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Kunstmuseum Reutlingen zeigt Gude Schaals Magischen Realismus

Eine neue Ausstellung im Kunstmuseum Reutlingen bietet einen umfassenden Überblick über das Lebenswerk von Gude Schaal. Fast 120 Bilder sowie Dokumente aus ihrem Leben sind zu sehen.

Gude Schaals Ölgemälde »Sturmflut« (1971).
Gude Schaals Ölgemälde »Sturmflut« (1971). Foto: Christoph B. Ströhle
Gude Schaals Ölgemälde »Sturmflut« (1971).
Foto: Christoph B. Ströhle

REUTLINGEN. »Ihre Arbeiten haben immer etwas Menschenleeres, auch wenn Menschen dargestellt sind«, sagt Stephan Rößler, der Leiter des Kunstmuseums Reutlingen, über Gude Schaals Schaffen. Zudem drücke sich in ihren Bildern häufig eine gewisse räumliche Enge aus - die nur aufgehoben sei bei den Landschaftsbildern, insbesondere jenen von der norddeutschen Küste.

All das lässt sich bis zum 26. Januar 2025 im Kunstmuseum Reutlingen erleben. Auf drei Etagen des Spendhauses ist die Ausstellung »Gude Schaal: Mein Weg in die Malerei« zu sehen, die in Zusammenarbeit mit dem Nachlass der Künstlerin und der Galerie Reinhold Maas entstanden ist. Sie bietet einen umfassenden Überblick über das Lebenswerk von Gude Schaal, die fast 70 Jahre in Reutlingen verbrachte. Oberbürgermeister Thomas Keck wird die Schau an diesem Freitag, 30. August, um 18 Uhr eröffnen.

Identifikationsfigur der Kulturszene

1915 in Altona (heute ein Bezirk Hamburgs) geboren, sei die 2011 gestorbene Künstlerin bis heute eine »wichtige Identifikationsfigur der Kulturszene und der Kulturgeschichte der Stadt Reutlingen«, sagt Rößler. Er rechnet fest damit, dass die noch von seiner Vorgängerin Ina Dinter initiierte und von Rainer Lawicki und Anna Thaler kuratierte Ausstellung viele Besucherinnen und Besucher haben wird, die die Künstlerin persönlich kannten.

Fast 120 Bilder von ihr zeigt das Museum. Und in Vitrinen historische Artefakte: Ausweisdokumente, Fotografien von Illustrationen, die im Krieg verloren gingen, Zeichnungsmappen, Scherenschnitte, private Fotos, die dem Museum zur Verfügung gestellt wurden. Rößler empfiehlt, sich mit der Geschichte Gude Schaals auseinanderzusetzen, um einen Zugang zu ihren Bildern zu bekommen. Nicht zuletzt ein recht umfangreich geratener biografischer Abriss lädt im Erdgeschoss dazu ein. Hier kann man auch frühe Buch-Illustrationen mit Märchenmotiven der Künstlerin sehen, die in den 1930er-Jahren in Hamburg, München und Leipzig Kunst studierte und danach freischaffend tätig war. Bis zur Hochzeit mit dem Reutlinger Textilfabrikanten Eugen Schaal.

Kafkaeske Figuren

Sie verlor eines ihrer drei Kinder kurz nach der Geburt und litt jahrelang unter Depressionen. Die Kunst - für sie nicht zuletzt Mittel der Therapie - holte sie aus ihrer tiefen Schwermut heraus. Wobei sich ein gewisser Hang zur Melancholie auch in später entstandenen Werken manifestierte. Rößler spricht im Hinblick auf ihr Werk von Magischem Realismus und macht das am Gemälde »Konferenz mit Puppe« aus dem Jahr 1981 deutlich. Es zeigt kafkaeske Figuren, Schlipsträger mit fahlen Gesichtern, die armeehaft auflaufen. »Alles läuft auf eine Frau im Vordergrund hin, die durch ihre Passform eindeutig als Puppe identifizierbar ist. Ihre Physiognomie wirkt leer. Sie wirkt wie ein Objekt.«

Eine Avantgarde-Künstlerin sei Gude Schaal nie gewesen, so der Museumsleiter. Stark sei sie da, wo es ihr gelinge, innere Bilder nach außen zu tragen. In der zweiten Etage finden sich kunsthistorische Zitate Schaals - Annäherungen an Goya, Modigliani, Picasso. »Aber das Ganze immer versehen mit einem norddeutschen Witz, muss man sagen«, so Rößler.

Ausstellungsinfo

Die Ausstellung »Gude Schaal: Mein Weg in die Malerei« im Kunstmuseum Reutlingen/Spendhaus, Spendhausstraße 4, ist vom 31. August bis zum 26. Januar zu sehen. Die Vernissage, bei der Oberbürgermeister Thomas Keck und Museumsleiter Stephan Rößler sprechen, ist am Freitag, 30. August, um 18 Uhr. Geöffnet ist die Ausstellung Mitt­woch, Sams­tag, Sonn­tag/Fei­er­tag 11 bis 18 Uhr, Don­ners­tag und Frei­tag 14 bis 20 Uhr. Der Katalog zur Ausstellung ist im Wienand Verlag erschienen und enthält Beiträge von Julia Berghoff, Rainer Lawicki, Gude Schaal und Anna Katharina Thaler. Am Sonntag, 1. September, wird um 11.30 Uhr im Reutlinger Programmkino Kamino Fritz Dannenmanns Dokumentarfilm »Durch Leid zum Licht. Leben und Werk der Gude Schaal« gezeigt. (GEA)

www.kunstmuseum-reutlingen.de

In einem Stillleben rückt Schaal unter anderem einen Fernseher ins Bild. Ein anderes Gemälde zeigt Menschen, die in einen solchen starren. Heute würde das wohl eher für ein Smartphone gelten. Unter den Bildern mit zuschreibbaren Figuren sticht ein Porträt der Künstlerin Gudrun Krüger mit Katze ins Auge. Wobei die Katze den Betrachter fixiert, während Krüger zur Seite blickt.

Bilder, die Reutlingen zeigen, sieht man in der dritten Etage, überwiegend dominiert von einem gewitterwolkenverhangenen, expressiven Himmel. Und Küstenlandschaften Norddeutschlands. »Das war ihr Gedankenexil, in das sie sich immer hinträumte«, sagt Rößler. »Ein wichtiger Energieort für sie.« Eine Sturmflut hat sie auf der Leinwand richtiggehend herausmodelliert. (GEA)