REUTLINGEN. Der Sound des so liebenswert unbeugsamen Trios International Music aus Essen entspricht weder gängigen Normen noch dem Mainstream. Warum auch? Seit 2015 zirkeln sie erfolgreich lautstarke Melodien aus ihren Instrumenten, genauso, wie es ihre Fans lieben. Kein Schnickschnack, meist volle Pulle Energie und mit deutschen Texten, die zwischen dem berühmten Geist der »Ruhrpott-Dramatik« und sinnentleerten Inhalten hin und her springen. Die drei Krachmacher Peter Rubel (Gitarre und Gesang), Pedro Goncalves Crescenti (Bass und Gesang) und Joel Roters (Schlagzeug) produzieren einen Sound, der zwischen Vorwärtsdrängen und Harmonieverschiebung oszilliert und sich Dank gezielter Ausbrüche immer wieder aus der Fessel allzu einengender Strukturen löst.
Gitarrist Peter Rubel schafft das im Handumdrehen: Mit den Fingerspitzen ein windschiefes und schneidendes Solo herausgekitzelt – schon mutiert das eben noch etwas ruhiger dahinzuckelnde Stück »Marmeladenglas« zum Sprungbrett in eine andere Dimension. Röhrend wie ein durchstartender Düsenjäger bricht die E-Gitarre durch die Decke des franz.K und hinterlässt einen gleißenden Kometenschweif am Reutlinger Himmel. Zweifellos haben die drei jungen Musiker die Lektion gelernt, die der Indierock ihnen aufgab. Die lautet, musikalisch eine Verbindung zwischen Anarchie und Ästhetik suchen – immer nah dran, abzustürzen ins tiefe schwarze Nichts, das von allen Seiten herüber gähnt. International Music machen Musik, die zwischen Indie, Noise, Postpunk, Neue Deutsche Welle und 60s-Pop hin und her pendelt. Jedes Stück ist ein Anschlag, ein heftiges kleines Energiewunder.
Aus der Improvisation entstanden
Beständig arbeitet diese Band an der Auslotung gängiger Punkrock-Klischees. Sie tut es mal abgedreht, mal widerborstig, chaotisch und immer intensiv. Die Nähe zu musikhistorischen Bezugspunkten wie dem Punk macht es, dass diese Lärmwucht auf ihre Weise sehr vertraut wirkt, doch dabei alles andere als wie von gestern klingt. Aber das ist ja eines der Zeichen dieser Zeit in der Musik: Altes vermischt mit jugendlicher Frische klingt zwar nicht gerade neu, aber jedenfalls so, dass es aufhorchen lässt. Dabei sind Stücke wie »Raus aus 'm Zoo« oder ihre bisher erfolgreichste Single »Für Alles« spürbar aus der Improvisation entstanden. Zugleich gibt es rudimentäre Songstrukturen, mit dem Band-typischen Harmonie-Chorgesang, der abwechselnd oder gemeinsam von Peter Rubel und Pedro Goncalves Crescenti ins Publikum geschmettert wird.
Die meisten, vor allem die tanzende Menge vor der Bühne, stört die Lautstärke natürlich keineswegs. Im Gegenteil. Die Leute wollen abgedrehte Texte, hämmernden Rhythmus und schrägen Indierock hören – und das bekommen sie bei dem 75-minütigen Auftritt in Hülle und Fülle geboten. (GEA)