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Kunstmuseum Reutlingen zeigt Überblick über die Werkreihen Vera Leutloffs

Malerei von Vera Leutloff aus ihrer Serie »Flora«.  FOTO: KNAUER
Malerei von Vera Leutloff aus ihrer Serie »Flora«. FOTO: KNAUER
Malerei von Vera Leutloff aus ihrer Serie »Flora«. FOTO: KNAUER

REUTLINGEN. Es ist eine eigentümliche Welt, in die der Besucher eintaucht in den Bildern von Vera Leutloff, die sie von heute an in der konkreten Abteilung des Kunstmuseums Reutlingen in den Wandel-Hallen zeigt. Strukturen wie Stapel von Stangen und Reifen, Farbverläufe, mal streifenförmig, mal strahlenförmig, Landschaften, Blattstrukturen. Alles in leuchtenden Farben, merkwürdig künstlich wirkend, teils fast wie Computergrafiken. Und doch ist hier alles mit Pinsel und Ölfarbe gemalt, wie die Künstlerin beim Presserundgang versichert.

Es ist dieser eigentümliche Schwebezustand, der ihre Bilder ausmacht. Immer meint man darauf »Reales« zu erkennen, Röhren, Stangen, Pflanzen, und sei es ein vorbeidonnernder Schnellzug, der alles Bildhafte verwischt. Doch genau wie ein Schnellzug alles durch seine Bewegung verwischt, entzieht sich auch bei Leutloff das »Reale«, spätestens wenn man näher herantritt. Dann ist plötzlich alles nur ein raffiniertes Spiel mit Farbverläufen und virtuos gesetzten Pinselstrichen.

AUSSTELLUNGSINFO

Die Ausstellung »Farbe in Bewegung« mit Malerei von Vera Leutloff ist bis 12. März im Kunstmuseum Reutlingen/konkret zu sehen. Geöffnet ist Mittwoch, Samstag, Sonn- und Feiertag 11 bis 18 Uhr, Donnerstag, Freitag 14 bis 20 Uhr. An Heiligabend und Silvester ist geschlossen. (GEA) www.kunstmuseum-reutlingen.de

Leutloff ist ein Name in der Kunstszene. In den 1980ern hat sie in Düsseldorf studiert, früh den Villa-Romana-Preis gewonnen. Ihre Arbeiten hat immer wieder die Galerie Reinhold Maas in Reutlingen gezeigt; zwei Werke von ihr hat inzwischen das Kunstmuseum Reutlingen angekauft; sie sind derzeit in der Schau »Ins Licht« mit Highlights der Gemäldesammlung im Spendhaus zu sehen.

In den Wandel-Hallen zeigt das Kunstmuseum erstmals, wie Kurator Holger Kube Ventura betont, einen Überblick über die vielen, oft parallel geführten Werkreihen Leutloffs. Am besten fängt man am linken Raumende mit den »Frühwerken« an. Hier offenbart sich nämlich, dass Leutloff eigentlich von der Auseinandersetzung mit der Landschaft herkommt. Berge, Seen, Gärten sieht man da.

Doch diese werden zur bloßen Trägerstruktur eines davon losgelösten malerischen Geschehens, wie Kube Ventura erläutert. Röhren durchfurchen die Gebirgszüge, Stangen legen sich über die Szenerie, die Farben driften ins Irreale ab. Es sind diese »Störelemente«, die sich von da an verselbstständigen. Aus ihnen entwickelt Leutloff ihre Werkreihen.

Jede Serie ein Set von Regeln

Jede dieser Reihen hat ein Set eigener Spielregeln, die Leutloff sich gibt. Ein solcher Regelsatz kann lauten: Klebe die Leinwand kreuz und quer mit Klebebandstreifen ab. Ziehe Streifen für Streifen ab und fülle das jeweils freiwerdende Leinwandsegment mit einem langgezogenen Farbverlauf. Was entsteht, sind genau die Strukturen der Reihe »Stangen«, die in der Tat wie Stapel von Rohren wirken. Und doch nicht sind. Denn es gibt keinerlei Schattenwurf oder perspektivische Verjüngung. Was bleibt bei näherem Hinsehen, sind Farbverläufe, Pinselstriche.

Jede Serie hat so einen Satz Spielregeln. Hier führen sie zu Gebirgen, die sich als reine Kunstgebilde entpuppen, dort zu Urwäldern, die von Nahem ein Geflecht geschwungener Pinselstriche sind.

So erzeugt Leutloff Zwiespalt auf Zwiespalt – und lädt die Bilder mit Spannung auf. Sieht nicht vieles aus wie am Computer konstruiert? Und ist doch alles handgemalt. Scheinen die Bilder nicht in Bewegung? Changieren sie nicht zwischen nach hinten und nach vorne gebogenen Formen? Alles Schein.

Irgendwie erinnern diese selbstgestellten Aufgaben, die Leutloff in mühseliger Feinarbeit Pinselstrich für Pinselstrich auf die Leinwand bringen muss, auch an die Meditationsübung eines Zen-Mönchs. In der Tat hat sie eine Serie »Haiku« genannt, nach der japanischen Form von Kurzgedichten. Weil auch in ihren Bildern das Wesentliche letztlich die »Leere« ist, die zwischen ihren streifenförmigen Farbverläufen steckt – so wie beim Haiku der Kern in der Leere zwischen den Zeilen steckt. Ja, zur Kultur Japans habe sie eine Affinität, bekennt sie. Das Hochhalten von Disziplin, Ausdauer und Konzentration und das Festhalten an einmal gewählten Prinzipien verbindet sie damit. Aber nein, als Meditationsübung oder gar Selbstkasteiung möchte sie ihre Bilder nicht verstanden wissen. Für sie sei wichtig, wie sich aus der einmal gegebenen Bildstrategie ein Motiv entwickle. Die Resultate, sie beeindrucken jedenfalls. (GEA)