Souffleuse ausleiht und die jüngeren Mitspieler doch mit Übersicht herumdirigiert. Einer, der den müßigen Ehrgeiz der Menschen mit Milde betrachtet. Politik ist hier ein Spiel auf dem Theater, die Mächtigen werden zu taumelnden Figuren, die nur ein kluger Regisseur zum guten Ende bringen kann. Der alte weis(s)e Mann nimmt Abschied, auch deshalb passt das Werk so gut in unsere Zeit und bietet so viel Stoff zum Nachdenken. (GEA)